Rund um das Spiel gegen Mainz

Am Frei­tag­abend trifft der VfB auf Mainz 05. Revan­chiert sich der FSV für das 4:1 in der Hin­run­de oder sam­melt der VfB wie­der Punk­te gegen den Abstieg? Vor dem Spiel haben wir mit 05-Fan Jes­si­ca (@footballjessy) gespro­chen.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Jes­si­ca und dan­ke, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Zunächst zu Dir: Wie bist Du Mainz-Fan gewor­den?

Jes­si­ca: Das war kurz nach dem 34. Spiel­tag 1994/95. Ich war 9 und hat­te im Urlaub nur eine Sport Bild zu Lesen. Dort kam ich dann irgend­wann bei den Zweit­li­ga­er­geb­nis­sen an und sah, dass Mainz mit einem 7:1 über den FSV Frank­furt die Klas­se gehal­ten hat­te. Das hat mich irgend­wie so begeis­tert und in der Fol­ge habe ich mich, im Rah­men der Mög­lich­kei­ten, ver­sucht immer mehr über den Ver­ein zu infor­mie­ren. Da mei­ne Fami­lie mit Fuß­ball nichts am Hut hat­te und ich gute 100km ent­fernt wohn­te, war das nicht immer leicht. Des­wei­te­ren gab es in der Schu­le auch fast nie­mand ande­res mit Inter­es­se an der 2. Bun­des­li­ga. Ein­zig mein bes­ter Freund ent­wi­ckel­te eine merk­wür­di­ge Lie­be zu For­tu­na Köln, wodurch ich wenigs­tens einen Gesprächs­part­ner hat­te. Ansons­ten war ich lan­ge auf Zei­tung, Video­text und kur­zen Spiel­be­rich­te begrenzt. Den­noch ist die Bezie­hung immer wei­ter ange­wach­sen und ich erin­ne­re mich wie hap­py ich mit 12–13 war, wenn Mainz mal im DSF-Mon­tags­spiel gezeigt wur­de, wie fürch­ter­lich der ers­te ver­pass­te Auf­stieg 96/97 war. 2002 besorg­te ich mir dann über Ebay mei­ne ers­te nor­ma­le Kar­te. 2003, als ich dann mei­nen Füh­rer­schein hat­te, kam die ers­te Dau­er­kar­te. Gera­de recht­zei­tig, da nach dem Auf­stieg 2004 sel­bi­ge gefühlt den Wert eines Gold­bar­ren hat­te. Wer nach dem Auf­stieg sei­ne Dau­er­kar­te ein­fach nur ver­län­gern konn­te, war ein glück­li­cher Mensch.

Die Sai­son läuft ja für den FSV bis­her alles ande­re als nach Plan. Wor­an liegt das und wel­che Bedeu­tung hat der über­ra­schen­de 3:2‑Sieg gegen Leip­zig am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de?

Die Bedeu­tung ist natür­lich immens, zumal kein glück­li­cher Zit­ter­sieg war. Es war eine kämp­fe­ri­sche Leis­tung, wie man sie seit lan­gem nicht gese­hen hat und man hat sofort gese­hen, dass Dan­ny da Cos­ta und Domi­nik Kohr der Mann­schaft etwas brach­ten, was in der Ver­gan­gen­heit fehl­te. Gera­de da Cos­ta auf der Außen­bahn, wo man zuletzt viel mit gelern­ten Innen­ver­tei­di­gern agie­ren muss­te, ist ein Spie­ler­typ den wir so nicht im Kader hat­ten. Dazu war der Wech­sel zu Bo Svens­son ein­fach ein wich­ti­ger Schritt, da es in Mainz ein­fach nicht ohne “Stall­ge­ruch” geht.

Der Sieg gegen Leip­zig war der ers­te im vier­ten Spiel unter dem neu­en Trai­ner Bo Svens­son. Wie bewer­test Du sei­ne Arbeit bis­her, was macht er anders als sein Vor­gän­ger Jan-Moritz Lich­te?

Man sieht schon das Svens­son eine ande­re Her­an­ge­hens­wei­se hat. Er kennt den Ver­ein Mainz 05, er hat die bei­den prä­gen­den Trai­ner des Ver­eins als Spie­ler erlebt. Vor allem die Tuchel-Zeit als Mainz den tak­tisch bes­ten Fuß­ball der Ver­eins­ge­schich­te spiel­te. Bei Lich­te fehl­te lei­der der neue Impuls, nach­dem es schon mit Bei­er­lor­zer lan­ge nicht gut aus­sah. Letzt­lich war die­se Ver­pflich­tung bereits ein Feh­ler und Lich­te konn­te dies nicht aus­bü­geln. Ein schö­nes Bei­spiel für Svens­sons Ideen war der Leip­zig-Sieg, da Mainz wesent­lich aggres­si­ver auf den Ball ging und nicht nur hin­ten auf Kon­ter war­te­te. Dadurch kam Leip­zig gar nicht erst dazu ein funk­tio­nie­ren­des Kom­bi­na­ti­ons­spiel auf­zu­zie­hen.
Wie ich schon schrieb bringt Svens­son ein­fach etwas zurück, auch Ver­einsi­den­ti­tät. Ver­ei­ne wie Mainz, Frei­burg,… kön­nen ohne einen lang­fris­ti­gen Plan, eine kon­se­quent geleb­te Phi­lo­so­phie kaum über­le­ben — gera­de in der Zeit der Inves­to­ren­teams.

Nicht nur der Trai­ner ist neu. Mit Rück­keh­rer Chris­ti­an Hei­del und Ex-Trai­ner Mar­tin Schmidt gibt es auch einen neu­en Sport­vor­stand und ‑direk­tor. Was sagst Du zu die­sen Neu­be­set­zun­gen in der sport­li­chen Lei­tung?

Ich den­ke es war das best­mög­li­che. Rou­ven Schrö­der hat sicher­lich alles ver­sucht, aber er hat lei­der offen­sicht­li­che Feh­ler gemacht und die­se im Som­mer nicht kor­ri­giert. Neben feh­len­den Ver­stär­kun­gen auf Pro­blem­po­si­tio­nen (Außen­ver­tei­di­gung, Sturm) gelang es zudem nicht einen sport­lich funk­tio­na­len Kader auf die Bei­ne zu stel­len. Bei Schrö­der wirk­te alles nur auf wirt­schaft­li­che Zie­le aus­ge­rich­tet.
Eine Alter­na­ti­ve zu Hei­del hät­te ich gar nicht gewusst, dafür ist der Ver­ein ein­fach auf allen Ebe­nen zu stark mit ihm Ver­bun­den. Zudem hat Mainz 05 in den letz­ten Jah­ren schwer mit sin­ken­der Iden­ti­fi­ka­ti­on des Umfelds zu kämp­fen. Die Zuschau­er­zah­len sin­ken, der Ver­ein wird weni­ger wahr­ge­nom­men. Ich selbst muss mich dazu zäh­len, da ich seit meh­re­ren Jah­ren kei­ne Dau­er­kar­te mehr habe. Aber das liegt weni­ger an Mainz als an einer Abnei­gung gegen vie­le Din­ge des moder­nen Fuß­balls. Von dubio­sen Tur­nier­ver­ga­ben bis zum Auf­kom­men von Hof­fen­heim und Leip­zig…
Aber zurück zu Mainz: Wenn jemand die­se Pro­ble­me ange­hen kann, dann Hei­del. Auch vie­len mei­nes Umfel­des und mir habe ich gemerkt, wie vie­le Emo­tio­nen bei Hei­dels Rück­kehr-PK auf­ge­kom­men sind. Bei Mar­tin Schmidt muss man natür­lich abwar­ten, aber auch er kennt Mainz und auch er bringt eine gewis­se Emo­tio­na­li­tät mit. Ich bin da grund­sätz­lich posi­tiv gestimmt und geste­he ihm da auch Zeit zu — schließ­lich ist es ja sein ers­ter Job als Sport­di­rek­tor

Wie groß sind aktu­ell Dei­ne Hoff­nun­gen auf den Klas­sen­er­halt? Und wel­che Aus­wir­kun­gen hät­te ein Abstieg?

Nach dem Heim­sieg sind die Hoff­nun­gen natür­lich stark gestie­gen, auch wenn der Rück­stand noch immer enorm ist. Aber Mainz hat in den letz­ten 25 Jah­ren eini­ge aus­sichts­lo­se Abstiegs­kämp­fe gemeis­tert, gera­de zu Zweit­li­ga­zei­ten. Ein Abstieg muss man aber natür­lich ein­kal­ku­lie­ren und Svensson/Heidel/Schmidt wur­den ja auch aus dem Grund geholt, im Fall der Fäl­le einen Neu­auf­bau anzu­ge­hen. Finan­zi­ell wäre es sicher pro­ble­ma­tisch, nach­dem man aktu­ell schon stark gebeu­telt ist. Per­so­nell muss man abwar­ten. In den Junio­ren­mann­schaf­ten sind eini­ge gro­ße Talen­te dabei, wel­che in Liga 2 schnel­ler Fuß fas­sen könn­ten. Aber man muss da natür­lich auch beden­ken, dass z.B. den U19 Spie­lern durch die Spiel­ab­sa­gen fast die kom­plet­te 20/21 Sai­son fehlt. Auch lässt sich nicht abschät­zen ob wich­ti­ge Kader­per­so­nen wie Leo Bar­rei­ro, Levin Özt­u­na­li,… den Schritt mit­ge­hen wür­den. Auch da hängt sicher vie­les davon ab, dass Svens­son einen kla­ren Zukunfts­plan vor­legt. Einen schlei­chen­den Absturz erwar­te ich aber nicht.

 Im Janu­ar ver­lieh der FSV vier Spie­ler, unter ande­rem Jean-Phil­ip­pe Mate­ta an Chrys­tal Palace, und ver­pflich­te­te sei­ner­seits leih­wei­se Domi­nik Kohr und Dan­ny da Cos­ta aus Frank­furt. Wie ist Dei­ne Mei­nung zu den Trans­fers in die­ser Peri­ode und soll­ten Hei­del und Schmidt vor Ende des Trans­fer­fens­ters noch­nal aktiv wer­den? 

Zu da Cos­ta und Kohr hat­te ich mich ja schon geäu­ßert, bei­de sind ganz kla­re Ver­stär­kun­gen. Sie brin­gen dem Kader etwas, dass dem Kader, vor allem der ers­ten Elf, oft gefehlt hat. Mate­ta ist auf dem Papier ein gro­ßer Ver­lust, aber Sta­tis­ti­ken sagen nicht alles. Mate­ta wirk­te in zig Spie­len wie ein Fremd­kör­per und strahl­te eine gewis­se Lust­lo­sig­keit aus, die sich wohl­mög­lich auch auf ande­re über­tra­gen hat. Dadurch hat er das Umfeld schon lan­ge gespal­ten, aber spä­tes­tens mit dem Pokal-Elf­me­ter gegen Bochum alles ver­lo­ren. Da muss­te man ein­fach eine neue Lösung fin­den, zumal er als Stür­mer­typ auch nicht unbe­dingt zu Svens­son passt.
Wei­te­re Trans­fers sind mei­ner Mei­nung nach aber drin­gend not­wen­dig. Auf der lin­ken Abwehr­sei­te fehlt ein Gegen­stück zu da Cos­ta und im Sturm braucht man auch drin­gend min­des­tens einen Neu­zu­gang. Sicher­lich fin­det man da kei­nen, der in der Rück­run­de garan­tier­te 10 Buden macht — aber es kann auch nicht sein, dass wir mit den Mit­tel­stür­mern Sza­lai und Ji in die Rück­run­de gehen.

Wie läuft es denn bei unse­ren drei Ex-Spie­ler Phil­ipp Mwe­ne, Kevin Stö­ger und Adam Sza­lai?

Stö­ger tut sich bis­her noch recht schwer, aber da muss man sicher auch die feh­len­de Vor­be­rei­tung mit ein­be­rech­nen. Sza­lai ist ein Streit­fall. In eini­gen Din­gen fehlt ihm mei­ner Mei­nung nach mitt­ler­wei­le die Erst­li­ga­taug­lich­keit, gera­de die Schnel­lig­keit fehlt kom­plett und sei­ne zwi­schen­zeit­li­che Aus­sor­tie­rung war sport­lich nach­voll­zieh­bar. Nun ist er wie­der zurück, aber eben auch weil es sonst nie­man­den gibt. Dazu kann er mit sei­ner Mas­se tat­säch­lich noch in man­chen Fäl­len hel­fen ein Spiel über die Zeit zu schau­keln. Mwe­ne ist einer der Gewin­ner der letz­ten Wochen, konn­te sich nach lan­gen Pro­ble­men in die ers­te Mann­schaft spie­len. Aller­dings auch, weil es an Alter­na­ti­ven fehlt. Ob er sich dau­er­haft fest­spie­len kann muss sich zei­gen.

Das Hin­spiel in Mainz ging recht deut­lich mit 4:1 an den VfB. Was macht Dich zuver­sicht­lich, dass es für Euch dies­mal bes­ser läuft und was nicht? Wel­che Stär­ken und Schwä­chen hat die Mann­schaft aktu­ell?

Natür­lich ist das Selbst­ver­trau­en nach dem Sieg ein ganz ande­res und auch die Grund­stim­mung ist eine ganz ande­re. Die Lauf­stär­ke und das Pres­sing ver­bes­sern sich, aber eine Haupt­schwä­che von Mainz wird immer noch sein ein Spiel zu dik­tie­ren. Seit jeher tut sich Mainz gegen tief ste­hen­de Kon­ter­mann­schaf­ten extrem schwer. Dazu hat­te die Mann­schaft unter Bei­er­lor­zer und Lich­te eine extre­me Anfäl­lig­keit für dicke Feh­ler in der Abwehr. Aller­dings ist hier mit der uner­war­te­ten Wider­ge­burt von Ste­fan Bell sehr viel Ruhe ein­ge­kehrt.

Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?

Mit einem Unent­schie­den könn­te ich wohl leben, da ich noch nicht weiß, wie wir auf unse­rer Schwach­stel­le LV einen Silas Waman­gi­tu­ka aus­rei­chend lan­ge in den Griff bekom­men wol­len. Daher neh­me ich jetzt mal ein 1:1.

Titel­bild: © imago/MIS

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