Zwei Niederlagen gegen direkte Konkurrenten und dann ein Heimspiel gegen einen Abstiegskandidaten? Wie der VfB sich am Freitagabend zumindest sportlich aus einer brenzligen Situation befreite.
Es begann mit einem Schuss des Mainzers Stefan Bell. Der Innenverteidiger tauchte vor dem Strafraum des VfB auf und suchte aus 17 Metern den Torabschluss, blieb jedoch direkt an den Beinen von Orel Mangala hängen von denen der Ball zu Silas Wamangituka prallte. Und dort, etwa 17 Meter vor der eigenen Torauslinie, begann er seinen Ein-Mann-Sturmlauf aufs Mainzer Tor. Ließ schnell den zurückeilenden Bell hinter sich, schüttelte auf Höhe der Mittellinie den früheren Stuttgarter Kevin Stöger ab und trieb den Ball mit großen Schritten immer weiter vor sich her immer tiefer in die Mainzer Hälfte des Spielfelds. Am gegnerischen Sechzehner angekommen ließ er noch Jeremiah St. Juste hinter sich und vollendete zum vorentscheidenden 2:0. Wer wissen will, warum der VfB am Freitagabend einen drohenden Negativlauf bereits im Keim erstickte, muss sich dieses Tor anschauen. Immer wieder.
Denn es zeigt den Unterschied zwischen dieser und letzter Saison und es zeigt die ersten Anzeichen eines Entwicklungssprungs dieser Mannschaft, vielleicht des wichtigsten. Im Tabellenvorletzten Mainz stand den Brustringträgern eine Mannschaft gegenüber, die durch den überraschenden Sieg gegen Leipzig neue Hoffnung geschöpft hatte und genau so in dieses Spiel ging: Mit hohem Pressing und hohem, meist durchgestrecktem Bein. So wenig sich die VfB-Spieler logischerweise vom Chaos auf der Geschäftsstelle beeindrucken ließen, so überfordert schienen sie in der ersten Hälfte mit dem Auftreten des Gegners. Immer wieder unterliefen der Heimmannschaft Fehlpässe im Aufbauspiel, teilweise direkt am eigenen Strafraum und häufig auch durch jene beiden Spieler die beim Abfangen von Angriffen und Sichern von Bällen eigentlich eine Bank sind: Orel Mangala und Wataru Endo. Immer wieder holte sich Mainz den Ball kurz vor der Mittellinie und auch wenn es danach nie so richtig gefährlich wurde, war man doch StN besorgt, dass einer dieser leichtfertigen Ballverluste den 0:1‑Rückstand und das so anstrengend wie vermutlich fruchtlose Antennen gegen den Mainzer Mannschaftsbus vor deren Tor bedeuten würde.
Zurück gekämpft und Gefahr gebannt
Worin also besteht dieser Entwicklungssprung: Auch solche Spiele zu gewinnen, gegen Mannschaften, die rustikal spielen, tief stehen und auf Konter lauern. Daran war der VfB in der zweiten Liga reihenweise gescheitert und auch in der Bundesliga ging so der eine oder andere Punkt verloren. Mitte der zweiten Halbzeit hatte sich die Mannschaft mit dem Brustring das Spielfeld und die Selbstsicherheit zurückerkämpft und war in der Lage, ihr gewohntes Spiel aufzuziehen. Auch wenn es dafür einen Auslöser brauchte: das 1:0 von Sasa Kalajdzic nach Flanke von, natürlich, Borna Sosa. Dieses Tor, das genauso durch die individuelle Klasse von Vorlagengeber und Torschütze entstand wie das 2:0, kam quasi aus dem Nichts und so muss es dann halt manchmal laufen in solchen Spielen. Individuelle Klasse, Widerstandsfähigkeit und plötzlich gewinnst Du Dein erstes Heimspiel und das auch noch zu null.
Nach diesem Spiel herrscht bei mir vor allem Erleichterung — und Mitleid mit Gonzalo Castro, der in seinem 400. Bundesliga-Spiel verletzt runter musste und nun zwei bis drei Wochen ausfällt. Unerträglich wären die altklugen Kommentare gewesen, die Führungskrise im Verein würde sich nun auch auf dem Platz niederschlagen und einer der Beteiligten habe am Ende den möglichen Klassenerhalt auf dem Gewissen. Und auch rein sportlich wäre die nächste Niederlage gegen einen direkten Konkurrenten schmerzhaft gewesen, denn bislang schwang vor jedem Spiel, wenn auch mit jedem Spiel weniger, die Angst mit, die Mannschaft könne noch auf aufsehenerregende Weise einbrechen. Mit dem wichtigen Sieg gegen Mainz scheint diese Gefahr fürs Erste gebannt. Ein gutes Vorzeichen für die kommenden Spiele.
Titelbild: © Wolfgang Frank Eibner-Pressefoto