Mit dem Rückzug von seiner Präsidentschaftskandidatur hat Thomas Hitzlsperger die von ihm mit verursachte Krise des VfB etwas entschärft. Der Blick ist jetzt wieder frei auf das, worum es wirklich geht.
Ob Thomas Hitzlsperger es wirklich für eine gute Idee hielt, nicht nur dem Vorstand der AG vorzusitzen, sondern auch den Verein als Präsident zu führen, lässt sich im Nachhinein schwer beurteilen. Vielleicht sah er es als einzige Möglichkeit, die Probleme mit Claus Vogt zu überwinden, indem er ihn ersetzte. Dass seine Kandidatur zwar letztendlich satzungskonform, aber vereinsdemokratietheorethisch problematisch war und seine Aufstellung zur Wahl der Bruch eines Versprechens gewesen wäre, hätte eigentlich jedem klar sein müssen. Das war aber nicht der Fall. Denn ob er es wollte oder nicht: Seine Kandidatur wurde von vielen nicht nach den oben genannten Kriterien bewertet, sondern nach dem Tabellenstand der aktuellen VfB-Mannschaft und nach einem Volleyschuss am 19. Mai 2007.
Die Kollegen vom Vertikalpass schrieben neulich “Es geht hier nicht um Hitz vs. Vogt, es geht um Establishment vs. Mitgliederrechte” und trafen damit den Nagel auf den Kopf. Der quer durch die Republik mit Kopfschütteln begleitete “Machtkampf” war nicht mehr als eine Nebelkerze. Sicherlich: Claus Vogt wird in seiner bisherigen Arbeit als Präsident nicht fehlerfrei gewesen sein und damit auch auf Unmut, nicht zuletzt beim Vorstandsvorsitzenden der von ihm beaufsichtigten AG gestoßen sein. Und es ist gut vorstellbar, dass beide auch einfach persönlich nicht miteinander können. Aber auch wenn Hitzlspergers Kandidatur nicht von jemand anderem als ihm selbst gesteuert wurde, so wurde sie doch zumindest wohlwollend begrüßt.
Es ging nie um “Streithähne”…
Von eben jenen Personen, die bereits im Herbst versuchten, die Ermittlungen von Esecon in Sachen Mitgliederverarsche und Datenmissbrauch zu sabotieren. Von jenen Personen, die entweder mit der Kampagne zur Ausgliederung direkt betraut wären oder als Präsidiumsmitglied nicht nur die Amtsführung Wolfgang Dietrichs verteidigten, sondern vielleicht auch mehr darüber wussten, was der Präsident hinter den Kulissen treiben ließ. Von jenen Personen, die die Mitglieder vertreten sollten, sich aber bislang nicht dazu durchringen konnten, die Mitglieder über die Leistung und Qualifikation des Amtsinhabers entscheiden zu lassen und stattdessen wahrscheinlich zu den Leuten gehörten, die. “wollen, dass ich Präsident des VfB werde”, so Volker Zeh — und zwar bevor feststand, wer sich überhaupt bewirbt. Und schließlich auch von jenen Leuten, denen die Mitglieder schon scheißegal waren, als sie noch im Aufsichtsrat des e.V. saßen. Wer sich die Namen dazu nicht denken kann, findet sie im oben verlinkten Vertikalpass-Artikel oder in meinem offenen Brief vom 1. Januar.
Nun, da sich der Vorhang der Kandidatur von der Bühne hebt, kann das Spiel beginnen, dass uns vom Drama eines Vereins berichtet. Denn am morgigen 1. Februar soll den VfB-Gremien der Abschlussbericht von Esecon vorgelegt werden (wenn ihn nicht vorher wieder jemand leakt), den der Vereinsbeirat als Grundlage für die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten genannt hat. Deswegen kam der Rückzug von Thomas Hitzlsperger zum richtigen, aber auch spätmöglichsten Zeitpunkt. Das Narrativ der beiden “Streithähne”, die durch ihren Konflikt dem Verein schaden, funktioniert jetzt nicht mehr. Und damit gibt es auch für den Vereinsbeirat keine Ausrede mehr, Claus Vogt nicht zu nominieren, auch wenn er sich durch seinen angesichts der Vorbelastung seiner Präsidiums Kollegen wahrscheinlich notwendigen, aber dennoch riskanten Vorstoß, die Versammlung in den Herbst zu verschieben angreifbar gemacht hat. Aber, um das noch mal (!) in aller Deutlichkeit zu wiederholen: Die Entscheidung, ob sich der amtierende VfB-Präsident für eine weitere Amtszeit qualifiziert, darf den Mitgliedern, die ihn ins Amt gewählt haben, nicht vorenthalten werden. Wer anders handelt, begeht Verrat an den Mitgliedern, die er vorgibt, zu vertreten.
…sondern immer um die Ermittlungen!
Und noch etwas wesentliches muss jetzt wieder im Fokus stehen: Wer ist verantwortlich dafür und wer wusste davon, dass der VfB nicht nur versuchte, seine Mitglieder zu verarschen, sondern auch deren Daten massenhaft weitergab — wie der kicker neulich berichtete scheinbar teilweise sogar komplett ohne vertragliche Grundlage? Wer das organisiert und nicht verhindert hat, hat genauso Verrat an den Mitgliedern begangen, egal ob er von ihnen vor 2017 in ein Amt gewählt wurde oder nur angestellt ist und hat im Verein für Bewegungsspiele 1893, egal in welcher Rechtsform, keinen Platz. Die Konsequenzen aus dem Fehlverhalten wurden 2019 leider nicht gezogen, das muss jetzt nachgeholt werden. Natürlich nach juristischen und arbeitsrechtlichen Maßstäben, aber ohne Rücksicht. Die gab es schließlich auch nicht, als man unser Vertrauen in den VfB zerstörte.
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