Der alltägliche Sexismus im (Neckar-)Stadion

Sexis­mus im Fuß­ball ist ein The­ma, über das nicht ger­ne gespro­chen wird. Für Frau­en im Sta­di­on ist die Angst vorm nächs­ten Grab­scher all­ge­gen­wär­tig, für Män­ner ist das The­ma häu­fig unan­ge­nehm und es wird klein gere­det, abge­tan oder ver­nied­licht. Gleich zwei Spie­le in der jün­ges­ten Ver­gan­gen­heit haben gezeigt, dass auch beim VfB Sexis­mus nicht nur „heim­lich“ all­ge­gen­wär­tig ist, son­dern von einer Ultra­grup­pe offen­siv nach außen getra­gen wird.

TEIL 1: Sexis­mus ist auch im Neckar­sta­di­on an der Tages­ord­nung

TEIL 2: Sexis­mus ist im Fuß­ball­sta­di­on all­täg­lich

TEIL 3: For­de­run­gen und Lösungs­mög­lich­kei­ten – für Fans und Ver­ant­wort­li­che

TEIL 4: Per­sön­li­cher Kom­men­tar


TEIL 1: Sexismus ist auch im Neckarstadion an der Tagesordnung

[CN: Sexua­li­sier­te Gewalt; Trig­ger­war­nung: anschau­li­che Beschrei­bun­gen von Über­grif­fen]

Im Spiel gegen Hei­den­heim zeig­ten die Ultras der Süd­ban­de ein sexis­ti­sches Ban­ner gegen­über der weib­li­chen Hei­den­hei­mer Ultra-Grup­pie­rung Socie­tas und im Spiel gegen St. Pau­li leg­ten sie gegen­über den Heim­fans nach. Den Inhalt möch­te ich hier nicht wie­der­ho­len, er ist hin­läng­lich bekannt. Die Ban­ner sorg­ten aber für eine deut­li­che Reak­ti­on des VfB, des Vor­stands­vor­sit­zen­den und des neu gewähl­ten Prä­si­den­ten, die sich in einem State­ment gegen Sexis­mus aus­spra­chen.

Über zukünf­ti­ge (oder ver­gan­ge­ne) Pro­jek­te gegen Sexis­mus sei­tens des VfB ist jedoch nichts bekannt und so wirkt die Akti­on trotz dem, dass sie sicher gut gemeint war, ein klein wenig wie Aktio­nis­mus. Denn abge­se­hen von dem offen­sicht­li­chen Sexis­mus, der auf den Ban­nern zur Schau gestellt wird, sind auch im Neckar­sta­di­on sexis­ti­sche Kom­men­ta­re und sexua­li­sier­te Gewalt (Grab­schen, Tat­schen, mehr­fa­che anzüg­li­che Kom­men­ta­re) an der Tages­ord­nung.

Auch im Pokal­spiel gegen Lever­ku­sen waren neben ras­sis­ti­schen Kom­men­ta­ren (die nicht weni­ger schlimm sind, aber nicht Gegen­stand des Arti­kels) gegen­über Clin­ton Mola, dem Debü­tan­ten, sexis­ti­sche Kom­men­ta­ren gegen­über der Schieds­rich­te­rin Bibia­na Stein­haus zu hören:

„Shivasam1893“ schreibt dar­über hin­aus noch davon, dass Stein­haus als „Fot­ze“ belei­digt wor­den sei und „die will doch nur Bred­low und Manga­la flach­le­gen“, beglei­tet von höh­ni­schen Kom­men­ta­ren, „ach Bibi, sei doch nicht so streng“.

Das ist übri­gens nicht erst seit ges­tern The­ma, sie­he einem Tweet von 2016 (!), als Stein­haus ein Spiel gegen Hei­den­heim im Neckar­sta­di­on pfiff:

Es gibt tau­sen­de Bei­spie­le für Sexis­mus unter Fuß­ball­fans:

„Ganz selbst­ver­ständ­lich schein­bar. Eine jun­ge Frau wird im Schal­ke-Fan­block von einem Mann begrab­scht. Sei­ne Freun­de sol­len belus­tigt zuge­se­hen haben. Der Ord­ner, bei dem die Frau Hil­fe sucht, soll gesagt haben, sowas pas­sie­re schon mal. In einem Son­der­zug mit Borus­sia-Mön­chen­glad­bach-Fans soll laut Ankla­ge­schrift Anfang ver­gan­ge­nen Jah­res eine 19-Jäh­ri­ge ver­ge­wal­tigt wor­den sein. […] Rei­se­bus­se hal­ten für sie nicht an ordent­li­chen Toi­let­ten­häus­chen, Ultra-Anfüh­rer über­ge­ben ihnen die für sie wert­vol­le Grup­pen­fah­ne, weil sie sich sicher sind, dass Frau­en von ande­ren Fans nicht über­fal­len wer­den.“ (Deutsch­land­funk)

Und natür­lich ist das Neckar­sta­di­on kei­ne Aus­nah­me. So schrei­ben weib­li­che Stutt­gart Fans über ihre Erleb­nis­se:

Auf den ers­ten Tweet gab es von­sei­ten der VfB-Com­mu­ni­ty eine gan­ze Men­ge Zuspruch und Bedau­ern, aber das Pro­blem sind natür­lich nicht die vie­len Guten, son­dern die weni­gen Schlech­ten, denen man Ein­halt gebie­ten muss.

Begriffserklärung: Worum geht es eigentlich?

Zunächst zur Begriff­lich­keit: Es geht hier um sexua­li­sier­te Gewalt – alle Hand­lun­gen, „die ohne Zustim­mung oder gegen den Wil­len einer Per­son aus­ge­übt wer­den“ (Leit­fa­den) – das kön­nen kör­per­li­che Über­grif­fe sein oder auch rein ver­ba­le Beläs­ti­gun­gen. Eben alles, was die Per­son nicht will und genau die­se Per­son ist letzt­lich dafür aus­schlag­ge­bend, ob es sexua­li­sier­te Gewalt ist oder nicht; die Gren­zen sind nicht klar gezo­gen, es kommt auf das jewei­li­ge Emp­fin­den und die Per­son an; was für man­che schon sexua­li­sier­te Gewalt ist, fin­den ande­re nicht so schlimm. Das hat aber aus­schließ­lich die betrof­fe­ne Per­son zu beur­tei­len, kei­ne Beobachter*innen und schon gar nicht die aus­üben­de Per­son.

Es gibt unzählige Erlebnisberichte aus der Stuttgarter Fanszene

Um etwas gegen Sexis­mus beim VfB zu unter­neh­men, gilt es, zunächst Auf­merk­sam­keit für das The­ma zu schaf­fen. Als wei­ßer Cis-Mann bin ich per­sön­lich davon über­haupt nicht betrof­fen, zumin­dest, solan­ge ich selbst nicht Täter bin, des­we­gen habe ich mit denen gespro­chen, die es betrifft: Den Frau­en, die sich den VfB im Neckar­sta­di­on anschau­en.

Da ist zum einen Gina (@snowwhizzl), die der ein oder ande­re even­tu­ell vom VfB-Becher­pfand ken­nen könn­te:

 „Abge­se­hen von dem ange­spro­che­nen Hin­tern­grab­scher [sie­he Tweet] sind auch im Block diver­se Berüh­run­gen schon des Öfte­ren pas­siert, natür­lich ist das für die­je­ni­gen, von denen sol­che Aktio­nen aus­ge­hen, eine opti­ma­le Umge­bung. Da hast du ja eh teil­wei­se kaum Platz zum Atmen, man kann gar nicht aus­ma­chen, woher die Hand jetzt in dem Moment kam.

Auf dem Weg zum Sta­di­on (ohne männ­li­che Beglei­tung) kam die Fra­ge von einem dick­bauchi­gen Mitt­vier­zi­ger, ob ich nicht auf sei­nem Schoß sit­zen will. Was ich aber min­des­tens genau­so ner­vig fin­de, sind eben die­se Aus­sa­gen, die man an den Kopf gewor­fen bekommt, wenn man sich erlaubt, als Frau die Aus­sa­ge „ich mag Fuß­ball“ zu täti­gen. Da ist dann eben die kom­plet­te Palet­te an Reak­tio­nen mehr­fach auf­ge­tre­ten. Das reicht von „Du gehst da doch bestimmt nur hin, um die Typen zu bestau­nen“ (sor­ry, dafür bin ich dann doch zu sehr Schwa­be, dass ich nur zum Män­ner gucken Geld für ein Ticket aus­ge­ben wür­de), bis hin zu irgend­wel­chen Möch­te­gern-Quiz­fra­gen um her­aus­zu­fin­den, ob ich’s ernst mei­ne und mich wirk­lich aus­ken­ne „oder nur den Typ beein­dru­cken will“, bis hin eben zu dem Stan­dard-Macho­ge­la­ber, dass Frau­en in der Kur­ve nix zu suchen hät­ten. Und am aller­meis­ten nervt mich dar­an, dass es nicht KSC‑, Bay­ern oder sons­ti­ge Fans sind, son­dern die von unse­rem Ver­ein.“

Sarah (unter ande­rem Pod­cas­te­rin beim Brust­ring­talk und Ver­fas­se­rin des Tweets von oben) hat eben­falls eini­ge Erfah­run­gen mit sexua­li­sier­ter Gewalt gemacht:

„Im Gedrän­ge vorm Palm Beach bspw. oder auch im Block kommt das immer mal wie­der vor, dass man plötz­lich ange­grab­scht wird — und ja, es gibt einen Unter­schied zwi­schen “es ist Gedrän­ge und ich kom­me aus Ver­se­hen mit mei­ner Hand gegen dich” und “ich nut­ze das Gedrän­ge, um dich bewusst anzu­grab­schen”. Die­sen Unter­schied bemerkt man als Frau. Lei­der kön­nen die Täter in den Fäl­len auch sehr schnell im Gedrän­ge wie­der ver­schwin­den, bevor man über­haupt rea­li­siert, was pas­siert ist.

Extre­me­re Bei­spie­le, die mir pas­siert sind:
2018, Gäs­te­block in Dort­mund: Der Mann der hin­ter mir steht, fängt plötz­lich an, mir den Rücken zu mas­sie­ren. Auf Auf­for­de­rung hört er auf, fängt spä­ter noch­mal an. Auf erneu­te Auf­for­de­rung hört er dann ganz auf — ich war mit gera­de so 19 damals noch so unsi­cher, dass ich ein­fach nichts zu den Umste­hen­den gesagt habe. Bereue ich bis heu­te, aber man reagiert nicht so schnell wie man das ger­ne wür­de in sol­chen Situa­tio­nen.


2019, Gäs­te­park­platz Regens­burg: Ein älte­rer Mann klatscht mir im Vor­bei gehen einen Sti­cker auf die Brust. Ich rufe ihm hin­ter­her, er lacht nur.


2020, vorm Gäs­te­block in St. Pau­li: Ein älte­rer Mann nennt mich Mau­si und grab­scht mir an den Hin­tern, ist weg, bevor ich etwas sagen kann. Nach dem Spiel fasst mir irgend­je­mand im Vor­bei­lau­fen von hin­ten unters Shirt — bis ich bemerkt habe, dass das nicht mein Freund war, sehe ich nur noch eine Grup­pe jun­ger Män­ner im Gedrän­ge ver­schwin­den und sich für die­ses Angrab­schen gegen­sei­tig fei­ern.“

Und auch Ute (vfb-bilder.de) hat nicht nur posi­ti­ve Erfah­re­nung mit den Fans des eige­nen (!) Ver­eins gemacht:

Von Grab­sche­rei­en bin ich bis­lang glück­li­cher­wei­se ver­schont geblie­ben. Ledig­lich eine ein­zi­ge Situa­ti­on war mir extrem unan­ge­nehm: vor eini­gen Jah­ren stand ich in Frei­burg im Sta­di­on, mit mei­nem Freund und eini­gen ande­ren Freun­den. Ein augen­schein­lich nor­ma­ler Fuß­ball­fan kam auf mich zu, etwa Anfang/Mitte 20, und frag­te mich, ob ich „die Ute“sei. Ich dach­te, er kennt mich viel­leicht von der SWR-Doku­men­ta­ti­on aus dem Jah­re 2014, von Insta­gram oder von Twit­ter. Ich bejah­te, wor­auf­hin er mir sag­te, er habe mit sei­nem Kum­pel eine Wet­te lau­fen. Er wür­de mir für ein Beweis­fo­to an die Brüs­te fas­sen und dadurch 100 € von sei­nem Kum­pel bekom­men. Im ers­ten Moment war ich ganz per­plex und wuss­te nicht, was ich sagen soll­te. Das über­nah­men mei­ne Freun­de, denen ich dank­bar war. Sie scheuch­ten ihn weg, mit einer ein­deu­ti­gen Wort­wahl. Mein Freund, der dabei stand, mein­te spä­ter, wäre nicht so viel Poli­zei­prä­senz gewe­sen, hät­te er ihm eine mit­ge­ge­ben. Ich selbst war nicht in der Lage, mich adäquat zur Wehr zu set­zen. Der Schock-Moment ist unfass­bar groß.

Das sind nur Ein­zel­auf­nah­men von drei Frau­en. Ich habe für den Arti­kel nicht drei Frau­en ange­schrie­ben, von denen ich wuss­te, dass sie bereits sexua­li­sier­ter Gewalt aus­ge­setzt waren, son­dern drei Frau­en, von denen ich wuss­te, dass sie häu­fi­ger ins Sta­di­on gehen und sie gefragt, ob sie schon Erleb­nis­se mit sexua­li­sier­ter Gewalt gemacht haben — und alle drei hat­ten es.

Und obwohl Frau­en im Sta­di­on nicht sel­ten sind, wer­den sie nicht ernst genom­men, füh­len sich, als müss­ten sie sich für ihr Inter­es­se für Fuß­ball recht­fer­ti­gen und müs­sen auch noch fürch­ten, als „Zicke“ oder „Eman­ze“ abge­stem­pelt zu wer­den, wenn sie etwas dage­gen unter­neh­men.

Gina: Angst [etwas zu sagen] habe ich nicht, weil ich mitt­ler­wei­le das nöti­ge Selbst­be­wusst­sein habe, mir ein­fach nichts in die­se Rich­tung gefal­len zu las­sen und dabei auch mei­nen Mund auf­ma­che. Es ist aber natür­lich immer leicht, eine Frau als Zicke oder ähn­li­ches abzu­stem­peln, wenn man nie selbst so eine Situa­ti­on erlebt hat und es auf­grund sei­nes Geschlechts auch ver­mut­lich nie­mals wird. Und kein Mensch hat das Recht, eine nega­ti­ve Emo­ti­on, die die betrof­fe­ne Per­son in dem Moment dann auf jeden Fall fühlt, abzu­tun, einem zu sagen wie man statt­des­sen zu füh­len hat oder es in irgend einer Form be- oder abzu­wer­ten.

Sarah sagt dazu:

„Sexis­ti­sche Kom­men­ta­re sind so gang und gäbe im Sta­di­on, dass ich sie oft­mals nicht mal mehr bemer­ke. Das reicht von “Hey, bist du nur wegen dei­nem Freund da” über “du schaust Fuß­ball wegen den schö­nen Män­nern”, “gehst du ins Sta­di­on, um Män­ner zu beein­dru­cken” bis zum blo­ßen Erstau­nen, dass ein weib­li­ches Wesen frei­wil­lig das Sta­di­on betritt. Bei Letz­te­ren ver­su­che ich ab und zu noch, ihnen zu erklä­ren, dass es in der heu­ti­gen Zeit ganz nor­mal ist, dass eine Frau ganz frei­wil­lig und sel­ber Fuß­ball schaut. Bei wirk­lich dum­men Kom­men­ta­ren oder “Wit­zen” habe ich aber schon auf­ge­ge­ben. Wenn dir nicht sofort eine schlag­fer­ti­ge Ant­wort ein­fällt, kannst du das bei sol­chen Typen ver­ges­sen. Die haben meis­tens noch ihre Freun­de dabei und fei­ern sich für sol­che Bemer­kun­gen total ab, wenn du da was sagst, wirst du nur als humor­lo­se Zicke dar­ge­stellt. Habe auch schon Ant­wor­ten wie “ach, has­te dei­ne Tage” oder “is gut, dass du im Sta­di­on bist, brauchst anschei­nend mal wie­der einen Mann, der dich ran­nimmt” bekom­men, als ich ver­sucht habe, mit sol­chen Idio­ten zu dis­ku­tie­ren.
Trau­rig ist, dass es bei sol­chen Typen oft nur hilft, wenn ein ande­rer Mann etwas ent­geg­net. Wenn mein Freund bei­spiels­wei­se dann etwas gesagt hat, hat das immer mehr gebracht und es wur­de sich für den “dum­men Witz” ent­schul­digt, es wur­de zur Ent­schul­di­gung Bier aus­ge­ge­ben etc. Ich den­ke, dass Män­ner mit so einer Denk­wei­se sich die Ant­wor­ten über­haupt nur zu Her­zen neh­men, wenn ein ande­rer Mann etwas sagt — so trau­rig und sexis­tisch das auch ist.“

Ute:

“Ich gehe jetzt seit 13 Jah­ren ins Sta­di­on und habe das gro­ße Glück, dass sich sexis­ti­sche Kom­men­ta­re von Ange­sicht zu Ange­sicht in Gren­zen hal­ten. Das mag dar­an lie­gen, dass ich ver­mut­lich nicht das typi­sche „Beu­te­sche­ma“ des nor­ma­len Durch­schnitts­pro­le­ten erfüllt habe. Mit Snea­k­ern, Jeans, Hoo­die und Bauch­täsch­le klei­de ich mich wie der größ­te Teil der (männ­li­chen) Fuß­ball­fan­ge­mein­de, das erspart mir ver­mut­lich fie­se Kom­men­ta­re, man habe sich wohl ver­lau­fen oder ähn­li­ches. Bekommt man so etwas zu hören, soll­te man auf alle Fäl­le ent­geg­nen, dass man sich so etwas nicht gefal­len lässt. Aber wie? Die Spra­che, die sol­che Per­so­nen noch am ehes­ten ver­ste­hen, geht in die Rich­tung „Halt die Fres­se“. Ich den­ke schon, dass sich vie­le Frau­en dann so füh­len, als wür­den sie kei­nen Spaß ver­ste­hen und damit erst recht nicht der mit­un­ter rau­en Welt des Sta­di­ons gewach­sen sein.”

Vie­le Frau­en füh­len sich in männ­li­cher Beglei­tung siche­rer und gehen häu­fig mit ein oder sogar zwei Män­nern ins Sta­di­on. Auf die Fra­ge, ob sie schon ein­mal dar­über nach­ge­dacht habe, einen Selbst­ver­tei­di­gungs­kurs zu machen oder Pfef­fer­spray ins Sta­di­on mit­neh­men zu wol­len, sagt zum Bei­spiel Gina:

„Ehr­lich gesagt nein, ich muss ehr­lich sagen, dass die Angst gar nicht so all­ge­gen­wär­tig ist in die­sen Momen­ten. Im Sta­di­on bin ich meis­tens in männ­li­cher Beglei­tung, also auf dem Weg und im Block selbst habe ich Men­schen um mich, die mir Sicher­heit geben. […] Pfef­fer­spray wäre daher mei­ner Mei­nung nach nicht nötig, aber ich weiß, dass es Mädels gibt, die dar­über even­tu­ell anders den­ken und wenn es ihnen das Sicher­heits­ge­fühl gibt — natür­lich soll­te es dann (zumin­dest für Frau­en) erlaubt wer­den.“

„Aber das ist eigent­lich schon ein Punkt, zu dem es erst gar nicht kom­men soll­te. Wenn sich die Män­ner, die so etwas tun, nicht so ver­hal­ten wür­den, wäre es über­flüs­sig.“

Die zahl­rei­chen Bei­spie­le, die in die­sen Tagen auch auf Twit­ter kur­sie­ren, zei­gen, dass eini­ge Män­ner lei­der genau so etwas tun.

Auch Sarah wehrt sich dage­gen, die Sexis­ten “gewin­nen” zu las­sen. Auf die Fra­ge nach einem Selbst­ver­tei­di­gungs­kurs und vor­beu­gen­den Maß­nah­men zum Eigen­schutz wie Pfef­fer­spray sagt sie:

„Bis­her habe ich so etwas noch nicht gemacht, und habe es eigent­lich auch nicht vor. Ich weh­re mich noch dage­gen, dass jeder Sta­di­on­be­such etwas ist, wovor ich Angst haben muss und mich ent­spre­chend ver­tei­di­gen kön­nen muss. Ich glau­be, dann könn­te ich den Sta­di­on­be­such weni­ger genie­ßen. Das ist aber nur mei­ne per­sön­li­che Denk­wei­se — ich kann mir gut vor­stel­len, dass es ande­ren Frau­en hel­fen könn­te, die viel­leicht unsi­che­rer sind als ich.


Wirk­li­che Angst hat­te ich im Sta­di­on bis­her noch nicht, da ich mir ein­bil­de, dass genug Men­schen ein­schrei­ten wür­den, soll­te etwas pas­sie­ren und ich mich bemerk­bar machen. Auf dem Heim­weg, vor allem in der Bahn oder allein auf der Heim­fahrt kam das aber schon vor. Frü­her, als ich noch allein zu den Spie­len gefah­ren bin, hat­te ich mir daher ange­wöhnt, in der Bahn immer Leu­te anzu­spre­chen, um nicht allei­ne zu sein. Das hat ganz okay funk­to­niert.
Pfef­fer­spray wie auch jeg­li­che ande­re Form der Gewalt kann ich für mich per­sön­lich nicht befür­wor­ten. Ich den­ke, damit wür­de man in sol­chen Situa­tio­nen nur eine Eska­la­ti­on pro­vo­zie­ren.“

Ute fin­det das Sta­di­on rela­tiv sicher und die Gefahr, in die sie sich als Fuß­ball­fan und Aus­wärts­fah­re­rin begibt, hat weni­ger mit ihrem Geschlecht zu tun als mit kri­ti­schen Situa­tio­nen im All­ge­mei­nen, wenn man “zur fal­schen Zeit am fal­schen Ort” sei, ins­be­son­de­re bezo­gen auf die Poli­zei. Dar­auf bezieht sie auch ihre Ableh­nung zu Pfef­fer­spray.

Es gibt auch noch ein ande­res Phä­no­men, das Sophie Paß­mann unge­fähr so beschrie­ben hat: Wenn man als Frau nicht den von den Beläs­ti­gern aus­ge­mach­ten Schön­heits­idea­len ent­spricht, wird man auch nicht beläs­tigt. Eine sehr gemei­ne, sub­ti­le Her­an­ge­hens­wei­se, die auch sexis­tisch ist: Man muss sich den Sexis­mus erst ein­mal „ver­die­nen”,

Wich­tig: Die Frau­en, mit denen ich gere­det habe, sind kei­ne Opfer! Sie weh­ren sich, sie spre­chen über ihre Erleb­nis­se und sie wei­gern sich, Angst zu haben. Das ist nicht selbst­ver­ständ­lich und mutig. Des­halb ver­wen­det man gemein­hin auch den Begriff “Betrof­fe­ne” und “grenz­über­schrei­ten­de Per­so­nen”.


TEIL 2: Sexismus ist im Fußballstadion alltäglich

Die Düs­sel­dor­fe­rin Sue Rudolph, die für die Aus­stel­lung Fan.tastic Fema­les weib­li­che Fuß­ball­fans inter­viewt hat, hat in einem Inter­view mit dem Deutsch­land­funk gesagt:

„Es gibt kei­ne Frau, die kein nega­ti­ves Erleb­nis erzäh­len kann“.

Wir müs­sen uns bewusst wer­den, dass Frau­en, die im Sta­di­on noch kei­nem Sexis­mus oder sexua­li­sier­ter Gewalt aus­ge­setzt wur­den, eher die Aus­nah­me als die Regel sind, ins­be­son­de­re, wenn sie nicht nur gemein­sam mit ihrem Freund ins Sta­di­on gehen, son­dern in einer weib­li­chen Grup­pe oder gar allei­ne unter­wegs sind. Die Frau­en, die noch kei­nen (!) Sexis­mus erlebt haben, bil­den die Aus­nah­me, nicht die Frau­en, die dum­me Sprü­che hören, sexu­el­le Ange­bo­te bekom­men und ange­grab­scht wer­den – das ist die Regel.

Ute: “Sexis­mus im Fuß­ball ist ein wich­ti­ges und gro­ßes The­ma, des­sen Dun­kel­zif­fer sehr viel höher liegt, als wir momen­tan alle grei­fen kön­nen. Die meis­ten Frau­en trau­en sich nicht, dar­über zu spre­chen, es ist schließ­lich unan­ge­nehm, sich jeman­den anzu­ver­trau­en, wenn man unsitt­lich und gegen sei­nen Wil­len berührt wur­de, oder was man sich für Schwein­kram anhö­ren muss­te. Eini­ge Frau­en gehen damit sehr tough um, ande­re wie­der­um weni­ger.”

Ins­be­son­de­re im Sta­di­on trau­en sich vie­le Frau­en wohl nicht, dar­über zu spre­chen, weil sie dann als „Zicke“ dar­ge­stellt wer­den könn­ten, oder weil es ein­fach schon so „nor­mal“ gewor­den sei, meint Sarah.

Wer sind eigentlich die Täter?

Es stellt sich aber doch die Fra­ge nach den Tätern: Sind das wirk­lich nur besof­fe­ne Prolls, die nicht mehr an sich hal­ten kön­nen, weil sie schon so einen über den Durst getrun­ken haben? Und wie oft pas­siert es eigent­lich, und hilft es, denen etwas zu ent­geg­nen? Gina sagt dazu:

„Sol­che Aus­sa­gen kom­men aus allen Schich­ten, da lässt sich kein “Typ” pau­schal fest­le­gen. Je nach­dem bringt es auch mehr oder weni­ger da etwas dage­gen zu sagen. Tun soll­te man es jedoch immer. Man muss sich sowas auf gar kei­nen Fall gefal­len las­sen. Es wird immer wel­che geben, bei denen das auf tau­be Ohren stößt, aber oft gibt‘s auch (sor­ry für die Wort­wahl) ein­fach hoh­le Frit­ten, deren Welt­bild so schlecht ent­wi­ckelt ist, dass sie sich ihrem Bull­shit, den sie von sich geben, gar nicht bewusst sind.“

Wenn “sich wehren” zum Bumerang wird

In vie­len Arti­keln, in denen betrof­fe­ne Frau­en und Akti­vis­tin­nen zu Wort kom­men, wird auch häu­fig von einer Opfer-Täter-Umkehr (im über­tra­ge­nen Sin­ne) gespro­chen. So wird Frau­en, die von Sexis­mus betrof­fen sind und das offen­siv anspre­chen, oft vor­ge­wor­fen, eine „Zicke“ oder „Eman­ze“ zu sein, die kei­nen Spaß ver­ste­he. Und selbst wenn sie ein­fach nur ins Sta­di­on gehen, um Fuß­ball zu sehen, ohne dass sonst etwas vor­fällt, wird Frau­en vor­ge­wor­fen, sie sei­en doch nur wegen den gut­aus­se­hen­den Fuß­bal­lern da. So kommt es, dass „frau“ sich fühlt, als müs­se sie sich für einen nor­ma­len Sta­di­on­be­such ent­schul­di­gen. Gina sagt dazu:

„Ja, recht­fer­ti­gen muss­te ich mich schon ein paar Mal. Egal ob es von Typen war, die eben die Mei­nung ver­tre­ten, dass Frau­en nichts im Sta­di­on zu suchen haben oder auch vor Män­nern die man frü­her so ken­nen­ge­lernt hat, die teil­wei­se auch nichts mit Fuß­ball zu tun hat­ten und es daher nicht ver­stan­den haben.“

Ute: “Wenn jemand zum Spiel einen  Kum­pel mit­bringt, dann gehört der ein­fach dazu, solan­ge der sich nicht völ­lig dane­ben benimmt. Kei­ner hin­ter­fragt, war­um er da ist oder woher er kommt. Taucht aber eine Frau auf, sieht die Sache lei­der öfter mal anders aus und wir sind wie­der beim The­ma “Sta­di­on­be­such recht­fer­ti­gen”.

Auch Sarah fühlt sich, als wür­den sie man­che aus­gren­zen wol­len:

„Ja, für mich stimmt die­se Aus­sa­ge […]. Was ich am Sta­di­on­be­such so lie­be, ist das Zusam­men­ge­hö­rig­keits­ge­fühl. Egal wer du bist oder wo du her­kommst, in die­sen 90 + x Minu­ten brennt man für die­sel­be Sache. Es ist scha­de, dass es immer ein paar Idio­ten gibt, die einem als Frau dann das Gefühl geben müs­sen, nicht so wirk­lich dazu­zu­ge­hö­ren.“

Frauen sind keine “seltenen Einhörner” im Stadion, sind aber in der Kurve und in Gremien kaum sichtbar

Eine Zahl soll­te vie­len zu den­ken geben: Ein Drit­tel der Stadionbesucher/innen ist weib­lich. Es ist nicht so, als wären Frau­en im Sta­di­on eine Aus­nah­me­erschei­nung, aber durch die Hal­tung eini­ger Män­ner, die Frau­en sei­en nur wegen dem Anblick der Fuß­bal­ler oder alter­na­tiv dank ihres Freun­des da, lässt sich die Zahl ganz ein­fach klein­re­den.

Gina: „Wow, die Zahl hät­te ich nicht unbe­dingt erwar­tet. Aber das liegt viel­leicht dar­an, dass ich im Sta­di­on bin, um das Spiel zu sehen und nicht, um ande­ren Leu­te zu beob­ach­ten. Wie wir [Frau­en] wahr­ge­nom­men wer­den, ist mir ehr­lich gesagt egal. Ich bin wie gesagt da, um die Mann­schaft zu unter­stüt­zen und hof­fent­lich einen Sieg zu sehen. Und ich den­ke, so geht es den meis­ten Mädels auch. Das soll­ten sich die Her­ren, die uns als Son­der­lin­ge wahr­neh­men, ein­fach mer­ken. Wir wol­len zumeist nie­man­den damit beein­dru­cken; um die “gut­aus­se­hen­den Boys” auf dem Platz geht es auch nicht unbe­dingt (viel­leicht bei man­chen an zwei­ter Stel­le). Natür­lich kam auch mal ein dum­mer Spruch, aber sowas ist so pein­lich, dem schen­ke ich kei­ne Auf­merk­sam­keit.“

Pro­ble­ma­tisch für die Prä­senz der Frau­en im Sta­di­on ist sicher­lich, dass teil­wei­se und — wie man an den Spie­len gegen Hei­den­heim und St. Pau­li gese­hen hat – manch­mal haupt­säch­lich, die Ultras noch pro­ble­ma­ti­scher sind. In Bezug auf Kri­tik am DFB, Demo­kra­ti­sie­rung der Sta­di­en und Ein­satz „für die gute Sache“, sind auch die Stutt­gar­ter Ultras mit Spen­den für ört­li­che sozia­le Ein­rich­tun­gen, Spruch­bän­dern gegen Poli­zei­ge­set­ze und vie­lem mehr sind die Ultras sicher ein Vor­bild, aber in Bezug auf Sexis­mus kam von den VfB-Ultras in den letz­ten Jah­ren wenig oder wie jetzt nega­ti­ves.

Frau­en sind in Ultra-Grup­pen gene­rell immer noch stark unter­re­prä­sen­tiert. Und wenn, dann über­neh­men sie eher Auf­ga­ben im Hin­ter­grund, wie der Orga­ni­sa­ti­on von Aus­währts­fahr­ten oder ähn­li­ches. Auf dem Zaun oder als Vor­sän­ge­rin­nen sind sie hin­ge­gen kaum zu fin­den, auch wenn sich laut Ute das ein wenig geän­dert habe:

Fuß­ball ist nach wie vor in ers­ter Linie ein Män­ner­ding – aber Frau­en gehö­ren mitt­ler­wei­le zum gelern­ten Bild dazu. Nicht zuletzt durch die Frau­en, die auch in unse­rer akti­ven Fan­sze­ne in den ers­ten Rei­hen ste­hen. Ich per­sön­lich den­ke, dass sich hier in den letz­ten 15 Jah­ren eini­ges getan hat. Mit der WM 2006 wur­den die Sta­di­en bun­ter und weib­li­cher. Mich selbst neh­me ich dabei nicht raus, ohne die WM 2006 und die vie­len Emo­tio­nen, die ich so nie vor­her gekannt hat­te, wäre ich nie zum Fuß­ball, geschwei­ge denn zum VfB gekom­men. Ich den­ke, vie­le Män­ner fühl­ten sich damals von die­ser Ent­wick­lung bedroht und reagier­ten mit Unver­ständ­nis. Und auch wenn Frau­en mitt­ler­wei­le oft zu sehen sind, vie­le hal­ten dar­an fest, dass wir dort nichts ver­lo­ren haben und hin­ter den Herd gehö­ren. Viel häu­fi­ger als dem tat­säch­li­chen geleb­ten Sexis­mus im Sta­di­on bin ich dem anony­men Sexis­mus im Netz aus­ge­setzt: hin­ter der Anony­mi­tät des Inter­nets ist ein „Weißt du über­haupt, was Abseits ist?“ schnell geschrie­ben. Nicht zuletzt durch die sozia­len Medi­en, auch durch mei­ne Her­kunft aus den neu­en Bun­des­län­dern muss­te ich mein Dasein als VfB-Fan oft recht­fer­ti­gen – und das sehr viel öfter und hef­ti­ger, als ich es mit sexis­ti­schen Kom­men­ta­ren je zu tun hat­te.

Auf der ande­ren Sei­te der Ultras, bei den Ver­ant­wort­li­chen in den Ver­ei­nen, beim Ver­band und in der Liga sind laut einer Stu­die des Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­netz­werks Fare, Foot­ball Against Racism in Euro­pe, „nur 3,7 Pro­zent der Füh­rungs­po­si­tio­nen im euro­päi­schen Fuß­ball von Frau­en besetzt. Von den 17 Mit­glie­dern des DFB-Prä­si­di­ums ist eines weib­lich. Im Prä­si­di­um der Deut­schen Fuß­ball-Liga fin­det sich kei­ne Frau. Das glei­che gilt für die meis­ten Vor­stän­de, Auf­sichts­rä­te, Kura­to­ri­en.“ (Deutsch­land­funk)

Gege­ben ist also eine toxi­sche Situa­ti­on: ein ver­meint­lich män­ner­do­mi­nier­tes Sta­di­on, wo tes­to­ste­ron­ge­la­de­ne Idio­ten ihre sich selbst zuge­schrie­be­ne Vor­machts­stel­lung aus­nut­zen, um weib­li­che Fans anzu­ma­chen, wäh­rend weder in den Kur­ven – bis auf ein paar Aus­nah­men – noch in den euro­päi­schen Ver­bän­den jemand dar­an Inter­es­se hat, etwas an der Situa­ti­on zu ändern.

Ver­ständ­lich, dass sich Frau­en dann unter Druck gesetzt füh­len, sich „männ­lich“ zu ver­hal­ten:

„Allei­ne, dass ich, glau­be ich, kei­ne Röcke oder kei­ne Klei­der anzie­he, in der Fan­kur­ve oder beim Spiel­tag. Und vom Ver­hal­ten her sehe ich tat­säch­lich auch, dass, wenn ich im Fuß­ball­kon­text bin, anders rede, als wenn ich mich mit mei­nen bes­ten Freun­din­nen tref­fe. Also allein, was die The­men angeht. Biss­chen pöbeli­ger, biss­chen lau­ter. Und direkt gemerkt habe, wie kör­per­lich ange­spannt ich war und wie laut ich gewor­den bin. Und wie ich auch ein biss­chen, sozu­sa­gen, prol­li­ger wer­de in dem Bereich und mich da sozu­sa­gen anpas­se.“ (Deutsch­land­funk)

TEIL 3: Forderungen und Lösungsmöglichkeiten – für Fans und Verantwortliche

Das „Netz­werk gegen Sexis­mus und sexua­li­sier­te Gewalt“ hat gemein­sam mit dem DFB und wei­te­ren Ver­tre­tern einen Leit­fa­den aus­ge­ar­bei­tet, der zum Bei­spiel auch bei der Fach­ta­gung Anti­dis­kri­mi­nie­rung und Viel­falt am 11.2.2020 ver­teilt wur­de. Das The­ma ist dem DFB also durch­aus bekannt. Hier sind neben der Begriffs­de­fi­ni­ti­on und Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men auch Hil­fe­stel­lun­gen für die Ver­ei­ne auf­ge­lis­tet, die das Pro­blem ange­hen wol­len.

Das ent­wi­ckel­te Hand­lungs­kon­zept for­dert fol­gen­des von den Ver­ei­nen, den han­deln­den Per­so­nen, der Poli­zei und wei­te­ren Akteu­ren:

  • Aner­ken­nung von Sexis­mus als ein Pro­blem durch alle Akteu­re
    • Ver­an­ke­rung ein­deu­ti­ger Posi­tio­nen z.B. in den Sat­zun­gen der Ver­ei­ne
    • The­ma­ti­sie­rung durch öffent­lich­keits­wirk­sa­me Kam­pa­gnen, Nut­zung öffent­lich zugäng­li­cher Hand­bü­cher, Info­ma­te­ria­li­en etc.
    • Sen­si­bi­li­sie­rung der Akteu­re
    • Nut­zung gut besuch­ter Orte für Pla­kat­ak­tio­nen etc.
  • Sen­si­bi­li­sie­rung poten­ti­ell Betrof­fe­ner und Beobachter*innen
    • Gefüh­le und Erfah­run­gen müs­sen ernst genom­men wer­den
    • Nicht die Betrof­fe­nen sind das Pro­blem, son­dern die grenz­über­schrei­ten­den Per­so­nen
  • Aus­ar­bei­tung eines loka­len Hand­lungs­kon­zepts
    • Ein­be­zie­hung aller Akteu­re eines Spiel­tags, von der Bun­des­po­li­zei am Bahn­hof über die Ord­ner und Imbissbudenmitarbeiter*innen
  • Auf­bau eines Beschwer­de­ma­nage­ments
    • Alle Zuschauer*innen und Akteu­re wis­sen, an wen sie sich wen­den kön­nen
    • Gleich­ge­schlecht­li­che Ansprech­part­ner
    • Ansprech­per­son beim Ver­ein selbst
    • sicht­ba­re Ansprech­per­so­nen wäh­rend des Spiel­tags

Posi­tiv-Bei­spie­le sind Darm­stadt (LILY), Düs­sel­dorf (Lui­sa ist hier!) und Bie­le­feld, die jeweils eige­ne Aktio­nen, aber immer akti­ve Ansprech­per­so­nen haben.

Die Frau­en, mit denen ich gespro­chen habe, wis­sen meist nicht genau, wie man Sexis­mus per­fekt in Luft auf­lö­sen könn­te. Das ist aber auch nicht ihre Auf­ga­be. Für ein ange­neh­mes Sta­di­on­er­leb­nis zu sor­gen haben der VfB, die Ver­bän­de und allen vor­an die ande­ren Fans! Die Aus­sa­ge des Arti­kels ist nicht, dass es immer und über­all zu sexua­li­sier­ter Gewalt kommt und dass jeder männ­li­che Fan Frau­en dumm anla­bert. Son­dern viel­mehr die: Wir alle müs­sen dafür sor­gen, dass die vie­len Fäl­le von Sexis­mus Kon­se­quen­zen haben.

Das wich­tigs­te für alle Fans, das sagt auch die o.g. Leit­li­nie, die Sexis­mus oder sexua­li­sier­te Gewalt mit­be­kom­men, ist Anspre­chen. Sofort den Typen zur Rede stel­len. Das muss jeder tun. Anders wird es nicht bes­ser. Die Mög­lich­kei­ten von Ver­ein und Ver­band sind begrenzt, dar­auf kom­me ich gleich. Es kommt dar­auf an, dass in der Kur­ve, im Sta­di­on ein Umden­ken statt­fin­det: von stil­ler Tole­ranz hin zur akti­ven Gegen­wehr.

Dies schreibt auch der DFB in einer Risi­ko­ana­ly­se zur sexua­li­sier­ten Gewalt:

Die Grund­ein­stel­lung „So etwas kommt bei uns nicht vor“ ist risi­ko­er­hö­hend dafür, dass Über­grif­fe und Miss­brauch in Orga­ni­sa­tio­nen unbe­merkt statt­fin­den­kön­nen.

Ute:

“Der Riky vom Pod­cast VfB STR hat es in der Aus­ga­be 93 [unten ver­linkt] eigent­lich schon ganz gut for­mu­liert. Wenn es Anlauf­stel­len für Betrof­fe­ne Frau­en gibt, wäre schon viel gewon­nen. Das kann ent­we­der eine Art „Son­der­kom­man­do“ des Sicher­heits­diens­tes sein, oder in Form eines Code­worts (Stich­wort „Ist Lui­sa da?“) – Betrof­fe­ne soll­ten gleich wis­sen, wo sie hin­ge­hen kön­nen, wenn sie davon betrof­fen wor­den sind. Und ja, da ist auch die Zivil­cou­ra­ge eines jeden Ein­zel­nen gefragt.”

Gina schließt genau hier an:

„An Neben­ste­hen­de kann ich nur sagen, dass sie ver­dammt noch mal den Mund auf­ma­chen sol­len. Wie gesagt, wir brau­chen in den Situa­tio­nen meis­tens zu lan­ge, um zu schal­ten was pas­siert und wenn wir es begrei­fen, ist es meist zu spät. Ich bin mir bewusst, dass es auch schwer sein kann, das zu erken­nen in dem Moment und mache da nie­man­dem einen Vor­wurf, wenn man es nicht mit­be­kommt, vor allem, weil oft unüber­sicht­li­che Situa­tio­nen aus­ge­nutzt wer­den. Aber nicht jede Frau ist so abge­här­tet wie ich und oft auch ver­le­gen, den Mund auf­zu­ma­chen. Und da braucht es dann Men­schen um einen her­um, die die­se Momen­te ernst neh­men und nicht erst­mal abtun à la „ach, du über­treibst.“ — das hilft uns nicht. Wenn das Gefühl des Unbe­ha­gens in uns aus­bricht ist es nie­mals über­trie­ben.
Wir erwar­ten ja nicht, dass ihr denen die Nase brecht. Aber anspre­chen. Fra­gen was das gra­de war. Mit Kon­se­quen­zen dro­hen. Natür­lich lässt sich so etwas in der Theo­rie leicht sagen. Aber wir haben heut­zu­ta­ge alle kein Pro­blem damit im Netz den Mund auf­zu­ma­chen, wenn uns was nicht passt. Wie­so dann nicht im rea­len Leben?“

Auch Sarah baut auf die Unter­stüt­zung der Neben­ste­hen­den:

„Im Sta­di­on kann ich nur jedem Mann raten, genau­er ein Auge für sol­che Situa­tio­nen zu ent­wi­ckeln. Als Frau kannst du oft nicht schnell genug reagie­ren. Und auch Situa­tio­nen, die du als Mann viel­leicht als harm­los betrach­test, kön­nen eine Frau ernst­haft ver­let­zen oder trau­ma­ti­sie­ren. Daher: lie­ber ein­mal zu viel ein­schrei­ten. Als Frau kann ich nur raten: wenn es irgend­wie geht, dann mach dich laut bemerk­bar. Aber das geht lei­der viel zu oft nicht. Sprich über sol­che Vor­fäl­le, auch hin­ter­her. Zeig ande­ren Frau­en, dass sie mit sol­chen Situa­tio­nen nicht allein sind und dass sie nicht emp­find­lich oder zickig sind, wenn es ihnen durch sexis­ti­sche Vor­fäl­le schlecht geht. Seid für­ein­an­der da, und passt auf­ein­an­der auf.

Da habe ich sogar noch ein posi­ti­ves Bei­spiel: Ich bin mal allei­ne mit dem Regio nach einem Spiel zurück nach Hau­se gefah­ren. In der Bahn hat mich ein Mann mas­siv sexu­ell beläs­tigt (zwi­schen die Bei­ne und an die Brust gefasst, mei­nen Arm und Ober­schen­kel gestrei­chelt, mei­nen Arm gepackt, gedroht, mir bis nach Hau­se zu fol­gen etc). Dar­auf­hin bin ich wei­nend in den beleb­te­ren Teil des Zuges gelau­fen, wo mir sofort meh­re­re Män­ner gehol­fen haben. Als der besag­te Mann mir dann tat­säch­lich gefolgt ist, haben die ihm mehr als deut­lich eine Ansa­ge gemacht und dafür gesorgt, dass er den Zug ver­lässt. Außer­dem sind sie extra eine Sta­ti­on wei­ter­ge­fah­ren, bis ich umstei­gen muss­te, haben mit mir am Bahn­hof gewar­tet und im Anschluss­zug Leu­te ange­spro­chen, dass sie mich bis zu mei­ner End­sta­ti­on beglei­ten. Dafür war ich sehr dank­bar, ich habe in dem Moment näm­lich nicht mehr klar den­ken kön­nen.“

Ute sagt dazu im Prin­zip das­sel­be: Dass ins­be­son­de­re die Umste­hen­den gefragt sind:

Ich will mich im Sta­di­on sicher füh­len, nicht nur vor Sexis­mus, son­dern in vie­ler­lei Hin­sicht. Sexis­mus, Ras­sis­mus, Het­ze, dar­auf habe ich kei­nen Bock. Ich bin da, um das Spiel zu sehen und mei­ne Mann­schaft zu unter­stüt­zen, da habe ich kei­ne Lust, genau beob­ach­ten zu müs­sen, wer um mich her­um steht und wer mir even­tu­ell etwas Böses will. Bei Heim­spie­len ste­he ich seit vie­len Jah­ren an genau der glei­chen Stel­le und füh­le mich wohl und sicher – weil ich weiß, dass wenn ich ein Pro­blem habe, vie­le Leu­te zur Hil­fe eilen wür­den. Bei Aus­wärts­spie­len habe ich mich meist so pos­tiert, dass ich Bekann­te in Sicht­wei­te hat­te, sofern ich nicht sogar direkt neben ihnen stand. Leu­te zu ken­nen, kann Gold wert sein. Die Zivil­cou­ra­ge ist im Stutt­gar­ter Umfeld schon ganz gut, könn­te im Moment von sexis­ti­schen Kom­men­ta­ren natür­lich noch grö­ßer sein.

Aber: Wir haben das Ziel erst erreicht, wenn sich Frau­en nicht mehr an “siche­ren” Punk­ten im Sta­di­on posi­tio­nie­ren, ob das jetzt bei weni­ger regel­mä­ßi­gen Besu­che­rin­nen die Heim­spie­le oder wie bei Ute die Aus­wärts­spie­le sind. Es kann doch nicht sein, dass frau sich nicht ein­fach irgend­wo in die Kur­ve stel­len kann, ohne nicht wenigs­tens Hin­ter­ge­dan­ken haben zu müs­sen.

Rein weib­li­che Fan­grup­pie­run­gen wie die aus Hei­den­heim – die in dem Ban­ner von der Süd­ban­de gemeint waren – sor­gen für mehr Akzep­tanz in der Kur­ve. Ange­passt für Stutt­gart, bei­spiels­wei­se als Aus­grün­dung aus dem Com­man­do Cannstatt, ist das Echo gemischt:

Gina: „Grund­sätz­lich wäre es schön, wenn Frau­en wie Män­ner gleich behan­delt wer­den wür­den, ohne Angst davor belä­chelt zu wer­den, wenn sie sich ein­brin­gen möch­ten. Das gilt natür­lich nicht nur inner­halb einer Grup­pie­rung. Aber um Mädels den Zugang zu erleich­tern, um Gleich­ge­sinn­te zu fin­den und ein Teil zum Bei­spiel des Com­man­dos zu wer­den, fän­de ich so ein Kon­zept wie in Hei­den­heim sicher wün­schens­wert. Die Damen dort sind eigen­stän­dig, aber doch auch Teil des Gan­zen, in Cho­re­os, Inter­es­sens­ver­tre­tun­gen und so wei­ter. Im End­ef­fekt geht es doch dar­um, die Mann­schaft zu unter­stüt­zen. Daher soll­te es doch eigent­lich egal sein, wel­ches Geschlecht man hat, woher man kommt oder mit wem man abends ins Bett geht.“

Ute zielt auf einen guten Punkt, den Gina hier anreißt: Die weib­li­che Grup­pe — soll­te es denn eine geben — soll­te sich nicht aus dem Grund bil­den, etwas gegen Sexis­mus zu tun:

Ich den­ke nicht, dass so etwas [eine weib­li­che Ultra-Grup­pe] unbe­dingt not­wen­dig ist. Wenn sich rei­ne Frau­en­grup­pen ent­wi­ckeln, dann soll­te das aus dem Impuls her­aus kom­men, als (weib­li­che) Grup­pe wahr­ge­nom­men zu wer­den und weil man sich in ers­ter Linie gut ver­steht und Spaß hat im Sta­di­on hat–und nicht, weil man glaubt, dass es effek­tiv gegen Sexis­mus etwas aus­rich­ten kann. Manch­mal kann damit sogar der gegen­tei­li­ge Effekt erreicht wer­den.

Was können denn Vereine konkret tun?

In Düs­sel­dorf gibt es bei­spiels­wei­se ein Spiel­tag­s­te­le­fon, das an den Spiel­ta­gen besetzt ist, wo man anru­fen und sich mel­den kann. Dann kann man ent­schei­den, ob man Anzei­ge erstat­ten will, ob man ein­fach nur reden will oder ob man einen Ort braucht, um run­ter­zu­kom­men. Wich­tig wäre auch beim VfB ein Rück­zugs­ort bezie­hungs­wei­se Schutz­raum für weib­li­che Fans, die das brau­chen, mit einer weib­li­chen Gesprächs­par­te­rin vor Ort.

Wenn der VfB – und ich sage ganz klar wenn, denn mir und auch den Fans, mit denen ich im Gespräch war, fiel kei­ne Akti­on des VfB gegen Sexis­mus im Sta­di­on ein, kein Hilfs­an­ge­bot etc. – so einen Raum oder ein Spiel­tag­s­te­le­fon ein­rich­tet, dann muss das, wie oben genannt, offen­siv bewor­ben wer­den, bei­spiels­wei­se mit Pla­ka­ten an rele­van­ten Punk­ten vor Bis­tros oder an und in der Damen­toi­let­te. Der VfB hat – und das wuss­ten wohl weni­ge – eine Frau­en­be­auf­trag­te, die nach dem Tweet von Sarah Kon­takt mit ihr auf­nahm:

„Auf mei­nen Tweet hat sich die VfB Fan­be­treu­ung und die Frau­en­be­auf­trag­te des Fan­aus­schus­ses bei mir gemel­det, um das The­ma im Fan­aus­schuss zu bespre­chen. Das fand ich schon mal ganz ganz groß! Mir war gar nicht bewusst, dass es so etwas wie eine Frau­en­be­auf­trag­te gibt. Ich den­ke, es müss­te deut­li­cher und öfter kom­mu­ni­ziert wer­den, dass es Ansprech­part­ner für betrof­fe­ne Frau­en gibt. Viel­leicht eine fes­te Anlauf­stel­le, bei der man Vor­fäl­le mel­den kann. Ich glau­be aber, dass auch der VfB da nicht die Welt ver­än­dern kann — Idio­ten hast du immer und die fin­den auch immer einen Weg, um das aus­zu­le­ben. Kla­re State­ments sind wich­tig, dass so etwas vom Ver­ein nicht gedul­det wird.“

Auch Ute, die in der Fan­sze­ne eigent­lich ganz gut ver­netzt ist, fal­len auf Anhieb kei­ne Aktio­nen des VfB ein, sieht aber ein Umden­ken:

Nicht, dass ich wüss­te. Aber soweit ich weiß, ist man an dem The­ma gera­de aktu­ell dran. Die Spruch­bän­der gegen Hei­den­heim und St. Pau­li haben den Ver­ein offen­bar nicht nur zu einem State­ment genö­tigt, son­dern auch tat­säch­lich wach­ge­rüt­telt. Ich bin mir sicher, hier pas­siert noch etwas in den nächs­ten Wochen.

Am wich­tigs­ten ist die Auf­merk­sam­keit. Je mehr Fans sich des Pro­blems bewusst sind und das über­haupt als Pro­blem erken­nen, des­to eher kann eine gegen­über den Tätern pro­ak­ti­ve Atmo­sphä­re her­ge­stellt wer­den. Der VfB ist hier­bei gefor­dert, mit Aktio­nen, mit State­ments wie neu­lich auf das The­ma auf­merk­sam zu machen und es auf der Agen­da zu hal­ten, damit es ins Bewusst­sein der Fans sickern kann, wo es momen­tan noch nicht ist.

Der Ver­ein muss hier pro­ak­tiv auf die Fans zuge­hen, meint auch Gina:

„Grund­sätz­lich wäre es schön, mehr Frau­en in sol­chen Posi­tio­nen oder Gre­mi­en etc. zu sehen. Dann wäre so ein The­ma viel­leicht schon frü­her auf­ge­kom­men. Aber zur Fra­ge: Ich bin der Mei­nung, dass man in die­sem Fall und auch beim The­ma Ras­sis­mus nicht alles von den Fans regeln las­sen kann. Da bedarf es auf jeden Fall mehr. Spe­zi­ell ist es den­ke ich wich­tig, dass man Spie­ler mit ins Boot nimmt. Die sind Vor­bil­der, oder heu­te: Influen­cer — der Grund war­um wir dort­hin gehen, mit denen sich klei­ne, gro­ße und Erwach­se­ne iden­ti­fi­zie­ren. Wenn ein Dani­el Dida­vi einem sagt, dass es dane­ben ist, Frau­en anzu­pa­cken oder jeman­den auf­grund sei­ner Haut­far­be zu dis­kri­mi­nie­ren, dann fruch­tet es viel­leicht. Man kann Jungs nie früh genug bei­brin­gen, dass es nicht ihr Recht ist, ande­re  ohne ihre Zustim­mung anzu­fas­sen oder ihnen Din­ge an den Kopf zu wer­fen, die in irgend einer Form das Geschlecht oder die Her­kunft her­ab­wür­di­gen. Auch Work­shops, Abtei­lun­gen o.ä. kön­nen dazu bei­tra­gen. Aber eigent­lich soll­te man nicht den Sport dazu benö­ti­gen, so ein Ver­hal­ten zu ändern. Wer so im Sta­di­on mit Frau­en umgeht, tut das sicher auch außer­halb.“

Es wür­de sicher auch hel­fen, bei run­den Tischen, bei OFC-Ver­an­stal­tun­gen (von den Fan­clubs selbst aus) das The­ma zu bespre­chen. Wenn man als OFC gemein­sam ins Sta­di­on geht und sich alle Mit­glie­der des Pro­blems bewusst sind, ist zum einen die Auf­merk­sam­keit viel höher und zum ande­ren der Schutz für Frau­en viel grö­ßer. Wenn dann doch etwas pas­siert, trau­en sich die Betrof­fe­nen wohl eher, den Übel­tä­ter auf sein Ver­ge­hen auf­merk­sam zu machen, wenn sich noch zehn Leu­te um sich her­um des Pro­blems bewusst sind und gleich han­deln.

Auch Ute meint, man muss das Pro­blem zum einen gemein­sam ange­hen und vor allem schon im Klei­nen begin­nen:

Das Pro­blem kann dau­er­haft nur gelöst wer­den, wenn bei­de Sei­ten aktiv dar­an mit­ar­bei­ten. Sexis­mus in der Kur­ve direkt die Stirn bie­ten, auch wenn es der bes­te Kum­pel ist, der einen ver­meint­lich wit­zi­gen Kom­men­tar zur Blon­di­ne in der Rei­he davor gemacht hat. Aber auch der Ver­ein ist gefragt. Eine Fan­ab­tei­lung könn­te ein Anfang sein. Der wich­tigs­te Schlüs­sel zur Ände­rung wird aber die Zivil­cou­ra­ge sein. Nur, wer den Mund auf­macht, wenn er etwas sieht oder hört, das nicht in Ord­nung ist, kann das Sta­di­on zu einem bes­se­ren Ort machen. Das gilt genau­so wie für ras­sis­ti­sche Aus­sa­gen.

Man kann Sexis­mus und sexua­li­sier­te Gewalt nicht vom einen auf den ande­ren Tag abschaf­fen, man muss das Pro­blem aber so schnell wie mög­lich ange­hen. Ande­re Ver­ei­ne wie Bre­men, St. Pau­li, Hei­den­heim und Düs­sel­dorf sind da schon viel wei­ter als wir – und auch dort gibt es regel­mä­ßig Vor­fäl­le. Wir sind nicht der schlimms­te Ver­ein, aber wir sind defi­ni­tiv kei­ne Vor­rei­ter.

Ute meint dazu:

“Im gro­ßen und gan­zen kön­nen wir Frau­en uns in Stutt­gart eigent­lich nicht bekla­gen. Ich bekom­me nicht über­mä­ßig viel Feind­lich­keit gegen­über Frau­en mit, und wie gesagt, die Dun­kel­zif­fer bei sexis­ti­schen Kom­men­ta­ren oder gar Hand­lun­gen ist ver­mut­lich rela­tiv hoch, so dass ich nicht für alle Frau­en spre­chen kann.”

Die meis­ten wün­schen sich ein­fach nur ein ganz nor­ma­les Sta­di­on­er­leb­nis ohne Vor­fäl­le. So, dass man sich ohne Hin­ter­ge­dan­ken über den Grot­ten­kick auf dem Rasen auf­re­gen kann oder eben eupho­ri­siert nach Hau­se geht.

Der VfB-Shop — mehr als nur ungenutztes Potential

Noch ein The­ma ist übri­gens die weib­li­che Fan­kol­lek­ti­on im VfB-Shop. Momen­tan sieht das alles sehr rosa und bling-bling aus, wenn man expli­zit nach Frau­en-Arti­keln sucht und abge­se­hen davon ist die Kol­lek­ti­on für Frau­en neben dem Damen­schnitt für die nor­ma­len Tri­kots noch sehr aus­bau­fä­hig.

Gina: „Ich kann hier nur über mei­nen per­sön­li­chen Geschmack spre­chen, aber ich habe mich bis­her immer schwer­ge­tan, Geld in “Frau­en­kol­lek­tio­nen” des VfB zu inves­tie­ren. Grund­sätz­lich soll­te jeder tra­gen was ihm gefällt, und sicher gibt es Damen, die sich die Klei­dungs­stü­cke und Fan­ar­ti­kel kau­fen. Aber auch hier darf sich der Ver­ein ger­ne an aktu­el­len Styl­es ori­en­tie­ren, wie sie es bei den Män­nern tun.  Es feh­len ein­fach all­tags­taug­li­che Designs, bei denen man sei­nen Ver­ein reprä­sen­tie­ren kann, ohne dass es zu sehr nach Sta­di­on aus­sieht. Wenn ich die letz­ten Jah­re etwas vom Ver­ein gekauft habe, dann meis­tens aus der Män­ner­ab­tei­lung. Ich habe gera­de mal in den Online­shop geschaut und man sieht, dass es ein, zwei Tei­le gibt, die schon eher in die Rich­tung gehen, was ich anzie­hen wür­de. Aber die Designs wir­ken immer rela­tiv lieb­los, wie “jetzt brau­chen wir halt noch was für die Frau­en”. Da geht defi­ni­tiv mehr. Wenn die Ver­ant­wort­li­chen vom Mer­chan­di­se kei­ne Ideen haben, dür­fen Sie sich ger­ne mel­den. Ich wüss­te da eini­ges…“

Na dann, VfB, gebt euch einen Ruck!

Auch Sarah ist gegen­über der „weib­li­chen Kol­lek­ti­on“ des VfB eher kri­tisch ein­ge­stellt:

„Ich per­sön­lich fin­de sie super häss­lich, da sie so gezwun­gen auf den weib­li­chen Ste­reo­ty­pen gemacht sind. Nicht jede Frau trägt ger­ne pink, Herz­chen und süße Schrift­zü­ge. Aber es gibt bestimmt auch genug Frau­en, die das schön fin­den und mit so etwas lie­ber im All­tag raus gehen als mit “nor­ma­len” Fanu­ten­si­li­en. Letzt­end­lich wird eine Ziel­grup­pe mehr ange­spro­chen, und das fin­de ich wich­tig. Ich kau­fe dann halt eben den Frau­en­schnitt von der “Stan­dard” Fan­klei­dung. Von daher, jeder wie er / sie es möch­te.“

Und auch Ute kann den auf weib­lich gemach­ten Fan-Uten­si­li­en wenig abge­win­nen, sieht den VfB aber auf einem guten Weg:

Rosa Fan­schals, String-Tan­gas und Auf­kle­ber für Fin­ger­nä­gel müs­sen nicht sein und ver­stär­ken nur das Bild, das die meis­ten Frau­en im Sta­di­on eben gera­de nicht zeich­nen wol­len. Ganz anders tat­säch­lich bei den Damen­schnit­ten für Ober­tei­le – hier gebe ich zu, hier könn­te­der VfB sogar noch mehr machen, aber der ein­ge­schla­ge­ne Weg ist hier grund­sätz­lich schon­mal rich­tig. Wenn dann noch die rosa Fan­schals aus dem Sor­ti­ment ver­schwin­den, fän­de ich es schon ganz gut.

TEIL 4: Noch ein persönlicher Kommentar

Ich muss noch etwas Per­sön­li­ches geste­hen: Ich habe mich, bis zu dem Twit­ter Thread (sie­he oben), nicht mit dem The­ma Sexis­mus auf den VfB und das Neckar­sta­di­on bezo­gen aus­ein­an­der­ge­setzt. Es war für mich ein The­ma, ich habe auch vie­le Arti­kel und eini­ge TV-Berich­te dazu gese­hen und mir war durch­aus bewusst, dass vie­le Frau­en dem aus­ge­setzt sind – aber nicht auf den VfB bezo­gen. Die Ban­ner von der Süd­ban­de haben mich getrof­fen. Sie haben mein sehr nai­ves, hei­les Welt­bild vom VfB ein­ge­ris­sen und die Erleb­nis­be­rich­te, die ich auf Twit­ter in den letz­ten Tagen gele­sen habe, haben sein Übri­ges getan. Ich war über­haupt nicht sen­si­bi­li­siert für das The­ma Sexis­mus im Neckar­sta­di­on, und ja, das war ziem­lich naiv – aber so war es. Ich habe nie sexis­ti­sche Sprü­che von mir gege­ben und war natür­lich auch noch kei­nen aus­ge­setzt und trotz­dem hät­te mir das viel kla­rer sein müs­sen.

War­um machen die Typen das über­haupt? Weil sie in ihrem Leben sonst kei­ne Freu(n)de haben und weil sie ein alt­ba­cke­nes Welt­bild haben, das man im Kreis von vie­len Män­nern end­lich mal aus­le­ben kann, ohne Kon­se­quen­zen von die­ser ach-so-moder­nen Gesell­schaft, wo Frau­en (was eine Schan­de) gleich­be­rech­tigt sind, befürch­ten zu müs­sen. Weil sie nichts auf die Rei­he kriegt und sich end­lich mal füh­len, als wäre “mann” stark. Im Prin­zip ist das aus mei­ner Sicht nur das Ein­ge­ständ­nis, dass man ein Schwäch­ling, ein Feig­ling und ein Ver­sa­ger ist. Man bekommt es im ech­ten Leben nicht hin, des­we­gen wünscht man sich eine Welt zurück, in der man ande­re unter­drü­cken kann.

In einer Doku vom Y‑Kollektiv (Teil von funk) muss man nur in die Kom­men­ta­re schau­en, um die halb­sei­de­nen Aus­re­den und Ablen­kungs­ver­su­che von dünn­häu­ti­gen Män­nern beob­ach­ten zu kön­nen: „Gibt es eigent­lich eine Doku über Sexis­mus bei der Bericht­erstat­tung von Sexis­mus? Halb­be­sof­fe­ne Idio­ten und ansons­ten nur Frau­en zu inter­view­en, hal­te ich für etwas ein­sei­tig“, schrei­ben „Stay­Me­an Enter­tain­ment“ und vie­le wei­te­re. Aber auch eine Frau schreibt „Idio­ten gibt es über­all, da muss man ein­fach drü­ber­ste­hen“. Gene­rell wird in den meis­ten Kom­men­ta­ren die Objek­ti­vi­tät die­ser Doku ange­zwei­felt, weil die Repor­te­rin haupt­säch­lich mit Frau­en spricht und mit Män­nern (die ver­meint­lich betrun­ken sind) nur vorm Sta­di­on.

Und auch die­ser Arti­kel hier könn­te des­we­gen ange­zwei­felt wer­den, ich neh­me argu­men­ta­tiv nicht die Posi­ti­on des männ­li­chen, neu­tra­len Zuschau­ers ein. Doch genau dar­um geht es doch: Den nicht unmit­tel­bar Betrof­fe­nen die Posi­ti­on der Betrof­fe­nen zu ver­mit­teln. Die Frau­en, die von Sexis­mus betrof­fen sind und die betrun­ke­nen Män­ner, die haupt­säch­lich dafür ver­ant­wort­lich sind, in einer Doku zu inter­view­en ist dem­zu­fol­ge genau­so rich­tig, wie in die­sem Arti­kel nicht auf Grup­pen ein­zu­ge­hen, die mit dem The­ma qua­si nichts zu tun haben (90% der Betrof­fe­nen sind Frau­en). Also ist es hof­fent­lich ver­ständ­lich, dass ich in die­sem Arti­kel nicht lang und breit dar­über geschrie­ben habe, wie vie­le Män­ner doch eigent­lich gar nichts sexis­ti­sches tun – um euch geht es hier nur am Ran­de, denn ihr sollt han­deln, wenn ihr etwas mit­be­kommt und hel­fen, Auf­merk­sam­keit auf das The­ma zu len­ken, aber abge­se­hen davon dürft ihr euch in den Kom­men­ta­ren ger­ne zurück­hal­ten.

Das Pro­blem beim Angrab­schen oder Tat­schen ist auch, dass es rela­tiv heim­lich pas­siert. Es ist kein Spruch, bei dem man sich umdre­hen kann und den Täter sieht, es pas­siert im Vor­bei­ge­hen und wie so vie­le Frau­en schrei­ben, es „pas­siert so schnell“. Daher die Bit­te an euch: Wenn ihr es mit­be­kommt, wenn ihr es seht, sprecht die Per­son an, zeigt ihr, dass das nicht geht. Holt euch die Bestä­ti­gung von Umste­hen­den und Freun­den, macht klar, dass das Ver­hal­ten nicht in Ord­nung ist. Ihr müsst, wie Gina es sinn­ge­mäß for­mu­liert hat, dem Typen nicht die Fres­se polie­ren. Anspre­chen ist aber das aller­min­des­te. Macht Ord­ner auf den Typen auf­merk­sam, wenn das geht, sorgt dafür, dass er es sich beim nächs­ten Mal zwei­mal über­legt. Man kann viel­leicht nicht die Mei­nung oder das Gedan­ken­gut ändern, man kann aber dafür sor­gen, dass die Per­son das nicht mehr nach außen trägt.

Um noch­mal zu den Pla­ka­ten zu kom­men:

Im Nach­gang der Vie­rer­ket­te zur Prä­si­den­ten­wahl habe ich mit eini­gen Fans zufäl­lig über das The­ma Ras­sis­mus im Block gespro­chen und auch wenn der VfB nicht so weit wie bei­spiels­wei­se Bre­men oder St. Pau­li ist, in Bezug auf poli­ti­sche Äuße­run­gen ist die Kur­ve in mei­nen Augen auf einem guten Weg. Die Nazis der 80er sind weit­ge­hend an den Rand gedrängt und haben kein Forum mehr für ras­sis­ti­sche Äuße­run­gen. Glei­ches muss die Kur­ve jetzt mit den Sexis­ten machen. Man muss nicht die gan­ze Süd­ban­de „ver­ban­nen“, aber das Com­man­do, der Schwa­ben­sturm und alle Fans in der Kur­ve soll­ten den Idio­ten sehr schnell und sehr deut­lich klar machen, dass das nicht die all­ge­mei­ne Hal­tung der Kur­ve ist.

Denn wenn das so wei­ter geht, fällt das nicht nur auf die gan­ze Kur­ve zurück, wie es das jetzt schon von vie­len außer­halb von Stutt­gart gese­hen wird, son­dern auf alle VfB-Fans. Ich wer­de mich nicht von einer dum­men Grup­pe von „Fans“ für deren sexis­ti­sches Gedan­ken­gut ver­ein­nah­men las­sen. Ich will nicht, dass, wenn ich in Zukunft nach Hei­den­heim oder St. Pau­li gehe, als Fan vom “sexis­ti­schen VfB” begrüßt wer­de.

Wenn ihr Idio­ten, das sage ich jetzt ganz offen so, euch nicht aus Respekt vor den Frau­en im Sta­di­on zurück­hal­ten könnt, wenn euch das nicht reicht, wenn es euch nicht ein­mal vor euren Frau­en, Schwes­tern und Kin­dern pein­lich ist (ja, das ist eins der dümms­ten Argu­men­te dafür, kein Sexist zu sein), dann seid es für den VfB und des­sen Außen­dar­stel­lung. Ich las­se mich von euch nicht ver­ein­nah­men. Ich stim­me euren Pla­ka­ten nicht zu und ich hof­fe, vie­le von euch Lesern auch nicht.


Noch zwei Emp­feh­lun­gen: Riky in der aktu­el­len VfBSTR-Fol­ge:

Und die aktu­el­le Fol­ge des FRÜF-Pod­casts beschäf­tigt sich auch mit dem The­ma, span­nen­der­wei­se auch mit der Bro­schü­re, deren Hand­lungs­emp­feh­lun­gen oben zusam­men­ge­fasst wur­den.

2 Gedanken zu „Der alltägliche Sexismus im (Neckar-)Stadion“

  1. Vie­len Dank für die­sen toll geschrie­be­nen und wich­ti­gen Arti­kel! Als weib­li­cher Fan ist mir zum Glück noch nichts wie hier beschrie­ben pas­siert, aller­dings gehe ich nur sel­ten ins Sta­di­on und wenn, dann ste­he ich nicht in der Kur­ve. Es muss auf jeden Fall ein Bewusst­sein für das Pro­blem geschaf­fen wer­den, damit Aus­füh­ren­de zu spü­ren bekom­men, dass sie sich mit ihrem Ver­hal­ten ins Abseits beför­dern und es eben kein “Kava­liers­de­likt” oder sogar die etwas hand­fes­te­re Art eines Kom­pli­ments ist. Und das fängt schon mit dem Reden an: Wenn bei Spie­len, die von Bibia­na Stein­haus gelei­tet wer­den, so häu­fig das F‑Wort fällt, wür­den ein paar “Halt die Fres­se” o. ä. auf jeden Fall ein Zei­chen set­zen. Bei ras­sis­ti­schen Sprü­chen pas­siert das ja zum Glück mitt­ler­wei­le häu­fi­ger, aber Frau­en kann man anschei­nend immer noch kri­tik- und kom­men­tar­los belei­di­gen.

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  2. Dan­ke für die­sen Ein­trag. Mir — und sicher vie­len ande­ren — geht es genau­so wie dir: Ich war mir nicht bewusst, wie ver­brei­tet Sexis­mus bei uns im Sta­di­on ist. Wir alle kön­nen dazu bei­tra­gen, dass mehr Bewusst­sein für das Pro­blem ent­steht und sich Frau­en künf­tig im Neckar­sta­di­on nicht nur siche­rer, son­dern hof­fent­lich rich­tig wohl füh­len. Denn am meis­ten Spaß macht es doch, wenn alle zusam­men fei­ern. Damit mei­ne ich nicht nur Frau­en und Män­ner, son­dern auch Men­schen mit Behin­de­rung, Kin­der und älte­re Men­schen. In der VfB-Fami­lie sind alle will­kom­men!

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