In Gladbach wollte der VfB eine erfolgreiche Hinrunde mit dem zwölften Saisonsieg krönen, blieb dabei aber in den Startlöchern stecken und kassiert stattdessen die fünfte Niederlage. Ein schlechtes Timing für einen schlechten Tag, aber auch ein Fingerzeig für die Rückrunde.
„Guck mal, da oben sind die 3 Punkte!“#VfB | #BMGVfB | @jungundwild | #Raimund x #Paula pic.twitter.com/9prBGzHB6s
— VfB Stuttgart (@VfB) January 14, 2024
Äh, nunja. Klar, es ist natürlich ein bisschen unfair, diesen Tweet nach dem Spiel rauszukramen, schließlich hat der VfB trotz der Niederlage am Niederrhein die nach gewonnenen Spielen erfolgreichste Hinrunde der eigenen Bundesliga-Geschichte abgeschlossen, nur zwei Mal — 1996/1997 und in der Meistersaison 1983/1984 — holten die Brustringträger aus 17 Spielen mehr Punkte, nämlich genau einen. Aber die vor Selbstvertrauen strotzende Nachricht auf der früher Kurznachrichtendienst genannten Plattform fasst die Herangehensweise des VfB an dieses Spiel leider ganz gut zusammen. Wie nach den sechs Siegen in Folge in der Hinrunde oder nach dem 5:0‑Auftaktsieg gegen Bochum landete die Mannschaft auf dem Hosenboden und verdarb seinen Fans nach einem gewonnenen Junioren-Turnier, einem dominanten Testspiel sowie langfristigen und signalgebenden Vertragsverlängerungen mit wichtigen Spielern ganz spät noch den Start ins Fußballjahr ein bisschen.
Den Gladbacher Mut belohnt
Die Borussia aus Mönchengladbach ist in dieser Saison eine ziemliche black box, etwas weniger mysteriös könnte man auch von einer Wundertüte sprechen: Sie haben nach Darmstadt die meisten Tore kassiert — auf Platz 3 folgt übrigens Bochum — haben aber mit Franck Honorat den besten Vorlagengeber der Liga, der auch prompt das 1:0 einleitete. Auf keinen Gegner konnte sich der VfB so lange vorbereiten und von keinem, außer den Bayern, ließ er sich in der ersten Spielminute so überraschen: Einen langen Ball in die Stuttgarter Hälfte hatte Chris Führich eigentlich schon erobert, verlor ihn dann aber im Dribbling und hatte dann das Pech, dass seine Hinterleute in Gedanken überall waren, nur nicht auf dem Rasen des Borussia-Parks. Die Gladbacher waren immer einen Schritt schneller, so dass Rocco Reitz den Ball zwischen Anton und Zagadou hindurch auf Robin Hack spielen konnte, der sich von seinem an diesem Tag leicht überforderten Gegenspieler Pascal Stenzel löste und nach gerade mal 21 Sekunden die Führung klarmachte. Etwas besseres konnte der Borussia in diesem Spiel gar nicht passieren, was man auch an der grenzenlosen Freude über die frühe Führung beim Torschützen sehen konnte. In einer Saison, in der der Abstiegskampf zwar eigentlich kein Thema, aber dennoch in Sichtweite ist, eine große Erleichterung.
Aber genug von der Borussia, die sich mit zunehmender Spieldauer immer weiter hinter die Mittellinie zurückzog. Der VfB hatte einen nicht übermäßig selbstbewussten, aber mutigen Gegner stark gemacht und fand in der Folge kaum ein Mittel, um diesen zu bezwingen. Natürlich hatte Deniz Undav noch vor dem Seitenwechsel zwei hochkarätige Chancen, er blieb aber mit seiner Torgefahr allein auf weiter Flur. Josha Vagnoman, diesmal statt Jamie Leweling auf der Halbposition aufgeboten, konnte sich ebenso wenig gefährlich in Szene setzen wie Chris Führich und auch im Mittelfeld gelang den Kreativspielern nur wenig Erfrischendes. Es macht aber wenig Sinn, sich in diesem Spiel auf einzelne Akteure zu kaprizieren, auch wenn manch einer meint, das wäre beispielsweise bei Pascal Stenzel naheliegend. Dem VfB fehlte in diesem Spiel die Reaktionsschnelligkeit, die Zweikampfhärte und die Kreativität, um eine Mannschaft zu besiegen, die sich zwar im Umbruch befindet, aber immer noch in der Lage ist, die Klasse vergangener Tage auf den Platz zu bringen, wenn man sie lässt — und die beiden Tore von Robin Hack waren nicht die einzigen guten Möglichkeiten vor der Pause.
Der unsichtbare Guirassy
Schon in München zeigte sich der VfB in kniffligen Duellen im Mittelfeld nicht durchsetzungsstark genug — es sind diese Szenen, in denen Wataru Endo dann doch mitunter fehlt. Dan Axel Zagadou gewann gerade mal zwei Drittel seiner Zweikämpfe und hatte damit noch den besten Wert seiner Mannschaftskollegen. Nicht nur das: Er lief auch mehr Kilometer als beispielsweise Chris Führich, dem die Gladbacher vor allem in der zweiten Halbzeit schlicht den Rasen zustellten. Abseits von diesen Statistiken war es aber neben der weiterhin absoluten Harmlosigkeit bei Standards (Undav gegen Augsburg mal ausgenommen) die offensive Spielanlage, die dazu führte, dass man anders als bei den ärgerlichen Niederlagen gegen Hoffenheim und Heidenheim nie den Eindruck hatte, der VfB sei in der Lage, dieses Spiel zu drehen. Denn die Brustringträger versuchten mit Guirassy zu spielen, obwohl der gar nicht auf dem Feld stand. Das offenbarte sich zum einen in der ersten Halbzeit in vielen langen Bällen gegen eine zunehmend tiefstehende Borussia und ohne einen Wandspieler der mit diesen etwas anfangen kann — wie eben unsere AFCON-Teilnehmer. In der zweiten Halbzeit versuchten Führich und Co. häufiger, sich am Gladbacher Strafraum durchzukombinieren, fanden aber in der Mitte keinen Zielspieler, weil Deniz Undav nicht immer dort stand, wo Guirassy normalerweise steht, sondern dort, wo er stünde, wenn Guirassy auf dem Platz wäre.
Wie schon während der letzten Abwesenheit unseres Topstürmers fällt es seinen Kollegen mitunter — nicht immer — schwer, sich spielerisch von seiner Präsenz zu lösen. Hier muss Sebastian Hoeneß dringend neue Ansätze finden, denn wie schon die Nachbarn aus Heidenheim waren auch die Gladbacher immun gegen die Lockversuche der VfB-Defensive, sie mussten ja mit einer 2:0‑Führung nach 20 Minuten auch erstmal nicht mehr viel machen, sondern überspielten stattdessen ihrerseits die unkonzentrierten Brustringträger ein ums andere Mal vor der Pause. Nach dem Wechsel war es dann geradezu absurd, wie massiert sie den eigenen Strafraum verteidigten, aber es war erfolgreich. Die Borussia der vergangenen Jahre hätte den Teufel getan, sich wie ein Gegner in einer unserer Zweitliga-Saisons derart zu verschanzen. Durch dieses Spiel wollten sie, vermutlich wie durch die Saison, einfach durchkommen und taten alles dafür.
Zu sich selbst finden
Nach all den Lobpreisungen der letzten dreieinhalb Wochen mit einer Niederlage, bei der man über weite Strecken ziemlich harmlos daherkommt, in das neue Jahr zu starten ist natürlich vom Feeling her eher uncool, zumal von hinten Dortmund und Frankfurt anschieben. Und fünf Niederlagen — ja ich weiß, das ist eine Klage auf hohem Niveau — hätten es dann doch nicht sein müssen, nachdem schon Hoffenheim und Heidenheim eher unnötig war. Aber es ist eben auch nur das: Die fünfte Niederlage im 17. Saisonspiel. Dass die Rückrunde kein Spaziergang wird, nur weil wir in der Hinrunde so gut waren, ist selbsterklärend. Gegen Bochum muss die Mannschaft wieder zu sich finden und mit der Situation besser umgehen. Zur Situation zählt natürlich auch, dass man derzeit keinen Silas und keinen Jeong von der Bank bringen kann, die vielleicht auch nicht immer das Spiel drehen, aber scheinbar mehr Einfluss haben können als die Ersatzbank in diesem Spiel, die ohne die Routiniers Bredlow und Haraguchi — gleichzeitig die beiden Spieler mit den geringsten Chancen auf eine Einwechslung — einen Altersschnitt von 20 Jahren hatte. Vielleicht hätten Raul Paula und Jovan Milosevic ein bisschen Unbekümmertheit in das festgefahrene Ballgeschiebe entlang der Gladbacher Mauer gebracht, wer weiß. Aber es ist so, wie es ist und ich sehe grade auch nicht, wo wir einen Leihspieler hernehmen sollen, der uns kurzfristig in den nächsten vier bis fünf Wochen bis zum Ende der Kontinentalturniere weiterhilft.
Nein, die Mannschaft muss wie nach Leipzig, nach Heidenheim und nach München wieder aufstehen, die Unzulänglichkeiten dieses Spiels aufarbeiten und gegen Bochum das tun, was sie schon gegen Freiburg, gegen Dortmund und gegen Augsburg getan hat: Eine Reaktion zeigen. Die Rückrunde geht ja auch erst kommenden Samstag los.
Titelbild: © Frederic Scheidemann/Getty Images
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