Im Ruhrstadion startet der VfB am Samstag in die Rückrunde. Über die aktuelle Lage beim VfL haben wir mit Journalist und Bochum-Experte Philipp Rentsch gesprochen.
Rund um den Brustring: Hallo Philipp und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Gegen Bremen kassierte der VfL spät den Ausgleich und verpasste damit einen großen Schritt raus aus dem Tabellenkeller. Warum reichte es nicht für drei Punkte?
Philipp: Der Zeitpunkt des Gegentreffers in der Nachspielzeit war natürlich maximal unglücklich. So hat der VfL nicht zum ersten Mal in dieser Saison einen Heimsieg hergeschenkt. Aus fußballerischer Sicht war es ein eher schwaches Bundesligaspiel, das keinen Sieger verdient gehabt hätte. Insofern war das Unentschieden leistungsgerecht. Was natürlich ärgerlich war aus Bochumer Sicht, ist die Tatsache, dass der VfL defensiv eigentlich fast nichts zugelassen hat, dann aber ein abgefälschter Schuss den Weg ins Tor fand. Umgekehrt gab es aber auch kaum gelungene Offensivaktionen vom VfL.
Die Bundesliga-Saison begann für Bochum bekanntlich mit der 0:5‑Klatsche in Stuttgart. Überrascht Dich der bisherige Saisonverlauf und wo siehst Du den VfL am Saisonende?
Der Start war katastrophal, da beziehe ich die Pokalniederlage in Bielefeld noch mit ein. Das zeichnete sich allerdings schon in der Vorbereitung ab. Die Mannschaft war noch nicht eingespielt, Trainer Thomas Letsch probierte noch herum. Die klare Niederlage in Stuttgart war insofern hilfreich, als dass die Probleme nicht überdeckt oder schöngeredet wurden. Der Spätsommer verlief insgesamt wellenartig, spätestens ab Oktober ging es dann aber bergauf, insbesondere bei der Defensivleistung. Offensiv ist weiterhin viel Luft nach oben. Die aktuelle Platzierung und auch die Punktezahl sind absolut in Ordnung, immer auch gemessen an den finanziellen Möglichkeiten des Klubs. Wenn der VfL bis zum Schluss auf dem 14. Platz bliebe, wären vermutlich alle zufrieden. Ich sehe Bochum am Saisonende in jedem Fall über dem Strich.
Blickt man auf die Zahlen, sticht vom allem unser ehemaliger Nachwuchsspieler Kevin Stöger hervor, der viele Pass-Statistiken anführt und auch die meisten Scorerpunkte im Team hat. Wie wichtig ist er für die Mannschaft?
Sehr wichtig. Er ist der Spielgestalter und damit der kreative Kopf der Mannschaft, obwohl er auf dem Feld gar nicht so offensiv positioniert ist. Stöger ist in meinen Augen der mutigste Spieler im Kader des VfL, manchmal auch zu mutig. Hin und wieder wäre der einfache Pass die bessere Wahl. Aber ohne ihn würde ein wichtiges Element fehlen. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, und wenn ich hier schon nach meiner Meinung gefragt werde, dann würde ich mir für das Bochumer Spiel unbedingt eine Vertragsverlängerung wünschen.
Zwei weitere ehemaliger VfB-Spieler werden wir am Samstag vermutlich nicht in der Startelf sehen: Takuma Asano bestreitet mit Japan den Asien-Cup, Philipp Förster hatte zuletzt nur wenig Spielzeit. Wie sehr fehlt Asano aktuell und wie ist die Lage bei Förster?
Takuma Asano hat im Saisonverlauf zwar viele Torchancen vergeben, trotzdem ist er aktuell der treffsicherste Bochumer. Insofern schmerzt sein Ausfall natürlich, das wurde auch gegen Bremen deutlich, weil ein adäquater Ersatz fehlt. Asano geht in die Tiefe, ist ein ständiger Unruheherd – wenn er dabei ist. Philipp Förster spielt in dieser Saison hingegen keine große Rolle, obwohl er bis zum vergangenen Sommer noch Stammspieler war. Er hatte dann aber mit Verletzungsproblemen zu kämpfen und kam nie so richtig rein in die Saison. Gegen Stuttgart wird er wohl höchstens als Joker zu sehen sein.
Neben Asano fehlt noch Cristian Gamboa mit einer Gelbsperre. In welcher Formation und mit welchen Alternativen erwartest Du die Aufstellung des VfL am Samstag und wie bewertest Du die Arbeit von Trainer Thomas Letsch in dieser Saison?
Für Cristian Gamboa erwarte ich Tim Oermann. Das ist eine spannende Personalie, weil Oermann noch sehr jung und eigentlich Innenverteidiger ist. Weil Felix Passlack, der ja im Hinspiel noch zur Startformation gehörte, kaum in Tritt kommt, hat ihn Oermann mittlerweile überholt. Oermann ist noch etwas unerfahren, aber mit großem Potenzial ausgestattet. Ich bin sehr gespannt, wie er diese etwas ungewohnte Rolle annehmen wird, sollte er tatsächlich spielen. Ansonsten erwarte ich keine Veränderung in der Startelf gegenüber dem Bremen-Spiel.
Thomas Letsch hat seinen Vertrag ja im November verlängert, und sich diese Verlängerung nach dem Klassenerhalt in der vergangenen Saison auch verdient. In dieser Saison konnte ich einige Entscheidungen nicht so ganz nachvollziehen, zeitweise war er auch ziemlich dünnhäutig bei kritischen Fragen, was ich gar nicht von ihm kannte. In meinen Augen hat er vor der Saison eine Systemumstellung inklusive Dreierkette forciert, die so nicht zur Mannschaft gepasst hat. Mittlerweile hat er die Formation etwas angepasst, was der Mannschaft entgegenkommt. Letsch wirkt zwar zeitweise etwas stur, ist aber auch sehr selbstkritisch, einseitig und anpassungsfähig. Aus meiner Sicht ist seine Mannschaftsführung die größte Stärke, die er mitbringt. Mit Thomas Letsch hat der VfL Bochum in jedem Fall einen passenden Trainer gefunden. Und wenn er in dieser Saison erneut den Klassenerhalt schaffen sollte, dann hätte er bislang alle Aufgaben bravourös erfüllt.
Kann und sollte Bochum im Januar auf dem Transfermarkt noch für Verstärkung im Abstiegskampf sorgen?
Da sich quasi täglich was tun kann, könnte es passieren, dass meine Antwort bei der Veröffentlichung schon überholt ist. Aber Stand heute, am Donnerstag, fehlen noch zwei Neuzugänge. Der Verein sucht noch einen dynamischen Angreifer, der innen wie außen spielen kann, sowie einen neuen Ersatztorhüter. Aus meiner Sicht sind das sinnvolle Transferziele. Auch die Rechtsverteidiger- und die Mittelstürmer-Position sind nicht optimal besetzt, aber im Winter lassen sich eben nicht alle Wünsche erfüllen.
Die drittmeisten Gegentore, die viertwenigsten Tore, dazu die meisten gelben Karten der Liga, was dazu führt, dass am Samstag gleich vier Spieler gelbgefährdet sind. Klingt nach klassischem Abstiegskampf. Wo siehst Du derzeit die Stärken und Schwächen der Mannschaft?
Die Defensive hat sich seit dem Hinspiel deutlich stabilisiert, was insbesondere an den oft sehr guten Leistungen von Bernardo und Keven Schlotterbeck liegt. Auch Manuel Riemann im Tor spielt eine starke Saison. Die Problemzone ist, wie bereits erwähnt, der Angriff. Der VfL hat, gemessen an den Torchancen, viel zu selten getroffen. Das erklärt dann auch die vielen Unentschieden, acht nach 17 Spielen.
Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?
Ich rechne mit der nächsten Punkteteilung und tippe auf ein 1:1.
Titelbild: © Christof Koepsel/Getty Images