Die Situation des VfB hat sich nach dem 2:4 in Leverkusen nicht verschlimmert, wie mitunter zu lesen war, sie ist immer noch genauso ungemütlich wie vorher.
Es ist halt alles so vorhersehbar: Wie gegen Leipzig spielte der VfB auch gegen Leverkusen gut mit, auch wenn “Mitspielen” in diesem Fall eine über weite Strecken konzentrierte Defensivleistung bedeutete. Und dann fällt einem Diaby ein Abpraller vor die Füße und das Ding ist drin. Dann kassierst Du quasi im Gegenzug zu den Toren, die Du endlich wieder schießt, direkt den nächsten Gegentreffer, weil Du die Standards nicht verteidigt kriegst Und dem Gegner zu viel Platz lässt, obwohl Du weißt, wie gefährlich das bei dieser Art Gegner ist. Da verkommen Lichtblicke wie die Tore und die Leistung von Neuzugang Tiago Tomás, die Stabilität vom Ata Karazor oder die offensiven Impulse eines Orel Mangala zu flackernden Laternen auf dem VfB-Schiff im Abstiegsstrudel.
Was also über das Spiel und die aktuelle Situation schreiben? Der VfB hatte de facto keine Chance und nutzte sie nicht, weil es in Summe zu viele Fehler im Spielaufbau und zu viel halbherzige Abwehrarbeit war. Und schon schleicht sich das Gefühl ein, dass es gegen Bochum wieder irgendeinen anderen Grund geben wird, warum es nicht zu drei Punkten reicht. Es gibt schließlich noch sechs Tage, an denen die medizinische Abteilung irgendwelche Hiobsbotschaften vermelden kann – keine Sorge, ich klopfe während ich das schreibe auf Holz. Die Situation ist also genauso mies wie vor dem Spiel, oder wie der Kollege Andreas es beim Vertikalpass schreibt: Der VfB sieht zwar gut aus – da waren schon ein paar sehenswerte Angriffe dabei – hat aber am Ende nichts davon.
Raus aus der Krisenstimmung!
Gerade weil es so erwartbar war – immerhin versagte die Konkurrenz auch größtenteils, stellte ich mir irgendwann am Samstagabend die Frage, was es denn bringt, sich von der Gesamtgemengelage und der Aussicht auf den dritten Abstieg in sechs Jahren immer wieder runterziehen zu lassen. Man mag es Zweckoptimismus nennen, aber warum sollte ich angesichts des Bochumer Sieges gegen die Bayern jetzt schon die Krise kriegen und die Punkte gedanklich schon mal per Post an die Castroper Straße schicken? Warum nicht gnadenlos optimistisch auf die nächste Chance blicken? Und dann fiel mir ein, was ich gesehen hatte, als ich am Vormittag meine Futbology-App öffnete.
Ich muss gestehen: Ich habe jede Erinnerung an diese Partie aus meinem Gedächtnis gestrichen. Wie auch immer: Der 12. Februar 2011 war auch ein Samstag und der VfB hatte die neuntplatzierten Clubberer zu Gast. Es war der 22. Spieltag jener Saison, als zuerst Christian Gross und dann Jens Keller ihren Hut nehmen mussten und nach einem 1:2 in Hannover Mitte Dezember schließlich Bruno Labbadia den VfB auf Platz 17 übernahm – bereits fünf Punkte vom rettenden Ufer entfernt.
Daran änderte sich auch nichts an diesem Samstag um 17.15 Uhr, als unter anderem ein gewisser Julian Schieber für den Club getroffen hatte, während beim VfB Patrick Funk sein einziges Bundesligator schoss und der 20jährige Daniel Didavi nach 72 Minuten für Tamas Hajnal ins Spiel kam. Der VfB war nach 22 Spielen 17. mit vier Punkten Rückstand auf Platz 15 und genauso sah es nach dem folgenden Wochenende und einer 2:4-Niederlage in Leverkusen (!) aus. Keine Sorge, ich will jetzt hier keine Küchentisch-Statistiken aufziehen, sondern deutlich machen, dass Optimismus wider besseren Wissens in der aktuellen Situation nichts völlig Absurdes ist. Denn das Ende vom Lied ist bekannt: Der VfB hielt die Klasse und Labbadia durfte bis 2013 VfB-Trainer bleiben.
Gelingt ein Kraftakt?
Natürlich war der Klassenerhalt 2011 ein Kraftakt sondergleichen: Die Brustringträger verloren von den folgenden elf Spielen nur noch zwei – zu Hause gegen Kaiserslautern, als uns der Gästeblock mit weißen Taschentüchern schon in die zweite Liga verabschieden wollte, und in München – und gewann erst drei Spiele am Stück und dann noch mal vier. Allerdings nicht gegen Spitzenteams, sondern gegen Gegner aus dem Tabellenmittelfeld und die direkte Konkurrenz. Am Ende waren für den Klassenerhalt 38 Punkte nötig, der VfB holte 41.
Lässt sich der VfB 2022 also mit dem von vor elf Jahren vergleichen, der bis Weihnachten sogar noch auf drei und bis Mitte Februar auf zwei Hochzeiten tanzte? Natürlich nicht. Sowas ist grundsätzlich nicht vergleichbar. Und trotzdem vertreibt diese Geschichte ein wenig den Trübsal, der sich bei mir über den Ausblick auf die restliche Rückrunde legt. Wir müssen halt “nur” ne Labbadia-Rückrunde hinlegen. Oder einen Stevens-Endspurt, denn 2014 uns 2015 stand es um den VfB Mitte Februar ähnlich schlecht. Übrigens sowohl 2011 als auch 2015 gelang die Wende ohne Trainerwechsel in der Rückrunde. Also liebe Mannschaft, kramt mal im Archiv und lasst Euch inspirieren. Ich hoffe derweil mit gnadenlosem Optimismus auf den langersehnte Heimsieg.
Titelbild: © AFP PHOTO / PATRIK STOLLARZ
Hallo Lennart,
lieben Dank für diesen Text. Nach dem Lesen deines Artikels geht es mir wirklich besser, da mein Optimismus aktiviert worden ist und ich wieder Hoffnung schöpfe.
Liebe Grüße,
Fahne