Leverkusen auswärts — gibt schönere Themen für eine Vorbericht, gerade in der aktuellen Situation.
Herrje, was soll man vor so einem Spiel schreiben? Entweder der VfB zeigt wieder ein ansehnlicheres Gesicht und verliert oder er schenkt dem Gegner leichtfertig Tore und verliert. So scheint die allgemeine Stimmung zu sein, angesichts der Tatsache, dass der nächste Gegner des VfB in den letzten beiden Spielen zehn Tore geschossen hat — auch wenn wir wissen, dass fünf Tore in Dortmund nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal sind. Letzte Saison wäre das wohl kein Grund für gesteigerten Optimismus gewesen, da hat man der Mannschaft im positiven Sinne alles mögliche zugetraut. In der aktuellen Lage muss man sich durchaus fragen, wie es vor diesem Spiel mit der Psyche der seit sechs Spielen sieglosen Truppe bestellt ist. Wie wird sie in Leverkusen auftreten? Mutig und konzentriert? Leichtsinnig und übermütig oder zurückhaltend, unkonzentriert und hasenfüßig? Alles scheint drin zu sein. Was soll’s, durch das Spiel müssen wir durch in der Hoffnung, dass doch wieder alles besser wird und man als VfB-Fan nicht mehr die üblichen wirren Ferndiagnosen überregionaler Sportmedien, Interviews mit Aufsichtsräten, die das gleiche sagen wir ihr Vorsitzender oder Gerüchte über Spieler, die Matarazzo für einen Taktiknerd halten lesen muss. Die Positionierung für den Trainer und für die Kontinuität immerhin scheint im Verein Konsens zu sein. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass das auch so bleibt und auch der neue Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle da auf den letzten Metern der Saison nichts dran ändert. Aber kommen wir mal zur
Personalsituation
Die sah eigentlich bis Dienstag ganz rosig aus. Als Pellegrino Matarazzo am Donnerstag zur Spieltags-Pressekonferenz lud, musste er konstatieren, dass beide Torschützen gegen Frankfurt am Samstagabend im “Topspiel” fehlen werden: Waldemar Anton hat sich zum zweiten Mal in dieser Saison mit Corona infiziert, Sasa Kalajdzic fällt nach einem Schlag auf die Wade aus. Gerade bei Kalajdzic müssen wir hoffen, dass der Dauereinsatz direkt nach seiner Verletzung keine weiteren Folgen nach sich zieht. Sein Ausfall mag gegen Leverkusen unterm Strich weniger ins Gewicht fallen, weil wir vielleicht auch mit ihm verlieren. Spätestens gegen Bochum brauchen wir ihn dann aber wieder.
Daraus ergibt sich folgende
Mögliche Aufstellung
Ja, weg mit der Viererkette. Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass Matarazzo gerade gegen Diaby vielleicht lieber auf doppelte Absicherung auf der Außenbahn und damit eine Viererkette setzt. Vielleicht feiert auch Atakan Karazor irgendwo sein Comeback, entweder als Ausputzer oder in der Dreierkette. Ich würde jedoch lieber wieder zur klassischen Dreierkette zurückkehren und selber offensive Akzente setzen, anstatt sich mit Defensivspielern gegen eine Offensive zu verbarrikadieren, die im Zweifelsfall so oder so das Tor findet. Auch wenn keiner der Spieler im Kader wirklich Kalajdzics Rolle ausfüllen kann, kann ich mir ein Offensivtrio aus Tomás — der die Rolle als Mittelstürmer anders als Omar Marmoush immerhin schon mal erfolgreich ausgefüllt hat — Marmoush und Führich vorstellen. Im Zentrum würde ich weiter auf Endo und Mangala setzen, damit die im Spielrhythmus bleiben und so eventuell wieder an Sicherheit gewinnen. Mit Ahamada statt Mangala habe ich da irgendwie kein gute Gefühl.
Und wie sieht die
Lage beim Gegner
aus? Darüber haben wir mit Bayer-Experte Sebastian (@rarename2k14) von der Rheinischen Post gesprochen.
Wie ist Dein Gefühl vorm Spiel?
Bayer ist mit einer neuen Selbstverständlichkeit aus der Winterpause gekommen, hat zuletzt drei Spiele in Serie gewonnen und in Dortmund ordentlich die Muskeln spielen lassen. Defensiv präsentiert sich die Mannschaft bislang abgeklärter als noch in der Hinrunde, zudem ist offensiv mit zehn Toren in den letzten beiden Partien richtig der Knoten geplatzt. Es gibt derzeit eigentlich keinen erkennbaren Hinweis darauf, warum Bayer nicht auch den vierten Sieg in Serie holen sollte.
Wer fehlt bei Leverkusen?
Winterzugang Sardar Azmoun ist nach einer Fußverletzung noch nicht bereit für einen Einsatz. Ausfallen werden auch Ersatzkeeper Andrey Lunev (Syndesmoseriss), Exequiel Palacios (Rücken) und Julian Baumgartlinger (Reha nach Knie-OP). Odilon Kossounou ist nach einer Trainingsverletzung fraglich, Lukas Hradecky (Corona), Daley Sinkgraven (Faserriss) und Edmond Tapsoba (Afrika-Cup) sind hingegen wieder dabei.
Was sind aktuell die Stärken und Schwächen von Leverkusen und auf wen müssen wir besonders Acht geben?
In Dortmund hat Bayer nahezu perfektes Umschaltspiel gezeigt. Dahingehend hat sich die Mannschaft von Gerardo Seoane noch einmal verbessert, ist entschlossener und klarer in den Aktionen. Auch wenn die Abwehr sich zuletzt stabilisiert hat, ist Leverkusen immer für ein Gegentor gut: Das letzte Zu-Null-Spiel war im November (1:0 gegen Bochum) — was natürlich auch an der risikoreichen Spielweise liegt.
Das Sturmtrio Florian Wirtz/Patrik Schick/Moussa Diaby ist in Topform, die Stärken dieser Profis bekannt. Zum Schlüsselspieler ist in den vergangenen Wochen aber auch Robert Andrich avanciert. Der Mittelfeldmann hat in der Rückrunde noch keine Minute verpasst und ist als Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff kaum noch wegzudenken und enorm wichtig für das Spiel der Werkself.
Statistik
Ja gut, wie gesagt. Auswärts in Leverkusen. Oder Leverkusen generell. Es ist das 82. Bundesiga-Spiel beider Vereine. Der letzte Sieg in Leverkusen gelang dem VfB, ihr ahnt es, in der Korkut-Rückrunde. Gentner machte am 32. Spieltag 2017/2018 das einzige Tor und ließ den VfB, so der kicker “von Europa träumen”. Nunja. Davor gab es zuletzt 2009 Punkte in Leverkusen durch Tore von Gomez und Hitzlsperger. Über die aktuelle Bilanz der Leverkusener konntet ihr eben im Kurzinterview schon lesen. Beeindruckende Form in 2022, zudem ein Patrik Schick, der mit 18 Treffern fast so viele Tore erzielt hat wie unsere ganze Mannschaft.
Ausblick
Man ist ja irgendwann ein bisschen abgestumpft vom Abstiegskampf — oder auch nicht. Ich weiß, dass ein Klassenerhalt immer noch möglich ist und auch nicht durch ein Auswärtsspiel in Leverkusen entschieden wird. Gleichzeitig fühlt sich so vieles gerade wieder nach einer Saison an, in der so viel nicht zusammenläuft, dass es am Ende nicht für den Klassenerhalt reicht. Matarazzos Stimmung auf der Pressekonferenz nach dem Frankfurt-Spiel macht mich da nicht gerade zuversichtlicher. Es bleibt nur die Hoffnung, dass sich irgendwie irgendwas ändert in der Mannschaft oder im Umgang des Trainerteams mit ihr. Für das Spiel am Samstag sind meine Erwartungen jedenfalls sehr niedrig. Macht das Ganze zumindest etwas erträglicher.
Titelbild: © Pool/Marius Becker — Pool/Getty Images