Der VfB verlor in Frankfurt in letzter Minute alle drei Punkte, trotz 25 Minuten Überzahl. Warum wir anfangen sollten, uns Gedanken zu machen.
Vier Minuten lang war es in Frankfurt richtig geil. Die Eintracht klärte zur Ecke, Hannes Wolf nutzte die Spielunterbrechung um Simon Terodde einzuwechseln, der sprintete in den Strafraum, wartete auf die Ecke von Dennis Aogo, köpfte sie wie zu besten Zweitliga-Zeiten ins lange Eck und ließ sich anschließend vom völlig eskalierenden Gästeblock im Waldstadion feiern. Wenig später machte sich ebenjener Terodde erneut Richtung Eintracht-Tor auf, wurde vom Frankfurter Falette zu Fall gebracht und marschierte mit dem Ball in der Hand Richtung Elfmeterpunkt. Dann wandelte der Videoschiedsrichter den Elfmeter in einen Freistoß um, Daniel Ginczek zimmerte diesen zehn Meter übers Tor und alles ging den Bach runter.
Dabei war der Ausgleich des VfB und das erste Bundesliga-Tor von Simon Terodde bis dahin das beste an einem erneut enttäuschenden Aufwärtsauftritt des VfB. Ja, Chadrac Akolo war wieder dabei und hatte, wie Anastasios Donis seine Chancen, aber keiner von beiden nutzten diese. Stattdessen sahen die Offensivbemühungen des VfB bis zur 61. Minute so aus (viertes Bild, rechts unten):
Passmaps & xGplot for Frankfurt against VfB Stuttgart. #passmap #xGplot #autotweet pic.twitter.com/cJoMxnZWEn
— 11tegen11 (@11tegen11) September 30, 2017
Nach vorne wieder zu wenig
Selbst gegen die Eintracht, die bisher noch keines ihrer Heimspiele gewonnen hatte, schaffte es der VfB, abgesehen von den bereits erwähnten Einzelaktionen von Akolo und Donis, nicht, offensiv genug Druck zu entwickeln, um die Abwehr der Eintracht in die Knie zu zwingen. Hannes Wolf hatte Simon Terodde zunächst auf der Bank gelassen, was ich grundsätzlich nicht schlecht finde. Zum einen zahlte es sich später aus, als er unbelastet von einem Spiel voller Fehlschüsse aufs Feld stürmte und den Ausgleich machte. Zum anderen bleibt Wolf damit seiner angekündigten Linie treu, die Mannschaft nach Leistung aufzustellen und niemandem einen Stammplatz zu schenken. Nach der leisen Kritik an Teroddes Engagement in der Rückwärtsbewegung gegen Augsburg nur konsequent.
Das Problem war nur: Ohne Terodde lief es auch nicht. Das lag zum einen daran, dass Daniel Ginczek zwar weiterhin bei jeder Einwechslung frenetisch gefeiert wird, aber einfach nicht in der Lage ist, vorne den Alleinunterhalter zu geben. Ob er nach seiner erneuten Verletzungspause noch nicht richtig in Tritt ist, oder ob er es grundsätzlich nicht kann, weiß ich nicht. Auf jeden Fall erwischte die Nummer 33 mit dem Brustring einen gebrauchten Tag. Nicht nur, dass er vorne kaum einen Zweikampf gewann und nur selten den Ball behaupten konnte: Selbst wenn er an den Ball kam, war das alles andere als gefährlich. Vom 2:1 will ich gar nicht erst anfangen.
Die Eintracht hat’s unnötig leicht
Der andere Grund: Das Offensivkonzept des VfB sieht immer noch so aus, dass sich entweder Donis und Akolo versuchen, irgendwie durchzuwurschteln oder dass Beck und Aogo den Ball auf den Flügel gespielt bekommen und das Ding erfolglos hoch in den Strafraum kloppen. Achja. Und lange hohe Bälle von hinten raus, die auch keinen Abnehmer finden. So ist es kein Wunder, dass zwei der vier Saisontore des VfB aus Standards resultieren. Vier Saisontore nach sieben Spielen ist übrigens weiterhin Negativrekord in der Bundesliga-Geschichte des VfB.
Würde man die Saisons des VfB nach negativer Tordifferenz nach sieben Spielen sortieren (was ich offensichtlich getan habe), läge die derzeitige Spielzeit auf Platz 5. Neun Gegentore in sieben Partien sind keine Katastrophe, aber auch kein Ruhmesblatt, vor allem, wenn man selber nicht trifft. Und schon gar nicht, wenn der Gegner vor dem Spiel selber erst vier Mal getroffen hat. Der VfB machte es auch der Eintracht unnötig leicht: Zuerst verlor Beck bei einem Konter fahrlässig den Ball an der Außenlinie, dann ging es plötzlich ganz schnell und vier Stuttgarter in der Rückwärtsbewegung waren nicht in der Lage sich gegen drei Frankfurter zur Wehr zu setzen — nicht das letzte Mal, dass der VfB in Überzahl schlecht aussah. Dann sprang der Ball dem ansonsten erneut starken Badstuber auch noch so unglücklich an den Fuß, dass Rebic den Ball nur noch einschieben brauchte.
In Überzahl weniger als nichts
Es hätte aber alles noch gut gehen können. Die Einwechslung und der Ausgleich von Simon Terodde hätten der Mannschaft einen Schubser geben können und sie hätten die bei weitem nicht unschlagbare Eintracht mit einem Spieler mehr in Grund und Boden spielen können. Stattdessen geschah: Nichts. Sogar weniger als nichts, wenn man so beschreiben will, dass die Eintracht ihrerseits plötzlich aufdrehte und den VfB in arge Bedrängnis brachte. Gleich zwei Mal musste Ron-Robert Zieler seinen Vorderleuten den Arsch retten. Hannes Wolf brachte in der 81. Minute Ebenezer Ofori für Akolo und beging damit, ohne dass ich Ofori alleine die Schuld geben möchte, einen schweren Fehler. Nicht nur das er in den zwölf Minuten auf dem Platz völlig neben sich stand und kaum einen vernünftigen Pass hin bekam, sein Foul, dass den Freistoß zum 2:1 bedingte, war zudem sowohl überflüssig, als auch tollpatschig.
Es war aber schon die Einwechslung, die mich mit dem Kopf schütteln ließ. Der VfB hatte einen Spieler mehr auf dem Platz und wechselte zehn Minuten vor Schluss einen Offensivspieler für einen defensiven Mittelfeldspieler ein? Nicht dass ich von Takuma Asano, der ja auch noch auf der Bank saß, Wunderdinge erwarte, aber vielleicht hätte der ja den sich durch die Überzahl bietenden Raum offensiv noch besser nutzen können, als der zuletzt angeschlagene Akolo. Stattdessen spielte der VfB auf Schadensbegrenzung und wurde bestraft. Denn der Freistoß landete eigentlich ziemlich harmlos auf dem Kopf von Daniel Ginczek, der ihn aber unkontrolliert in die Mitte weiterleitete und damit den Seitfallzieher von Haller mustergültig auflegte. Hinter ihm hätte übrigens Holger Badstuber gestanden.
Nicht bitter, sondern dumm
Hinterher machte unweigerlich das Wort “bitter” die Runde, auch beim unfreiwilligen Vorlagengeber:
In der Szene, die zum 1:2 führt, darf ich den Ball dann auf keinen Fall in die Mitte köpfen. Ich treffe den Ball falsch. Das ist sehr bitter.
-Daniel Ginczek
Nee, Ginni. Das war nicht bitter, das war dumm! Im sich-selbst-schlagen hat der VfB ja mittlerweile ein wenig Erfahrung, aber ab und zu schafft er es doch, uns nochmal zu überraschen. Die Prämisse ist ja seit Saisonbeginn die gleiche: Für den VfB geht es nur um den Klassenerhalt und jeder Punkt ist wichtig. Konnte man bei den Punktverlusten in den vergangenen Spielen immerhin noch auf die Klasse der Gegner verweisen, die sich dann am Ende doch durchgesetzt hatte, muss man nach dem Auftritt in Frankfurt konstatieren: Es war das bisher schlechteste Saisonspiel des VfB. Nicht weil die Eintracht unbedingt so schlecht war. Sondern weil der VfB in der Lage sein muss, gegen eine ähnlich mittelmäßig gestartete Mannschaft in Überzahl das Spiel zu gewinnen, wenn er die Klasse halten will.
Es sind genau solche Slapstick-Auftritte, wegen denen man am Ende einer Saison wieder absteigt. Weil man sich zu lange in der Sicherheit gewogen hat, dass ja zumindest ein Punkt bei diesem Auswärtsspiel hängen bleiben würde und dass ein Punkt ja besser sei als gar keiner. 2015/2016 waren wir uns auch zu lange sicher, dass wir die nötigen Punkte schon irgendwie holen würden, dass wir nach jedem Nackenschlag nur “wieder aufstehen und es im nächsten Spiel besser machen” müssten. Ja, es ist erst der siebte Spieltag, die Saison ist lang und so weiter. Aber es ist eben auch der siebte Spieltag und wir haben zwei Heimspiele gegen ziemliche Fallobst-Mannschaften gewonnen. Wo wollen wir denn auswärts die Punkte holen wenn nicht in einem solchen Spiel? Wie will man denn Spiele gewinnen in dieser Liga, wenn man sie schon in Überzahl aus der Hand gibt? Es ist ja nicht so, als wäre das 2:1 die einzige Großchance der Frankfurter nach dem Platzverweis gewesen.
Alarmglocken marsch!
Passenderweise ist jetzt erstmal Länderspielpause, also viel Zeit, sich Gedanken zu machen, was am Samstag alles schief gelaufen ist. Mir wäre es lieber, wir hätten gleich noch eine englische Woche und könnten direkt am Dienstag Köln putzen. Stattdessen spielen wir am Freitag in zwei Wochen zu Hause gegen einen Gegner, der uns noch nie lag und das auch weiß und der nach sieben Spielen mit einem Punkt und 2:15 Toren am Tabellenende steht. Eine Mannschaft mit dem Rücken zur Wand und dringend auf der Suche nach einem Aufbaugegner.
Deshalb sollten beim VfB jetzt und genau jetzt die Alarmglocken klingeln, und zwar laut. Nach den Spielen gegen Köln und in der Brausestadt ist die Hälfte der Hinrunde bereits vorbei. Wir sollten uns mittlerweile bewusst sein, dass uns in dieser Liga keiner als Aufsteiger wahrnimmt und dementsprechend auch nicht so gegen uns spielt. Und wir können solche Auftritte wie die in Frankfurt auch nicht mehr jugendlichem Leichtsinn zuschreiben. Genau davor haben wir doch vor der Saison Leute wie Beck, Badstuber und Aogo geholt. Dafür sind Spieler wie Ginczek und Terodde und auch Baumgartl und selbst Kaminski doch erfahren genug: Damit solche Spiele zumindest mit der Mindestausbeute zu Ende gebracht werden.
Geschenke annehmen, nicht machen
Womit ich darauf zurück komme, worauf ich ursprünglich hinauswollte: Der VfB muss seinen Angsthasen-Fußball ablegen und sich endlich überlegen, wie er in dieser Saison Tore schießen will. Ein Hinweis: Mit Quer- und Rückpässen klappt es nicht. Auch nicht, indem man den Ball, weil einem nichts besseres einfällt, auf einen der Außenverteidiger rausschiebt. Und wenn man schon ein solches Geschenk wie eine rote Karte und einen Freistoß aus 16 Metern Entfernung und zentraler Position bekommt, dann muss man es annehmen und darf den Gegner nicht zum Toreschießen einladen.
Also, liebe Mannschaft, lieber Hannes Wolf: Passt bitte höllisch auf, dass diese Partie nur ein Warnschuss bleibt und nicht die Einleitung einer frustrierenden Hinrunde. Nochmal zum Mitschreiben: Wir brauchen jeden Punkt und haben keinen zu verschenken.