Da ich das ganze Wochenende in Kiel war, gibt es erst jetzt den Rückblick aufs Wochenende. Im angenehm kühlen Norden setze sich der VfB mit 2:1 durch, neben dem Blick in die Zeitungen und Blogs möchte ich auch meine eigenen Eindrücke vom Spiel schildern. Aus Zeitgründen ist dies auch nur Teil 1 des Wochenend-Rückblicks.
Aufgebrochen zu einem Wochenende an der Ostsee sanken die Temperaturen mit jedem Kilometer, den wir am Freitag gen Norden fuhren. In Kiel hatte es dann angenehme 21°C und auch am nächsten Tag wurde es nach anfänglich wolkenbehangenem Himmel immer schöner, so dass am Ende sogar ein Bad in der Ostsee möglich war, wenn auch ein sehr erfrischendes. Das Kieler Holstein-Stadion versprüht in der Tat einen gewissen Charme, mit drei überdachten Tribünen und einer unüberdachten Tribüne, was dem prall gefüllten Gästeblock aber nichts ausmachte.
Kampf, aber nicht genug
Schon den ganzen Tag über hatte man überall in der Kieler Innenstadt VfB-Fans gesehen und der Block legte auch gleich gut los mit einem neuen Lied, welches auf dem Motto “Jeder einzelne ist der 12. Mann” basiert, welches auch das Motto der diesjährigen Karawane Cannstatt vor dem Heimspiel am Sonntag gegen Köln ist. Der rot-weiße Anhang machte auch von den für Bundesligaverhältnisse großzügigen Materialgenehmigungen Gebrauch, so dass man teilweise nicht viel vom Spiel sah, wie das halt so ist bei so einem Pokal-Auswärtsspiel.
Was ich durch die geschwenkten Fahnen und Doppelhalter erkennen konnte (und sich hinterher beim Videostudium bestätigte), war eine VfB-Mannschaft, die eindeutig gewillt war, um die Bälle zu kämpfen. Der Unterschied zum Spiel gegen Manchester City war aber zum Einen, dass sich Kiel, wie es sich für einen “Underdog” im Pokal gehört, mit 150 Prozent dagegen stemmte. Zum Anderen gingen die VfBler auch nicht mit letzter Konsequenz in die Zweikämpfe, vielleicht auch, um sich vor einer mögliche Verlängerung nicht völlig zu verausgaben.
Schwache linke Abwehrseite, starke Mitte
Negativ fiel für mich dabei Emiliano Insua ab. Wie erwartet war er in der Viererkette der linke Flügel, während Hlousek und Baumgartl erneut die Innenverteidigung bildeten. Insua lief seinem Gegenspieler ein ums andere Mal hinterher und war auch am 1:0 für Kiel nicht ganz unbeteiligt, als er im Duett mit Adam Hlousek den eigentlich schon gewonnen Ball wieder an die giftigen Kieler abgab. Christian Gentner war zwar auch anwesend, jedoch eher als Zuschauer, denn als Teilnehmer. Die Flanke an die gegenüberliegene Strafraum-Ecke fand einen Abnehmer, der Didavi aussteigen ließ und dann in die Lücke einschoß, die sich zwischen dem abtauchenden Tyton und dem Torpfosten ergab. Sah zunächst aus wie ein Torwartfehler (Torwartecke!), ich gehe aber eher davon aus, dass der Ball noch von Baumgartl so abgefälscht wurde, dass er nicht in einer leichten Drehung vors Tor und in Tytons Handschuhe, sondern direkt in die Maschen ging. Insgesamt hatte der VfB einige Male hinten knifflige Situationen zu bestehen, die aber größtenteils gut bis sehr gut von Baumgartl und Hlousek gelöst wurden.
Im Mittelfeld fehlt Dié
Gentner hatte ich eben schon angesprochen, er blieb recht blass, mit ihm zusammen spielte für den verletzten Serey Dié Carlos Gruezo, der aber auch nicht wirklich Akzente setzen konnte. Es fehlte einfach die überall rumgrätschende und ‑sprintende Präsenz des Ivorers. Viel auffälliger war da schon Daniel Didavi, der einen von Daniel Ginczek geprallten Ball per Bogenlampe im Kieler Tor versenkte. In solchen Momenten ist man dann froh, dass Dida doch nicht nach Leverkusen gegangen ist: Während die Kieler Verteidiger kurz zögerten, weil sie dachten mit dem Abräumen von Timo Werner hätte sich die Abwehrarbeit erledigt, schlich sich Didavi dahinter an den Ball und versenkte ihn punktgenau. Ansonsten wurde Didavi auf Schritt und Tritt von seinem Gegenspieler bewacht, wie der kicker beobachtete. Timo Werner, der anstatt des von einem Infekt niedergestreckten Harniks auflief, blieb leider eher blass und lief sich oft fest. Wie der kicker berichtet, wird er gegen Köln wieder zu Beginn auf der Bank sitzen. Ich bin mir aber sicher, dass seine Zeit in dieser Saison noch kommen wird. Dutt weist meiner Meinung nach zurecht darauf hin, dass Werner jetzt etwas zu Unrecht an seinem Senkrechtstart in der vorvergangenen Saison gemessen wird.
Ginczek stark, Kostic kaum sichtbar
Wesentlich erfolgreicher war hingegen Daniel Ginczek, der nach einem von Werner mit der Brust weitergeleiteten Ball schließlich mit einem Strich von einem Schuss das 2:1 für den VfB erzielte. Ginczek ist einfach ein Rackerer vor dem Herrn und, wie jemand am Wochenende sagte, es tut einfach gut, wieder einen Stürmer mit der 33 auf dem Rücken zu haben, der weiß, wo das Tor steht. Die Stuttgarter Zeitung kürt ihn und Didavi dann auch gleich saisonübergreifend zu den Rettern des VfB. Wäre schön, wenn die beiden auch in Zukunft so klicken würden. Noch wen vergessen? Klein machte auf der rechten Seite mehr richtig als sein Pendant auf links. Überhaupt die linke Seite des VfB: Filip Kostic blieb oft an mehrern Verteidigern hängen, auch weil Insua ihm keine Anspielmöglichkeit gab. Seine aufsehenerregendste Szene hatte Kostic, als er sich nach einem Foul lange auf dem Boden wand, so lange, bis endlich jemand den Ball ins Aus spielte. In diesem Moment sprang er relativ agil auf und trabte zurück an seine Position. Zugegebenermaßen, er lief etwas unrund. Aber insgesamt sah das schon sehr nach Schauspiel aus. Schauspiel, welches er eigentlich nicht nötig hat. Ansonsten bleiben mir von ihm nur Flanken aus dem Halbfeld in Erinnerung, eigentlich das Gegenstück seines Spielstils, der Flanken von der Grundlinie vorsieht. Mag aber auch an der Kieler Abwehr gelegen haben, dass er sich nicht so entfalten konnte. Kliment kam für Werner und wirkte sehr agil, in den letzten zehn Minuten wurden noch Rupp und Schwaab eingewechselt, hatten aber keinen Einfluss mehr auf das Spiel.
Das Spiel aus taktischer Sicht hat sich natürlich wieder VfBtaktisch in einer Kurzanalyse aufbereitet. Sehr interessant, die eigenen Beobachtungen und das eigene taktische Halbwissen mit dem eines Experten abzugleichen.
Zu den Ereignissen in den Kurven: Die Kieler zogen zu Spielbeginn eine schöne Choreographie hoch, mit einem Dampfer, aus dem sogar echter Rauch aufstieg (war bestimmt eine Nebelmaschine…). Auf der anderen Seite fackelten die VfB-Fans alles ab, was sich anscheinend so in der Sommerpause angesammelt hatte. Zu einem Zeitpunkt, ich meine zu Beginn der zweiten Halbzeit, gingen mehrere bengalische Feuer gleichzeitig an. Aber auch während der Halbzeiten brandete immer wieder rotes Licht auf. So atmosphärisch das auch aussah: Bei manchen Spielsituationen war es einfach unpassend. Warum mache ich so ein Ding direkt vor einem Eckball für den VfB vorm Gästeblock an. Vieles sah an diesem Tag sehr unchoreografiert aus. Fotos von der Kieler Choreographie gibt es, inklusive Spielbericht, bei Calcio Culinaria, die ich vor dem Spiel bereits über ihren Verein, ihre Stadt und ihre Leibspeisen befragt hatte. Mehr Fotos aus Stuttgarter Sicht finden sich auf Cannstatter-Kurve.de. Gegen Ende des Spiel gingen, bedingt durch den knappen Spielstand die Emotionen ziemlich hoch. Insgesamt aber in den Kurven ein gelungenes Fußballspiel. Ganz anders sehen das selbstverständlich die Stuttgarter Nachrichten, die ähnlich tief in die Worthülsenkiste griffen wie die VfB-Fans anscheinend in den Pyro-Schrank. Natürlich wird mehr Kameraüberwachung gefordert, oder mehr Ordnerpersonal. Kurz und einfallslos der Artikel, aber wenig überraschend.
Auf der Webseite des VfB gibt es wie gewohnt den Spielbericht und die Stimmen zum Spiel. Angemessen kurz und knapp, passt so. Erste Runde Pokal ist erste Runde Pokal. So sieht das auch Goldmann Sax: Das Pokalspiel war der Warnschuss zur rechten Zeit. Der Vertikalpass bedankt sich für ein beruhigend unaufgeregtes Spiel, warnt aber zurecht, dass Kiel nicht der letzte Gegner gewesen sein wird, der versucht, Zornigers “wildes Spiel” zu unterbinden. Der VfB wird in der neuen Saison auch das Spiel machen müssen. Auch die Stuttgarter Zeitung analysiert das Spiel meiner Meinung nach treffend.
Mein Fazit: Zornigers System ist ganz eindeutig noch nicht eingespielt. Es hat gegen Kiel dennoch zu einem Sieg gereicht, der am Ende auch nicht unverdient war. Vielleicht war es auch die Nervosität der Mannschaft, das ganze unter Wettbewerbsbedingungen zeigen zu müssen. Ich war vor dem Pokalspiel schon gespannt, jetzt bin ich noch gespannter, wie sich die Brustring-Truppe gegen den alten Angstgegner Köln durchsetzt.
Alle weiteren Ereignisse und Links vom Wochenende gibt es dann morgen oder übermorgen.