Zurück aus Kiel! — Rund um den Brustring am Montag, 10. August 20151

Da ich das gan­ze Wochen­en­de in Kiel war, gibt es erst jetzt den Rück­blick aufs Wochen­en­de. Im ange­nehm küh­len Nor­den set­ze sich der VfB mit 2:1 durch, neben dem Blick in die Zei­tun­gen und Blogs möch­te ich auch mei­ne eige­nen Ein­drü­cke vom Spiel schil­dern. Aus Zeit­grün­den ist dies auch nur Teil 1 des Wochen­end-Rück­blicks.

Auf­ge­bro­chen zu einem Wochen­en­de an der Ost­see san­ken die Tem­pe­ra­tu­ren mit jedem Kilo­me­ter, den wir am Frei­tag gen Nor­den fuh­ren. In Kiel hat­te es dann ange­neh­me 21°C und auch am nächs­ten Tag wur­de es nach anfäng­lich wol­ken­be­han­ge­nem Him­mel immer schö­ner, so dass am Ende sogar ein Bad in der Ost­see mög­lich war, wenn auch ein sehr erfri­schen­des. Das Kie­ler Hol­stein-Sta­di­on ver­sprüht in der Tat einen gewis­sen Charme, mit drei über­dach­ten Tri­bü­nen und einer unüber­dach­ten Tri­bü­ne, was dem prall gefüll­ten Gäs­te­block aber nichts aus­mach­te.

Kampf, aber nicht genug
Schon den gan­zen Tag über hat­te man über­all in der Kie­ler Innen­stadt VfB-Fans gese­hen und der Block leg­te auch gleich gut los mit einem neu­en Lied, wel­ches auf dem Mot­to “Jeder ein­zel­ne ist der 12. Mann” basiert, wel­ches auch das Mot­to der dies­jäh­ri­gen Kara­wa­ne Cannstatt vor dem Heim­spiel am Sonn­tag gegen Köln ist. Der rot-wei­ße Anhang mach­te auch von den für Bun­des­li­ga­ver­hält­nis­se groß­zü­gi­gen Mate­ri­al­ge­neh­mi­gun­gen Gebrauch, so dass man teil­wei­se nicht viel vom Spiel sah, wie das halt so ist bei so einem Pokal-Aus­wärts­spiel.
Was ich durch die geschwenk­ten Fah­nen und Dop­pel­hal­ter erken­nen konn­te (und sich hin­ter­her beim Video­stu­di­um bestä­tig­te), war eine VfB-Mann­schaft, die ein­deu­tig gewillt war, um die Bäl­le zu kämp­fen. Der Unter­schied zum Spiel gegen Man­ches­ter City war aber zum Einen, dass sich Kiel, wie es sich für einen “Under­dog” im Pokal gehört, mit 150 Pro­zent dage­gen stemm­te. Zum Ande­ren gin­gen die VfBler auch nicht mit letz­ter Kon­se­quenz in die Zwei­kämp­fe, viel­leicht auch, um sich vor einer mög­li­che Ver­län­ge­rung nicht völ­lig zu ver­aus­ga­ben.

Schwa­che lin­ke Abwehr­sei­te, star­ke Mit­te
Nega­tiv fiel für mich dabei Emi­lia­no Insua ab. Wie erwar­tet war er in der Vie­rer­ket­te der lin­ke Flü­gel, wäh­rend Hlou­sek und Baum­gartl erneut die Innen­ver­tei­di­gung bil­de­ten. Insua lief sei­nem Gegen­spie­ler ein ums ande­re Mal hin­ter­her und war auch am 1:0 für Kiel nicht ganz unbe­tei­ligt, als er im Duett mit Adam Hlou­sek den eigent­lich schon gewon­nen Ball wie­der an die gif­ti­gen Kie­ler abgab. Chris­ti­an Gent­ner war zwar auch anwe­send, jedoch eher als Zuschau­er, denn als Teil­neh­mer. Die Flan­ke an die gegen­über­lie­ge­ne Straf­raum-Ecke fand einen Abneh­mer, der Dida­vi aus­stei­gen ließ und dann in die Lücke ein­schoß, die sich zwi­schen dem abtau­chen­den Tyton und dem Tor­pfos­ten ergab. Sah zunächst aus wie ein Tor­wart­feh­ler (Tor­war­te­cke!), ich gehe aber eher davon aus, dass der Ball noch von Baum­gartl so abge­fälscht wur­de, dass er nicht in einer leich­ten Dre­hung vors Tor und in Tytons Hand­schu­he, son­dern direkt in die Maschen ging. Ins­ge­samt hat­te der VfB eini­ge Male hin­ten kniff­li­ge Situa­tio­nen zu bestehen, die aber größ­ten­teils gut bis sehr gut von Baum­gartl und Hlou­sek gelöst wur­den.

Im Mit­tel­feld fehlt Dié
Gent­ner hat­te ich eben schon ange­spro­chen, er blieb recht blass, mit ihm zusam­men spiel­te für den ver­letz­ten Serey Dié Car­los Grue­zo, der aber auch nicht wirk­lich Akzen­te set­zen konn­te. Es fehl­te ein­fach die über­all rum­grät­schen­de und ‑sprin­ten­de Prä­senz des Ivo­r­ers. Viel auf­fäl­li­ger war da schon Dani­el Dida­vi, der einen von Dani­el Gin­c­zek geprall­ten Ball per Bogen­lam­pe im Kie­ler Tor ver­senk­te. In sol­chen Momen­ten ist man dann froh, dass Dida doch nicht nach Lever­ku­sen gegan­gen ist: Wäh­rend die Kie­ler Ver­tei­di­ger kurz zöger­ten, weil sie dach­ten mit dem Abräu­men von Timo Wer­ner hät­te sich die Abwehr­ar­beit erle­digt, schlich sich Dida­vi dahin­ter an den Ball und ver­senk­te ihn punkt­ge­nau. Ansons­ten wur­de Dida­vi auf Schritt und Tritt von sei­nem Gegen­spie­ler bewacht, wie der kicker beob­ach­te­te. Timo Wer­ner, der anstatt des von einem Infekt nie­der­ge­streck­ten Har­niks auf­lief, blieb lei­der eher blass und lief sich oft fest. Wie der kicker berich­tet, wird er gegen Köln wie­der zu Beginn auf der Bank sit­zen. Ich bin mir aber sicher, dass sei­ne Zeit in die­ser Sai­son noch kom­men wird. Dutt weist mei­ner Mei­nung nach zurecht dar­auf hin, dass Wer­ner jetzt etwas zu Unrecht an sei­nem Senk­recht­start in der vor­ver­gan­ge­nen Sai­son gemes­sen wird.

Gin­c­zek stark, Kostic kaum sicht­bar
Wesent­lich erfolg­rei­cher war hin­ge­gen Dani­el Gin­c­zek, der nach einem von Wer­ner mit der Brust wei­ter­ge­lei­te­ten Ball schließ­lich mit einem Strich von einem Schuss das 2:1 für den VfB erziel­te. Gin­c­zek ist ein­fach ein Racke­rer vor dem Herrn und, wie jemand am Wochen­en­de sag­te, es tut ein­fach gut, wie­der einen Stür­mer mit der 33 auf dem Rücken zu haben, der weiß, wo das Tor steht. Die Stutt­gar­ter Zei­tung kürt ihn und Dida­vi dann auch gleich sai­son­über­grei­fend zu den Ret­tern des VfB. Wäre schön, wenn die bei­den auch in Zukunft so kli­cken wür­den. Noch wen ver­ges­sen? Klein mach­te auf der rech­ten Sei­te mehr rich­tig als sein Pen­dant auf links. Über­haupt die lin­ke Sei­te des VfB: Filip Kostic blieb oft an meh­rern Ver­tei­di­gern hän­gen, auch weil Insua ihm kei­ne Anspiel­mög­lich­keit gab. Sei­ne auf­se­hen­er­re­gends­te Sze­ne hat­te Kostic, als er sich  nach einem Foul lan­ge auf dem Boden wand, so lan­ge, bis end­lich jemand den Ball ins Aus spiel­te. In die­sem Moment sprang er rela­tiv agil auf und trab­te zurück an sei­ne Posi­ti­on. Zuge­ge­be­ner­ma­ßen, er lief etwas unrund. Aber ins­ge­samt sah das schon sehr nach Schau­spiel aus. Schau­spiel, wel­ches er eigent­lich nicht nötig hat. Ansons­ten blei­ben mir von ihm nur Flan­ken aus dem Halb­feld in Erin­ne­rung, eigent­lich das Gegen­stück sei­nes Spiel­stils, der Flan­ken von der Grund­li­nie vor­sieht. Mag aber auch an der Kie­ler Abwehr gele­gen haben, dass er sich nicht so ent­fal­ten konn­te. Kli­ment kam für Wer­ner und wirk­te sehr agil, in den letz­ten zehn Minu­ten wur­den noch Rupp und Schwa­ab ein­ge­wech­selt, hat­ten aber kei­nen Ein­fluss mehr auf das Spiel.

Das Spiel aus tak­ti­scher Sicht hat sich natür­lich wie­der VfBtak­tisch in einer Kurz­ana­ly­se auf­be­rei­tet. Sehr inter­es­sant, die eige­nen Beob­ach­tun­gen und das eige­ne tak­ti­sche Halb­wis­sen mit dem eines Exper­ten abzu­glei­chen.

Zu den Ereig­nis­sen in den Kur­ven: Die Kie­ler zogen zu Spiel­be­ginn eine schö­ne Cho­reo­gra­phie hoch, mit einem Damp­fer, aus dem sogar ech­ter Rauch auf­stieg (war bestimmt eine Nebel­ma­schi­ne…). Auf der ande­ren Sei­te fackel­ten die VfB-Fans alles ab, was sich anschei­nend so in der Som­mer­pau­se ange­sam­melt hat­te. Zu einem Zeit­punkt, ich mei­ne zu Beginn der zwei­ten Halb­zeit, gin­gen meh­re­re ben­ga­li­sche Feu­er gleich­zei­tig an. Aber auch wäh­rend der Halb­zei­ten bran­de­te immer wie­der rotes Licht auf. So atmo­sphä­risch das auch aus­sah: Bei man­chen Spiel­si­tua­tio­nen war es ein­fach unpas­send. War­um mache ich so ein Ding direkt vor einem Eck­ball für den VfB vorm Gäs­te­block an. Vie­les sah an die­sem Tag sehr uncho­reo­gra­fiert aus. Fotos von der Kie­ler Cho­reo­gra­phie gibt es, inklu­si­ve Spiel­be­richt, bei Cal­cio Culi­na­ria, die ich vor dem Spiel bereits über ihren Ver­ein, ihre Stadt und ihre Leib­spei­sen befragt hat­te. Mehr Fotos aus Stutt­gar­ter Sicht fin­den sich auf Cannstatter-Kurve.de. Gegen Ende des Spiel gin­gen, bedingt durch den knap­pen Spiel­stand die Emo­tio­nen ziem­lich hoch. Ins­ge­samt aber in den Kur­ven ein gelun­ge­nes Fuß­ball­spiel. Ganz anders sehen das selbst­ver­ständ­lich die Stutt­gar­ter Nach­rich­ten, die ähn­lich tief in die Wort­hül­sen­kis­te grif­fen wie die VfB-Fans anschei­nend in den Pyro-Schrank. Natür­lich wird mehr Kame­ra­über­wa­chung gefor­dert, oder mehr Ord­ner­per­so­nal. Kurz und ein­falls­los der Arti­kel, aber wenig über­ra­schend.

Auf der Web­sei­te des VfB gibt es wie gewohnt den Spiel­be­richt und die Stim­men zum Spiel. Ange­mes­sen kurz und knapp, passt so. Ers­te Run­de Pokal ist ers­te Run­de Pokal. So sieht das auch Gold­mann Sax: Das Pokal­spiel war der Warn­schuss zur rech­ten Zeit. Der Ver­ti­kal­pass bedankt sich für ein beru­hi­gend unauf­ge­reg­tes Spiel, warnt aber zurecht, dass Kiel nicht der letz­te Geg­ner gewe­sen sein wird, der ver­sucht, Zor­ni­gers “wil­des Spiel” zu unter­bin­den. Der VfB wird in der neu­en Sai­son auch das Spiel machen müs­sen. Auch die Stutt­gar­ter Zei­tung ana­ly­siert das Spiel mei­ner Mei­nung nach tref­fend.

Mein Fazit: Zor­ni­gers Sys­tem ist ganz ein­deu­tig noch nicht ein­ge­spielt. Es hat gegen Kiel den­noch zu einem Sieg gereicht, der am Ende auch nicht unver­dient war. Viel­leicht war es auch die Ner­vo­si­tät der Mann­schaft, das gan­ze unter Wett­be­werbs­be­din­gun­gen zei­gen zu müs­sen. Ich war vor dem Pokal­spiel schon gespannt, jetzt bin ich noch gespann­ter, wie sich die Brust­ring-Trup­pe gegen den alten Angst­geg­ner Köln durch­setzt.

Alle wei­te­ren Ereig­nis­se und Links vom Wochen­en­de gibt es dann mor­gen oder über­mor­gen.

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