Zu spät

Vor über 4000 mit­ge­reis­ten Fans ver­lor der VfB Stutt­gart am Sonn­tag­abend das Spiel gegen Ein­tracht Frank­furt mit 3:0 (1:0) — und das nach einer ent­täu­schen­den zwei­ten Halb­zeit auch zu Recht.

Begin­nen wir am Anfang: Vor dem Anpfiff herrsch­te gelas­se­ne Stim­mung vorm und im Sta­di­on, das Wald­sta­di­on ist eins der weni­gen Bun­des­li­ga­sta­di­en, in dem die Gäs­te­fans ohne Abgren­zung ein­mal ums gan­ze Sta­di­on lau­fen kön­nen. So misch­ten sich die VfB-Fans unter die zahl­rei­chen Ein­tracht-Fans (das Sta­di­on war mit 51.500 Zuschau­ern aus­ver­kauft).

Zum Spiel­be­ginn fehl­ten aber eini­ge Stutt­gar­ter Fans — die akti­ve Fan­sze­ne stand zu gro­ßen Tei­len auf der A6 im Stau und kam “zu spät” — erst nach einer hal­ben Stun­de; dann mach­ten sie aber sofort ordent­lich Dampf.

Kurz vor dem Spiel war die aktive Fanszene des VfB noch auf der Autobahn
Kurz vor dem Spiel war die akti­ve Fan­sze­ne des VfB noch auf der Auto­bahn

Die neue Ener­gie aus dem Fan­block über­trug sich aber nur bedingt auf den Rasen: Der VfB mach­te bis zur 40. Minu­te das Spiel, hat­te die bes­se­ren Chan­cen und mehr Spiel­an­tei­le. Wirk­lich gefähr­lich wur­de es aber nur ein­mal, als Kempf mit dem Kopf nur die Lat­te traf.

Auf der ande­ren Sei­te stell­te die Innen­ver­tei­di­gung aus Kempf, Pavard und Kabak die “Bul­len­her­de” aus Frank­furt zu Beginn des Spiels ordent­lich zu. Der Ein­tracht fiel zu Beginn wenig sinn­vol­les ein, ledig­lich ein paar hohe Bäl­le über die Innen­ver­tei­di­gung wur­den in der ers­ten hal­ben Stun­de ver­sucht. Der VfB stand gut, press­te “mit­tel­hoch”, ver­gaß dabei aber (noch) nicht die Absi­che­rung nach hin­ten.

Das alles soll­te sich in der 45. Minu­te ändern: Ein schla­fen­der Andi Beck, der schon nach zehn Spiel­mi­nu­ten ordent­lich pump­te, ver­gaß Kostic in sei­nem Rücken und schal­te­te “zu spät”. Zie­l­er, der den VfB in der zwei­ten Halb­zeit noch­mal sen­sa­tio­nell ret­ten soll­te, konn­te das Tor nicht ver­hin­dern.

Wäre, wäre, Fahradkette

Kurz danach ging es in die Pau­se. Und da Fuß­ball kein “hät­te-wäre-wenn” kennt, ist es müßig, über den Spiel­ver­lauf bei einem ande­ren Spiel­stand zur Halb­zeit zu spe­ku­lie­ren.

Denn in der zwei­ten Halb­zeit lief beim VfB gar nichts mehr zusam­men. Gon­za­lez ver­tän­del­te qua­si alle Bäl­le, die er bekam und hat­te mit gro­ßen tech­ni­schen Schwie­rig­kei­ten zu kämp­fen. Andre­as Beck, der schon in der ers­ten Halb­zeit dau­ernd über­lau­fen wur­de, blieb immer öfter ein­fach in der geg­ne­ri­schen Hälf­te ste­hen. Dani­el Dida­vi über­zeug­te nach vor­ne nicht mit klu­gen Päs­sen in die Spit­ze und nach hin­ten war er eine Schwach­stel­le. Ein Asca­ci­bar fehl­te in der zwei­ten Halb­zeit bit­ter­lich, denn die Frank­fur­ter spiel­ten sich immer mehr durch die Mit­te und zogen Pass­staf­fet­ten auf, die man von ihnen gar nicht gewohnt war.

Gent­ner, der ihn erset­zen soll­te und dies in der ers­ten Halb­zeit auch mit Über­sicht eini­ger­ma­ßen hin­be­kam, muss­te nach etwas mehr als einer hal­ben Stun­de ver­letzt raus mit einer Waden­ver­let­zung. Und sein Pen­dant Cas­tro war zu lang­sam gegen die schnel­len Spit­zen der Ein­tracht.

Der VfB ver­such­te es auch in der zwei­ten Halb­zeit immer wie­der mit Flan­ken, aber Insua (der nach hin­ten gut stand) und Beck brach­ten kei­ne ein­zi­ge Flan­ke an den Mann und ins­be­son­de­re Beck brach­te auch nicht vie­le Flan­ken über­haupt in den Straf­raum, weil er zu ein­fach abge­drängt wer­den konn­te.

Gruselige zweite Halbzeit

Und so kam es, dass ein in der ers­ten Halb­zeit gut spie­len­der VfB nach dem Sei­ten­wech­sel nicht mehr statt fand. Es wirk­te fast so, als hät­ten die Mut machen­den ers­ten 30, 40 Minu­ten über­haupt nicht statt gefun­den. Im Fan­block bekam man das Gefühl, als hät­te der VfB nach dem Nacken­schlag in der 45. Minu­te das Spiel auf­ge­ge­ben. Die Cannstat­ter hat­ten zwar noch ordent­lich Ball­be­sitz (am Ende 53%) und am Ende mehr gewon­ne­ne Zwei­kämp­fe (52,7%), das ist aber haupt­säch­lich der ers­ten Hälf­te zuzu­rech­nen. Chan­cen gab es in der zwei­ten Hälf­te für Stutt­gart kei­ne mehr, und der VfB hat­te Glück, in den ers­ten zehn Minu­ten der zwei­ten Halb­zeit nicht schon das 2:0 oder gar das 3:0 kas­siert zu haben.

Das 3:0 am Ende spie­gel­te nicht unbe­dingt das Ergeb­nis, aber defi­ni­tiv die Kalt­schnäu­zig­keit der Frank­fur­ter wider. Aus 5 Tor­schüs­sen (und 5 Chancen/ 2 Expec­ted Goals!) mach­te die Ein­tracht 3 Tore, dem VfB gelang bei 3 Tor­schüs­sen (0.57 xG) kein ein­zi­ges. Die zwei­te Halb­zeigt zeig­te klar kon­di­tio­nel­le und vor allem spie­le­ri­sche Unter­schie­de auf. Bei jedem Feh­ler im Auf­bau­spiel schal­te­ten die Frank­fur­ter blitz­schnell und ohne Pavard als Abwehr­chef hät­te es sogar noch deut­li­cher aus­ge­hen kön­nen.

Frankfurter Konter

Es gilt aber auch, die tak­ti­sche Ein­stel­lung zu kri­ti­sie­ren. Wenn man gegen Frank­furt mit Beck und Insua als Außen­ver­tei­di­gern zu Beginn der zwei­ten Halb­zeit hoch schiebt, dann kann das nicht gut gehen. Denn dann blei­ben beim Kon­ter (sie­he 2:0 und 3:0) eben nicht mehr vie­le hin­ten übrig. Auch einer gran­dio­sen Drei­fach­pa­ra­de von Zie­l­er ging ein Kon­ter von Frank­furt vor­aus. Und ganz ehr­lich: Dass die Frank­fur­ter im eige­nen Sta­di­on kon­tern kön­ne, das ist jetzt kei­ne Über­ra­schung.

Eigent­lich wäre es logisch gewe­sen, nach dem 1:0 zu ver­su­chen, das Spiel aus der ers­ten Halb­zeit bei­zu­be­hal­ten und dann mit Glück einen rein­zu­drü­cken. Sich aber sofort offen­si­ver zu stel­len und bei eige­nem Ball­be­sitz bis kurz vor die Mit­tel­li­nie zu schie­ben, ohne ordent­li­che Absi­che­rung nach hin­ten, das ist grob fahr­läs­sig. Und so kam die Abwehr des VfB bei allen drei Toren “zu spät”.

Eine Nie­der­la­ge gegen Frank­furt ist nicht über­ra­schend. Eine 3:0 Nie­der­la­ge tut weh. Aber drei­mal aus­ge­kon­tert zu wer­den gegen Frank­furt ist ein­fach dumm.

Unter Druck

Was das Spiel auch zeigt: Spie­ler wie Maf­feo oder Sosa hät­ten an Stel­le von Beck und Insua eini­ges ret­ten kön­nen — aller­dings nur, wenn sie gut im Team inte­griert sind. Dazu haben aber bei­de nach eini­gen Medi­en­be­rich­ten über deren Ein­stel­lung wohl auch irgend­wie kei­ne Lust.

Der VfB muss jetzt erneut unter hohem Druck (wie vor Han­no­ver) die Vor­be­rei­tung auf das Spiel in Nürn­berg bestrei­ten, denn eine Nie­der­la­ge wür­de bedeu­ten, dass die Fran­ken bis auf einen Punkt an den VfB her­an­rü­cken. Und damit wäre der so sicher geglaub­te 16. Platz über­haupt nicht mehr sicher. Ein Sieg gegen Nürn­berg ist Pflicht, wenn man in der ers­ten Liga blei­ben will.

Und will man, wie Wein­zierl sagt, auch noch den 15. Platz errei­chen, müs­sen auch gegen Lever­ku­sen und spä­ter Wolfs­burg Punk­te her — neben denen gegen Nürn­berg, Augs­burg und Schal­ke. Der Abstiegs­kampf nimmt Fahrt auf und der VfB muss schau­en, nicht unter die Räder zu kom­men. Eine Leis­tung wie in der zwei­ten Halb­zeit gegen Frank­furt reicht nicht aus. Eine Leis­tung wie in der ers­ten Halb­zeit gegen Frank­furt reicht gegen Nürn­berg ver­mut­lich schon, aller­dings ver­mut­lich nicht gegen Wolfs­burg und/oder Lever­ku­sen.

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