Rückt der 1. FC Nürnberg an den VfB heran oder zieht der VfB weg? Vor dem Abstiegskrimi im Neckarstadion haben wir uns mit Club-Fan Steffen (@2_steffen) über das Spiel und seinen Verein unterhalten.
Rund um den Brustring: Hallo Steffen und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unser Gespräch nimmst. Stell Dich doch bitte erstmal kurz vor: Wie bist zum zum FCN gekommen?
Steffen: Wie Du schon gesagt hast, heiße ich Steffen. Ich bin in Nürnberg geboren und wahrscheinlich vergleichsweise noch sehr jung. Ich bin nun schon seit fünf Jahren Clubfan — geworden bin ich es über meinen Opa, der zwei Dauerkarten hatte und mich dann in der Abstiegssaison 2013/14 das erste Mal mitgenommen hat. Da hat mich die Atmosphäre so beeindruckt, dass ich bei den letzten Saisonspielen mitgekommen bin und mir für die folgende Saison eine Dauerkarte geholt habe. Seitdem besitze ich auch eine eigene und bin nun schon seit mehreren Jahren stolzes Mitglied. Erst kürzlich habe ich einen Vortrag über unseren Stadionnamen und einen weiteren über meine Verbundenheit zum Club gehalten.
Am vergangenen Samstag konnte der Club zum ersten Mal seit ziemlich genau sechs Monaten wieder ein Bundesliga-Spiel gewinnen, zuletzt gelang das am sechsten Spieltag gegen Düsseldorf. Wie bewertest Du den Heimsieg gegen Augsburg — Ausrutscher oder Aufwärtstrend?
So traurig wie es klingt: Ich halte es für ein Ausrutscher. Es hat leider sehr gute Gründe, warum wir so lange ohne Sieg geblieben sind. Wir haben weder ausreichend Qualität, haben uns aber auch nicht an die Liga gewöhnen können. Es hat leider hinten und vorne nicht gereicht. Im letzten Sommer haben wir nur sehr wenig Geld ausgegeben und hatten sowieso nur eine überdurchschnittliche Zweitliga-Mannschaft. Der Saisonausgang war somit schon vorher zu sehen, aber nach den guten Spielen am Anfang keimte trotzdem Hoffnung auf. Diese zerschlug sich aber spätestens nach der Hinspiel-Niederlage gegen euch. Danach stand ich wie stagniert im Stadion und war mir eigentlich sicher, dass wir in dieser Liga nichts zu suchen haben. Wir waren komplett chancenlos und konnten selbst einen schwachen Gegner nicht einmal ansatzweise gefährden. Leider hat sich diese These eindrucksvoll bestätigt.
Die eben angesprochen Serie zeigt es: der FCN hat es schwer diese Saison. Wie viel Hoffnung hast Du noch auf den Klassenerhalt? Hast Du eine solche Tabellensituation am 28. Spieltag für Deinen Verein erwartet?
Wie gerade schon angesprochen, ist es für mich keine große Überraschung, dass wir von weit hinten grüßen. Eigentlich ist es aber doppelt beschämend, weil wir aufgrund der sehr schwachen mit Konkurrenz es trotzdem nicht geschafft haben, uns davon abzusetzen. Das zeigt eigentlich nur, dass wir trotz den anderen, sehr schwachen Teams nicht einmal da mithalten konnten. Ich selber mache mir nur noch sehr wenig Hoffnungen auf den Klassenerhalt, oder habe diese mir auch nie wirklich ernsthaft gemacht. Das ist aber auch nicht wirklich schlimm, weil es eben schon erwartbar war. Das Absurde ist, dass wir mit viel Glück doch noch auf den Relegationsplatz springen könnten, davon gehe ich aber nicht aus.
Sollte es nicht mehr klappen mit dem Klassenerhalt: Wie tragisch wäre ein direkter Wiederabstieg für den Verein, sportlich wie finanziell?
Sportlich ist der Abstieg auf keinen Fall ein schwerwiegendes Problem, weil er — so traurig wie es klingt — schon planbar war. Auch finanziell ist das nicht so schlimm wie beim letzten Abstieg. Wir stehen nun deutlich besser da und werden in diesem Jahr eine noch bessere Bilanz als letztes Jahr vorlegen. Deswegen schaue ich nicht mit Sorgen die Zukunft, aber es wird natürlich wichtig sein, wer den Vorstandsposten einnehmen wird und wie sich der Verein grundsätzlich neu versucht aufzustellen. Man scheint mittlerweile eingesehen zu haben, dass die bestehenden Strukturen nicht mehr leistungsfähig sind.
Anfang Februar entließ nicht nur der der VfB seinen Sportdirektor, auch Andreas Bornemann musste in Nürnberg gehen. Kurz darauf folgte Trainer Michael Köllner. Wie stehst Du zur Doppelentlassung und ihren Begleitumständen? Und wie bewertest Du die Arbeit von Boris Schommers?
Es waren sehr interessante Tage, weil ich beides in dieser Ausprägung nicht erwartet hatte. Bornemann hat es sich ja deutlich hinter Kölner gestellt, der Aufsichtsrat wollte den Trainer aber auf jeden Fall entlassen. Deswegen mussten am Ende des Tages beide gehen. Ich hätte es in dieser Radikalität nicht gewollt, die Trainerentlassungen war aber elementar wichtig. Trotz teilweiser katastrophaler Leistungen mit teilweise keiner einzigen Torchance und schwerwiegenden Patzern in der Abwehr wurde das Spiel nachher in der Analyse bis in den Himmel gelobt. Unser Aufsichtsratsvorsitzender hat es vollkommen richtig gesagt: Es war die Gefahr gegeben, dass man die Fans verliert. Deswegen musste reagiert werden.
Boris Schommers hat es geschafft, wieder eine leichte Euphorie zu entfachen. Wenn man nur die reinen Ergebnisse sieht, klingt es natürlich vollkommen absurd. Es ist aber wieder angenehmer geworden, Clubfan zu sein, weil der Einsatz sich deutlich verbessert hat, es nicht mehr wöchentliche Klatschen gibt und die Analysen deutlich realistischer ausfallen.
Im Winter gab es nur eine Veränderung im Kader: Ivo Illicevic wurde aus Kasachsten zurück in die Bundesliga geholt. Der wurde gegen Augsburg in der 87. Minute eingewechselt. Was erhoffst Du Dir noch von Eurem Neuzugang und hättest Du Dir mehr Verstärkung gewünscht?
So böse es klingt: Ich erwarte nichts. Leider lässt sich die Personalie Ilicevic deutlich unter Paniktransfer einstufen — so konnte man nicht sagen, dass nichts gemacht worden ist. Andreas Bornemann hatte es aufgrund seines angeblich beschränkten Netzwerks nicht geschafft, Verstärkungen für den Club zu finden. Man hatte sich extra finanzielle Mittel aufgehoben und wieder auf späte Schnäppchen gehofft. Leider ging diese Hoffnung nicht wie im Sommer (Pereira, Misidjan) auf. Ich hätte mir eigentlich so viel Realismus gewünscht, dass man sich schon in diesem Winter für die zweite Liga vorbereitet und gewisse Spieler schon mal aufbauen und heranführen könnte. Dafür fehlte aber die nötige Einsicht anscheinend. Oder eben erneut: Ein gutes Netzwerk.
Ein Blick auf die Tordifferenz offenbart, dass den Glubb die gleichen Probleme plagen wie den VfB. Was ist Deiner Meinung nach das größere Manko: die 22 geschossenen oder die 53 kassierten Tore?
Bei solchen verheerenden Zahlen ist es natürlich schwierig, sie irgendwie zu erklären. Das hat meist tiefgründige Probleme. Was man bei uns beiden glaube ich unterscheiden muss, ist dass wir schon zwei derbe Klatschen bekommen haben. Diese würde ich aus der Gesamtbetrachtung herausnehmen. Es ist aber wichtig zu betonen, dass wir unter Boris Schommers defensiv deutliche Fortschritte gemacht haben. Selbst Top-Teams haben nun Probleme mit uns. Aber natürlich hast du auch vollkommen recht, dass unsere Offensive einfach nicht bundesligatauglich ist — obwohl fast alle Verstärkungen in dem Bereich kamen.
Daran anschließend: Was sind die Stärken Eurer Mannschaft, was die Schwächen?
Von Stärken zu sprechen ist gemessen an den Tabellenplatz natürlich ein bisschen lustig. Wie ich gerade schon angesprochen habe sind wir defensiv nun um einiges besser. Deswegen erwarte ich auch nicht wirklich viele Tore. In der Offensive haben wir leider nach wie vor Probleme. Dort habe ich aber leider das Gefühl, dass es einfach nicht besser geht. Deswegen sieht man schon den Ansatz, dass wir vermehrt über Standards kommen — aber das scheint alles nun schon zu spät.
Unser ehemaliger Nachwuchsspieler Tim Leibold hat diese Saison 25 Spiele absolviert und steht mit 95 Einsätzen kurz vor seinem 100. Spiel im FCN-Trikot. Wie sieht seine Perspektive aus? Meinst Du, er würde wieder mit in die zweite Liga gehen?
Tim Leibold war eigentlich einer der Spieler, von denen ich hoffte, dass sie sich an die Bundesliga gewöhnen könnten. Leider bekräftigten sich die Eindrücke, dass er vor allem in der Defensive nun schon vermehrt entscheidend gepatzt hat. Die Frage ist, ob das in einer besseren Mannschaft vielleicht nicht so auffallen würde. Auf die Frage nach seiner Perspektive scheint er auch noch selbst keine Antwort gefunden zu haben. Ich würde mich sehr freuen, wenn er noch lange das Clubtrikot tragen würde — auch weil er zu einer guten Persönlichkeit gereift ist und schon auch eine Identifikationsfigur geworden ist. Eine Prognose dafür abzugeben, halte ich aber für schwierig.
Früher war der Club mal der Angstgegner des VfB, mittlerweile hat sich das zum Glück geändert. Was ist Dir noch vom Hinspiel in Erinnerung?
Wir waren chancenlos, das war erschreckend. Deswegen empfehle ich als Clubfan, nicht mehr daran zu denken. ?
Wenn Du die derzeitige Situation des 1. FC Nürnberg mit einem Song beschreiben müsstest, welcher wäre das und warum?
Dazu fällt mir sofort Wanderwall von Oasis. Dort haben die Fans gegen Ingolstadt eine tolle Choreographie entworfen und es erinnert mich an erfolgreichere Zeiten in Liga 2. Das macht deutlich mehr Spaß als derzeit — und beschreibt hoffentlich unsere Zukunft…
Welche Themen beschäftigen die Clubfans denn derzeit abseits des grünen Rasens?
Wie oben schon angesprochen, ist es natürlich wichtig, wie sich der Club in Zukunft aufstellt. In der Debatte um den neuen Sportvorstand kursieren derzeit sehr viele Namen, auch für die Ebene unter ihm gibt es viele Gerüchte. Ich würde mir einfach mal wünschen, dass der Club einen echten Glücksgriff schafft.
Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?
Ich tippe sehr ungern, ich bin auch eigentlich nicht gut darin. Ich hoffe natürlich, dass mein Club nicht verliert gehe aber auch nicht davon aus dass wir gewinnen und ein Null zu null wäre viel zu langweilig. Deswegen: 1:1! Den Clubfans wünsche ich eine gute Anreise und den VfB-Fans viel Spaß im Stadion! Vielen Dank für die Einladung!