Ein mühsam zu bezwingender Gegner, durch den Trainerwechsel schwer auszurechnen. Das hätte der VfB für Tabellenführer Dortmund sein können. Stattdessen hatte der BVB leichtes Spiel.
Am Ende hätte es noch einmal knapp werden können. Hätte Borussia Dortmund in der zweiten Hälfte mehr Lust am Toreschießen gehabt, dann wäre der VfB im Duell der Schießbuden wieder an Fortuna Düsseldorf vorbei auf den letzten Platz der Bundesliga-Tabelle gezogen. So wurde es nur ein 4:0, obwohl wir wissen, dass der derzeitige Spitzenreiter durchaus in der Lage ist, Mannschaften übler zu verdreschen, als er es mit dem VfB tat.
Abwehr von der Rolle
Nicht nur unser Interview-Gast Daniel, den ich vor dem Spiel zum BVB befragte, auch manch VfB-Fan mutmaßte, wir hätten durch den Trainerwechsel einen gewissen psychologischen Vorteil: Die Brustringträger hatten nichts zu verlieren und Dortmund-Trainer Favre dank der Länderspielpause kein Anschauungsmaterial, wie Markus Weinzierl seine Mannschaft würde spielen lassen. Nicht zuletzt hatte ja sein ehemaliger Verein, der FC Augsburg, zwei Wochen zuvor in Dortmund gezeigt, dass man die Schwarzgelben durchaus in Bedrängnis bringen kann, verlor der FCA doch erst in der Nachspielzeit durch ein Freistoß-Tor. Dass der VfB die drei Punkte nur schwer im Neckarstadion würde behalten können, war klar. Aber die Devise musste unbedingt lauten: Wir machen es ihnen so schwer wie möglich.
Nach nicht einmal 25 Minuten war das alles Makulatur. Wie effizient der BVB in diesem Spiel war, zeigt ein Blick auf die expected Goals. Ginge es nämlich nach diesen Werten, wäre das Spiel in etwa 1:1 ausgegangen. Stattdessen kombinierten sich die Gäste durch eine VfB-Abwehr, die zu sehr von der Rolle war, um diesem Ansturm standzuhalten: Beim 1:0 hatte Marco Reus nach einem kurzen Querpass viel zu viel Platz, beim 2:0 verzichtete unter anderem Gonzalo Castro dankend auf einen notwendigen Zweikampf und beim 3:0 reihte sich Benjamin Pavard in den Reigen der VfB-Spieler ein, die in den letzten Wochen mindestens einen Totalaussetzer pro Spiel hatten. Damit war das Ding gelaufen und jede Möglichkeit, sich hier mit einem achtbaren Ergebnis aus der Affäre zu ziehen, dahin. Denn wie bereits angesprochen, blieb die Anzahl der Gegentore nur deshalb im Rahmen, weil der BVB in der zweiten Halbzeit ein paar Gänge runterschaltete. Es war entgegen den Erwartungen ein einfaches Spiel für den BVB. Zu einfach.
Ansätze verpuffen
Auch die Umstellungen, die Markus Weinzierl an der Aufstellung vornahm, verpufften so völlig. Mit Thommy, Gonzalez, Gomez und Gentner standen nominell vier Offensivkräfte auf dem Platz, auf dem rechten Flügel bekam Maffeo den Vorzug vor Andi Beck, auf links hatte der Trainer nach dem Ausfall von Borna Sosa keine Alternative zu Emiliano Insua. Komplettiert wurde die Startelf von Santiago Ascacíbar auf der Sechs und dem bereits angesprochenen Castro sowie der Innenverteidigung bestehend aus Baumgartl und Pavard. Die Offensivbemühungen des VfB nahmen vor allem zu Beginn der zweiten Halbzeit endlich Fahrt auf, mal wieder mangelte es jedoch an der Treffsicherheit. Da halfen auch weder die zehn Ecken — von denen zwei hinter dem Tor landeten — noch die Umstellung auf ein 3–5‑2 etwas. Es war wie zuletzt: Man konnte schon Ansätze und Bemühen sehen, aber es reichte halt vorne wie hinten nicht.
Genau das ist auch das frustrierende an der derzeitigen Situation. Wir brauchen, mal wieder, Geduld. Wer weiß, wie das Spiel verlaufen wäre, wenn wir nicht die erste halbe Stunde verpennt hätten. So bleiben die guten Ansätze eben auf ein paar Torraumszenen nach der Halbzeit beschränkt und wir sind so schlau als wie zuvor. Wie zu Saisonbeginn müssen wir hoffen, dass die Mannschaft im nächsten, spätestens aber im übernächsten und wenn nicht, dann aber im überübernächsten Spiel endlich ihren Erweckungsmoment unter dem neuen Trainer hat. Dass der BVB kein Gradmesser für uns ist, ist klar. Aber Hoffenheim und Frankfurt sind derzeit eigentlich auch nicht unsere Kragenweite. Trotzdem müssen zu den bisherigen fünf Punkten bald ein paar dazukommen. Zum Vergleich: Vor drei Jahren hatten wir zum gleichen Zeitpunkt in der Saison nur einen Punkt weniger, dafür aber eine etwas bessere Tordifferenz — Zornigers Harakiri-Offensivfußball sei Dank.
Warten und Hoffen
Das sagt natürlich nichts über Markus Weinzierl und den Saisonausgang des VfB aus. Aber ein etwas stabilerer Auftritt gegen Dortmund würde zumindest mehr Hoffnung auf einen Punktgewinn in den nächsten Spielen machen. Denn nach dem Heimspiel gegen Frankfurt sind bereits zehn Spiele in dieser Bundesliga-Saison absolviert und ab einem gewissen Zeitpunkt in der Saison, die Statistik hatte ich ja schon häufiger zitiert, ist der Unterschied zwischen der jeweils aktuellen und der Endplatzierung normalerweise nicht mehr so furchtbar groß. Will sagen: Je länger wir da unten drinhängen, desto größer wird die Anstrengung — siehe letzte Saison — da wieder rauszukommen. Das ist natürlich eine Binsenweisheit, aber es verdeutlicht, wie ernst die Situation mittlerweile genommen werden muss. Und dass Michael Reschke aufpassen muss, dass seine vollmundige Ankündigung, man werde “nicht groß in den Abstiegskampf geraten” nicht von der Realität eingeholt wird. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen. Mal wieder.