Der VfB rennt gegen Wolfsburg motiviert an, kassiert zwei Tore — und rennt einfach weiter an. Das letzte Auswärtsspiel des Jahres geht auch deshalb verloren, weil die Ideen fehlen.
Machen wir es kurz und knackig, denn die Woche ist nicht mehr lang und mit einer Podcast-Folge morgen und der Vorschau auf das Hinrundenfinale gegen Schalke eh schon vollgepackt: Dem VfB fehlt offensiv ein Plan B, eine Alternative zu Flanken aus dem Halbfeld und schlecht getretenen Eckbällen.
23 Flanken schlug der VfB aus dem Spiel heraus in Richtung des Wolfsburger Strafraums, acht Mal trat er zum Eckball an. Weil Wolfsburg dann eben doch nicht Berlin ist, gegen die zwei Flanken zum Erfolg führten, führte das aber leider nicht zum gewünschten Erfolg. Es spricht ja auch nichts dagegen, dass am Dienstagabend erneut zu probieren. Aber halt nicht 90 Minuten lang.
Wollen vs. Können
Denn abgesehen vom Zugriff auf den Strafraum gab es am Offensivspiel des VfB eigentlich nicht so viel auszusetzen. Weinzierl bot mit Donis, Akolo, Gonzalez und Gomez ein Quartett auf, das den Gastgebern durchaus hätte gefährlich werden können und ließ seine Mannschaft früh attackieren. Auch bei Ballbesitz sah das eigentlich alles ganz gut aus, das Spielgerät wurde nicht mehr ewig in der eigenen Hälfte von links nach rechts geschoben, stattdessen waren die Brustringträger viel handlungsschneller als in den Spielen zuvor. Man hatte, und das über die gesamten 90 Minuten, das Gefühl, dass sie den oder die Punkte haben wollten.
Das Problem: Man konnte schon in der ersten Halbzeit sehen, dass Wollen und Können zwei paar Schuhe sind. Kam der Ball mal am Strafraum an, blieben sie damit entweder an der Wolfsburger Abwehr hängen oder schlugen den Ball bereits 20 bis 30 Meter vor der Grundlinie hoch in den Strafraum hinein, wo er für die Verteidigung zur leichten Beute wurde. Das noch größere Problem: Es ging in der zweiten Halbzeit genauso weiter, nur dass jetzt Thommy statt Donis die Flanken schlagen durfte. Als dann in der 54. Minute Daniel Didavi für den ebenso erfolglosen Chadrac Akolo reinkam, dachte ich eigentlich, Weinzierl und seine Elf würde in der zweiten Halbzeit von ergebnislosen Flankenläufen abrücken und den Weg über die Mitte suchen. So wie die Mannschaft auf einen Rückstand und eine überschaubare Leistung in der ersten Halbzeit gegen Berlin reagiert hatte, erhoffte ich mir auch in Wolfsburg dadurch die Wende.
Fehlt das Personal oder die Ideen?
Die blieb aber aus, auch weil Didavi ins Spiel überhaupt nicht eingebunden wurde. Stattdessen versuchte die Mannschaft erfolglos das fortzusetzen, was schon vor dem Seitenwechsel nicht funktioniert hatte. Ich weiß nicht, ob es eine Vorgabe des Trainers war, dieses Flankendebakel so durchzuziehen, oder ob den Spielern auf dem Platz die Spielintelligenz fehlt, die Offensivbemühungen im laufenden Betrieb umzustellen. Aber es muss sich diesbezüglich dringend etwas ändern. Ich bin mir nicht sicher, ob es einfach damit getan ist, neue Spieler an Land zu ziehen, denn das Personal, um hinter die Abwehr zu kommen, war mit Donis und Gonzalez eigentlich da und auch die Mitte war mit der Kombination aus dem kantigen Gomez und dem wuseligen Akolo eigentlich ganz passabel besetzt. Es fehlen aber schlichtweg die Ideen — oder die Vorgaben? — um hinter die Abwehr zu kommen, sei das jetzt über außen oder über innen.
Deswegen kann man sich zwar über den geistigen Totalausfall der Abwehr beim 1:0 und Ascacíbars leichtsinnigen Pass beim 2:0 aufregen oder über Schiedsrichter Robert Hartmann, der, wie es so schön heißt, bei der Verteilung persönlicher Strafen keine klare Linie hatte und den Freistoß, der zum Tor führte, nie hätte pfeifen dürfen. Oder über gegnerische Spieler, die einen Großteil der Spielzeit in der Horizontalen verbrachten. Aber am Ende hat sich der VfB nicht durch die Abwehrfehler selber geschlagen, sondern durch seine nicht vorhandene Variabilität. Es ist ja nicht erst unter Weinzierl so, dass der Ball zu selten gefährlich vors Tor kommt, egal ob da Terodde, Ginczek oder Gomez standen. Wir haben in den jetzt 50 Bundesliga-Spielen seit dem Wiederaufstieg nur 47 Tore geschossen — 0,94 pro Spiel.
Spielerisch kein neuer Besen
Ich freue mich, dass die Mannschaft endlich kapiert zu haben scheint, dass die Rückrunde der letzten Saison eine Ausnahmesituation war, die sich weder in die neue Saison kopieren, noch einfach nahtlos fortsetzen lässt. Aber es bringt alles nichts, wenn wir nicht in der Lage sind, zu reagieren und uns um- und auf eine neue Situation einzustellen. Hier sind natürlich, wie gehabt, die Führungsspieler gefordert, aber auch der Trainer. Ich vertraue weiterhin darauf, dass Markus Weinzierl die Mannschaft am Ende erfolgreich aus dem Abstiegskampf herausführen kann. Schon aus Selbstschutz, denn man kann ja nicht ständig den Kopf des Trainers fordern. Aber spielerisch kehrt sein neuer Besen noch nicht so gut, wie ich es mir erhofft hatte. Natürlich auch wegen der verletzten Spieler, aber auch ohne die war gestern mehr möglich. Denn die Wolfsburger Abwehr war, wie die Berliner, nicht unüberwindbar, gerade in Druck- und Pressingsituationen. Vielleicht macht die Winterpause den entscheidenden Unterschied. Aber wir können uns dann nur neue Spieler kaufen, keine neuen Ideen. Die muss Weinzierl entwickeln.
Ein mehr oder minder neuer Spieler stand ja schon gestern Abend auf dem Platz: Antonis Aidonis feierte mit 17 Jahren sein Bundesliga-Startelf-Debüt. Das lag natürlich auch daran, dass mit Beck und Maffeo beide Rechtsverteidiger verletzt ausfielen. Er kann natürlich nicht, genausowenig wie Dajaku, die kurzfristige Lösung sein. Mir wäre es auch lieber, wenn wir junge Spieler wie die beiden oder auch Gonzalez und Maffeo langsam an eine erfolgreiche Mannschaft heranführen könnten, so dass sie nicht unter dem Druck stehen, einer erfolglosen Mannschaft entscheidend helfen zu müssen. Aber er hat seine Sache für den ersten Startelf-Einsatz gar nicht so schlecht gemacht. Hoffen wir mal, dass seine ersten Bundesliga-Jahre nicht so aussehen wie die von Timo Baumgartl.
Bild: Alpha Stock Images — http://alphastockimages.com/ unter CC BY-SA 3.0