Wie im Film

Der VfB um sei­ne bei­den Neu­zu­gän­ge Ben­ja­min Pavard und Car­los Mané beschert uns VfB-Fan ein lang ver­ges­se­nes Gefühl: Die Freu­de über einen deut­li­chen und ver­dien­ten Sieg. Das 4:0 gegen Fürth ist zwar nur ein Spiel, aber es könn­te zum Wen­de­punkt der Sai­son wer­den, wenn man es beim VfB rich­tig zu deu­ten weiß.

Der VfB war ja in letz­ter Zeit nicht unbe­dingt dazu in der Lage, film­rei­fe Geschich­ten zu schrei­ben. Klar, der Abstieg in drei Akten ist durch­aus eine pas­sa­ble Tra­gö­die, aber wer will sich sowas anschau­en? Die bis­he­ri­ge Sai­son schien bis­her auch leicht tra­gisch zu ver­lau­fen, auch wenn man­cher ange­sichts der Situa­ti­on in Bad Cannstatt eher eine Komö­die ver­mu­te­te. Am Mon­tag­abend aber pack­te der Fuß­ball­gott (oder wer auch immer) das Dreh­buch für den Feel­good-Sport­film aus. Da kom­men zwei jun­ge, talen­tier­te Spie­ler zum ers­ten Mal für den VfB zum Ein­satz und eh sich die ers­ten auf der Haupt­tri­bü­ne gesetzt haben, schlägt der Ver­tei­di­ger einen Traum­pass quer übers Feld auf den Stür­mer, der den Ball kurz mit­nimmt und zum 1:o trifft. Ein VfB-Ver­tei­di­ger! Schlägt einen Traum­pass! Quer übers Feld! Genau auf den Stür­mer! Und der macht ihn rein! Ver­zeiht die vie­len Aus­ru­fe­zei­chen, aber wann hat­ten wir das letz­te Mal einen Ver­tei­di­ger, der sol­che Päs­se spielt?

Kopfball ins Glück. Bild: © VfB-Bilder.de
Kopf­ball ins Glück. Bild: © VfB-Bilder.de

Und als ob das noch nicht genug wäre, macht der Stür­mer nach fünf Minu­ten sein zwei­tes Tor und der Ver­tei­di­ger legt mit einem Kopf­ball nach einer Maxim-Ecke (!) noch das 3:0 nach. Und das alles, obwohl ihnen der Ex-Trai­ner die Spiel­rei­fe absprach und damit sei­nen eige­nen Rück­tritt ein­lei­te­te. Dass der Qua­si-Debü­tant Anto Grgic, der vor­her nur beim Spiel in Sand­hau­sen für drei Minu­ten auf dem Platz stand, dann auch noch das 4:0 durch Gent­ner vor­be­rei­tet, ver­kommt dabei fast zur Neben­sa­che. Traum­haft! Zum ers­ten Mal seit lan­ger Zeit muss­te man im Sta­di­on oder vor dem Fern­se­her nicht bis zur 92. Minu­te zit­tern, bis der VfB-Sieg unter Dach und Fach ist. End­lich stell­te sich das Gefühl des siche­ren Sie­ges bereits wäh­rend des Spiels ein. Bal­sam auf geschun­de­ne Fan­see­len.

Starke Leistung einer neu zusammengesetzten Mannschaft

Es wür­de aber zu kurz grei­fen, den Sieg im Mon­tags­spiel nur die­sen drei Spie­lern gut­zu­schrei­ben. Ins­ge­samt zeig­te die Mann­schaft, sicher­lich auch begüns­tigt durch die frü­he 2:0‑Führung, eine sehr enga­gier­te Leis­tung. Mané ver­pass­te sein drit­tes Tor nur denk­bar knapp und auch sonst hat­te man das Gefühl, der VfB könn­te hier immer für ein Tor gut sein, auch das ein Novum. Am ande­ren Ende des Spiel­felds kennt man die­ses Gefühl, nur dass es dann um Tore gegen den VfB geht. Die blut­jun­ge Innen­ver­tei­di­gung mach­te aber über wei­te Stre­cken ein sehr soli­des bis gutes Spiel. Sicher, Pavard zeig­te sich in einer Sze­ne etwas leicht­sin­nig und ver­ur­sach­te einen Frei­stoß am

Pavard überzeugte auch defensiv. Bild: © Eric Späte
Pavard über­zeug­te auch defen­siv. Bild: © Eric Spä­te

Straf­raum­rand, gele­gent­lich kam Fürth über die Flü­gel gefähr­lich an den Sech­zeh­ner. Aber abge­se­hen davon gelang es der Hin­ter­mann­schaft mit dem Brust­ring regel­mä­ßig, Tor­chan­cen zu ver­ei­teln, Bäl­le abzu­lau­fen und die­se auch hin­ten wie­der ver­nünf­tig und ohne Hek­tik raus­zu­spie­len. Mitch Lan­ge­rak, der wie immer ein über­ra­gen­des Spiel mach­te, muss­te sich nur ein­mal wirk­lich lang machen und bestand die Auf­ga­be mit Bra­vour.

Nach­dem Neu-Trai­ner Han­nes Wolf in Bochum, wohl auch ob der kur­zen Vor­be­rei­tungs­zeit, noch fast die glei­che Mann­schaft aufs Feld geschickt hat­te wie Inte­rims­trai­ner Jan­ßen, konn­te man gegen Fürth schon durch­aus neue, posi­ti­ve Ansät­ze im VfB-Spiel erken­nen. Die Brust­ring­trä­ger stör­ten den Geg­ner aggres­siv und setz­ten immer wie­der enga­giert zu Offen­siv­ak­tio­nen an. Ein biß­chen Zor­ni­ger, nur ohne defen­si­ves Hara­ki­ri. Vor allem wuss­te die Mann­schaft, wann es an der Zeit war, einen Gang run­ter­zu­schal­ten und wie man dann trotz­dem den Sack zumacht. Es ist müßig, dar­über zu spe­ku­lie­ren, ob Wolf ohne die Ver­let­zung von Terod­de und die Abwe­sen­heit von Taku­ma Asa­no die Offen­si­ve genau­so besetzt hät­te. Am Ende muss man vor­läu­fig Jan Schin­del­mei­ser zur Ein­stel­lung und Han­nes Wolf zur Auf­stel­lung der bei­den Jung­spun­de gra­tu­lie­ren.

Auch Luhukay und die Liga bremsen den VfB nicht

An die­ser Stel­le noch mal ein kur­zer Rant über die Anset­zungs­po­li­tik der DFL. Ich bin weit davon ent­fernt, ein Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker zu sein. Mir ist schon klar, dass der VfB sowohl im dra­ma­ti­schen Über­le­bens­kampf in der ers­ten Liga, als auch im Auf­stiegs­kampf der zwei­ten Liga fern­seh­tech­nisch eine gro­ße Num­mer ist. Aber nach dem unsäg­li­chen Mon­tags­spiel in Bre­men im Mai macht die Liga eine Klas­se tie­fer ein­fach so wei­ter. Da hat der VfB an den ers­ten acht Spiel­ta­gen genau ein Spiel an einem Wochen­end­tag, so dass sich die Fans, gera­de die, die nicht in Stutt­gart woh­nen, ent­we­der mon­tags oder frei­tags fast den hal­ben Tag frei neh­men müs­sen. Da muss der VfB aus­ge­rech­net an dem Wochen­en­de, nach dem die Abstel­lungs­frist für die Län­der­spie­le beginnt, an einem Mon­tag ran. Absicht ist das höchst­wahr­schein­lich nicht. Eher Igno­ranz, was es auch nicht bes­ser macht.

Nach dem über­zeu­gen­den Spiel kann man der Liga aber durch­aus ein “Ihr könnt uns mal” ent­ge­gen schleu­dern. Auch Jos Luhuk­ay wird nach dem Sah­ne­auf­tritt der von ihm ver­schmäh­ten Spie­ler nicht gera­de gefei­ert. Soll­te sich die Ent­wick­lung von Mané, Pavard und Asa­no so fort­set­zen, muss man ihm ent­we­der ziem­li­che Inkom­pe­tenz oder gro­ße Stur­heit vor­wer­fen, die sich wahr­schein­lich zum Nach­teil des VfB ent­wi­ckelt hät­te, wäre Luhuk­ay noch im Amt. Erneut weiß ich hier nicht, ob Inkom­pe­tenz oder Stur­heit besorg­nis­er­re­gen­der sind.

We don’t need no water

Wie gehen wir also jetzt mit dem Ergeb­nis um? Zie­hen wir uns zwei Wochen lang Pavards Ver­ti­kal­pass in Dau­er­schlei­fe rein? Es wird inter­es­sant sein zu sehen, wie Wolf die Mann­schaft in Dres­den auf­stellt: Never chan­ge a win­ning team? Oder setzt er dort wie­der neue Akzen­te? Mit dem

Gelingt dem alten und dem neuen VfB die Trendwende? Bild: © VfB-Bilder.de
Gelingt dem alten und dem neu­en VfB die Trend­wen­de? Bild: © VfB-Bilder.de

Auf­tritt am Mon­tag hat die Mann­schaft sowohl bei sich, als auch bei den Fans ein Feu­er ent­facht. Nun gilt es, die­ses am bren­nen zu hal­ten und zu einem Flä­chen­brand wer­den zu las­sen, der den VfB durch den Rest der Sai­son und zurück in die ers­te Liga trägt.

Das gelingt aber nicht mit Über­heb­lich­keit oder indem man die Mann­schaft nach einem Spiel bereits am Ziel wähnt. Wie schon so häu­fig beschrie­ben, ist die Selbst­zu­frie­den­heit der größ­te Feind einer VfB-Mann­schaft. Die Spie­ler müs­sen wei­ter hung­rig blei­ben und jedes Spiel mit der glei­chen Ener­gie ange­hen, mit der sie in den ers­ten 25 Minu­ten des Mon­tags­spiels die Spiel­ver­ei­ni­gung aus Fürth über­roll­ten. Dann sehen wir in ein paar Wochen viel­leicht eine gefes­tig­te Mann­schaft, für die ein domi­nan­ter Auf­tritt wie­der mehr Regel als Aus­nah­me ist. Und wir sind dann hof­fent­lich end­lich wie­der Fans, für die Freu­de die Regel und nicht mehr die Aus­nah­me ist.

Schreibe einen Kommentar