…aber eben nicht wie ein Absteiger. Beim 0:5 gegen die Bayern bekommt der VfB deutlich aufgezeigt, wer in der Bundesliga wo in der Nahrungskette steht. Eine wenig überraschende Erkenntnis.
Vor dem Spiel gestern konnte man es mal wieder bewundern: Das Tor des Jahres 1987.
One of the best goals of my career, don’t you think? ⚽ I’ll be watching the @Bundesliga Südderby between @VfB and @FCBayern this coming Tuesday. Make sure you do the same, with your local broadcaster! 🔥 #YouAreTheBundesliga pic.twitter.com/FD7t1tZNso
— J_Klinsmann (@J_Klinsmann) December 14, 2021
Geschossen hat es, natürlich, Jürgen Klinsmann und zwar nicht im Trikot der Bayern, sondern per Fallrückzieher im Brustring. Es ist ein Relikt aus einer Zeit, als es dem VfB immer wieder gelang, den Bayern die Stirn zu bieten und ansatzweise auf Augenhöhe mit ihnen zu agieren. 1992 beispielsweise, als sich der VfB zum Meister krönte und die Münchner in der Tabelle unter ferner liefen zu finden waren. Auch damals gab es mitunter schon deutliche Niederlagen, die Regel waren aber knappe Spiele, in denen sich häufiger die Bayern durchsetzten aber eben nur knapp. Der letzte Heimsieg gegen den Rekordmeister gelang dem VfB interessanterweise auch als amtierender Meister, im Herbst 2007. Und nun das. 0:5 im Neckarstadion. So hoch wie noch nie. Welche Schmach! Welche Blamage! Wie sollen wir nur dem nervigen Bayern-Fan in der Schule, im Büro oder in der Bäckerei heute in die Augen schauen?
Die 2000er rufen nicht mehr an
Wer so denkt, hat ungefähr die letzten zehn Jahre Bundesliga verpasst. Mit dem Kantersieg in Stuttgart krönten sich die Bayern zum Herbstmeister und wenn sich Dortmund nicht plötzlich etwas weniger dusselig anstellt, werden sie dieses Jahr den zehnten Titel in Folge holen. Trotz Niederlagen gegen Frankfurt und Augsburg, trotz knapper Siege gegen Mainz. Denn gleichzeitig kassierten selbst die vermeintlich direkten Konkurrenten Leverkusen und Leipzig fünf, respektive vier Gegentore. Kurz: Gegen die Bayern unter die Räder zu geraten, ist nicht schön, aber auch kein Jahrhundertereignis mehr. Frag nach in Hamburg. Der VfB wiederum ist nicht mehr der VfB der 80er, der 90er und erst recht nicht mehr der 2000er. Die Bayern sind uns soweit enteilt wie andere europäische Topclubs, nur dass wir halt gegen die Bayern qua Nationalverband zwei Mal im Jahr spielen müssen. Ich weiß nicht, ob ein 0:5 gegen Manchester United, den FC Barcelona oder Juventus ähnliche Reaktionen hervorrufen würde wie die Niederlage am Dienstagabend. Wahrscheinlich nicht, weil viele dieses Spiel noch für den “Südgipfel” halten, der er vielleicht vor 20 bis 30 Jahren war.
Langer Vorrede kurzer Sinn: Der VfB hat es gestern Abend gegen die Bayern ziemlich lange ziemlich gut gemacht. Anders als in der Vergangenheit rief man das Spiel nicht im Vorhinein zum Bonusspiel aus. Man parkte nicht den Bus vorm Tor, rannte aber auch nicht völlig übermotiviert in sein Verderben. Die Mannschaft verteidigte lange genauso konzentriert wie schon gegen Wolfsburg, wesentlich besser als gegen Berlin — und musste dann doch das 0:1 hinnehmen, weil die Bayern einmal das Tempo anzogen, und die Räume, die der VfB ihnen in diesem Fall auf der linken Angriffsseite bot, eiskalt ausnutzten. Ähnlich war es bei den weiteren Treffern: Der VfB spielte einen Fehlpass, war unsortiert und schon lag der Ball im Tor. Fehlpässe und mangelnde Orientierung in der Rückwärtsbewegung sind übrigens nichts Neues in dieser Saison. Nur werden sie selten so konsequent bestraft wie an diesem Dienstagabend. Gekrönt wurde das Ganze vom 5:0, als Florian Müller eine Flanke gerade noch so mit der Hand erreichte und sie Serge Gnabry direkt auf den Fuß legte, obwohl hinter ihm zwei Verteidiger bereitstanden, um den Ball rauszuköpfen. Ein Fehlpass der anderen Sorte.
Kein schlechter Bayern-Tag
Gleichzeitig verpasste es der VfB, die gegnerischen Räume genauso unbarmherzig auszunutzen. Viel ging beim VfB über die rechte Seite, wo Alphonso Davies wie schon in der letzten Begegnung ziemlich überfordert war mit Tanguy Coulibaly. Es wäre interessant gewesen, einen Silas in Topform gegen Davies spielen zu sehen. Die Realität heißt aber, dass es bei ihm weiter nur für 30 Minuten reicht und dass Spieler wie Marmoush und Förster zwar gegen Mannschaften wie Wolfsburg durchaus torgefährlich sein können — gegen die Bayern aber nicht, auch wenn das nicht immer was mit dem Abwehrverhalten der Münchner zu tun hatte. Aber so ist es eben und zwar nicht erst seit diesem Spiel: Wenn Du gegen die Bayern punkten willst, muss bei Dir alles passen und die einen schlechten Tag haben. Bei uns passt noch lange nicht alles, wie die Punktverluste der letzten Wochen zeigen und die Bayern hatten keinen besonders schlechten Tag. Unsere Konkurrenz heißt nicht Bayern München, sondern Fürth, Augsburg und Bielefeld. Andere Abstiegskandidaten.
Das heißt nicht, dass man die Fehler, die gemacht wurden nicht intern analysieren und abstellen muss. Aber das Spiel dient nicht dazu, nach dem überraschenden Auswärtssieg in Wolfsburg wieder alles infrage zu stellen — weder intern, noch extern. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass Augsburg heute Abend mit einem Sieg gegen Leipzig wieder an uns vorbei zieht. Der VfB hat jetzt 17 Punkte, wenn am Sonntag gegen Köln noch ein bis drei dazukommen, wäre das optimal. Die Stärken der Kölner konnten wir im Pokalspiel begutachten: Ein offensiver Spielstil, der auf Anthony Modeste zugeschnitten ist. Die Mannschaft muss also, anders als gestern Abend, in der Lage sein, einen außergewöhnlich effektiven Stürmer zu stoppen. Daran kann man sie gerne messen. Aber nicht an einer Mannschaft, die eine Liga über uns spielte, wenn es diese gäbe.
Titelbild: © Matthias Hangst/Getty Images