Wie ein Abstiegskandidat…

…aber eben nicht wie ein Abstei­ger. Beim 0:5 gegen die Bay­ern bekommt der VfB deut­lich auf­ge­zeigt, wer in der Bun­des­li­ga wo in der Nah­rungs­ket­te steht. Eine wenig über­ra­schen­de Erkennt­nis.

Vor dem Spiel ges­tern konn­te man es mal wie­der bewun­dern: Das Tor des Jah­res 1987.

Geschos­sen hat es, natür­lich, Jür­gen Klins­mann und zwar nicht im Tri­kot der Bay­ern, son­dern per Fall­rück­zie­her im Brust­ring. Es ist ein Relikt aus einer Zeit, als es dem VfB immer wie­der gelang, den Bay­ern die Stirn zu bie­ten und ansatz­wei­se auf Augen­hö­he mit ihnen zu agie­ren. 1992 bei­spiels­wei­se, als sich der VfB zum Meis­ter krön­te und die Münch­ner in der Tabel­le unter fer­ner lie­fen zu fin­den waren. Auch damals gab es mit­un­ter schon deut­li­che Nie­der­la­gen, die Regel waren aber knap­pe Spie­le, in denen sich häu­fi­ger die Bay­ern durch­setz­ten aber eben nur knapp. Der letz­te Heim­sieg gegen den Rekord­meis­ter gelang dem VfB inter­es­san­ter­wei­se auch als amtie­ren­der Meis­ter, im Herbst 2007. Und nun das. 0:5 im Neckar­sta­di­on. So hoch wie noch nie. Wel­che Schmach! Wel­che Bla­ma­ge! Wie sol­len wir nur dem ner­vi­gen Bay­ern-Fan in der Schu­le, im Büro oder in der Bäcke­rei heu­te in die Augen schau­en?

Die 2000er rufen nicht mehr an

Wer so denkt, hat unge­fähr die letz­ten zehn Jah­re Bun­des­li­ga ver­passt. Mit dem Kan­ter­sieg in Stutt­gart krön­ten sich die Bay­ern zum Herbst­meis­ter und wenn sich Dort­mund nicht plötz­lich etwas weni­ger dus­se­lig anstellt, wer­den sie die­ses Jahr den zehn­ten Titel in Fol­ge holen. Trotz Nie­der­la­gen gegen Frank­furt und Augs­burg, trotz knap­per Sie­ge gegen Mainz. Denn gleich­zei­tig kas­sier­ten selbst die ver­meint­lich direk­ten Kon­kur­ren­ten Lever­ku­sen und Leip­zig fünf, respek­ti­ve vier Gegen­to­re. Kurz: Gegen die Bay­ern unter die Räder zu gera­ten, ist nicht schön, aber auch kein Jahr­hun­dert­ereig­nis mehr. Frag nach in Ham­burg. Der VfB wie­der­um ist nicht mehr der VfB der 80er, der 90er und erst recht nicht mehr der 2000er. Die Bay­ern sind uns soweit ent­eilt wie ande­re euro­päi­sche Top­clubs, nur dass wir halt gegen die Bay­ern qua Natio­nal­ver­band zwei Mal im Jahr spie­len müs­sen. Ich weiß nicht, ob ein 0:5 gegen Man­ches­ter United, den FC Bar­ce­lo­na oder Juven­tus ähn­li­che Reak­tio­nen her­vor­ru­fen wür­de wie die Nie­der­la­ge am Diens­tag­abend. Wahr­schein­lich nicht, weil vie­le die­ses Spiel noch für den “Süd­gip­fel” hal­ten, der er viel­leicht vor 20 bis 30 Jah­ren war.

Lan­ger Vor­re­de kur­zer Sinn: Der VfB hat es ges­tern Abend gegen die Bay­ern ziem­lich lan­ge ziem­lich gut gemacht. Anders als in der Ver­gan­gen­heit rief man das Spiel nicht im Vor­hin­ein zum Bonus­spiel aus. Man park­te nicht den Bus vorm Tor, rann­te aber auch nicht völ­lig über­mo­ti­viert in sein Ver­der­ben. Die Mann­schaft ver­tei­dig­te lan­ge genau­so kon­zen­triert wie schon gegen Wolfs­burg, wesent­lich bes­ser als gegen Ber­lin — und muss­te dann doch das 0:1 hin­neh­men, weil die Bay­ern ein­mal das Tem­po anzo­gen, und die Räu­me, die der VfB ihnen in die­sem Fall auf der lin­ken Angriffs­sei­te bot, eis­kalt aus­nutz­ten. Ähn­lich war es bei den wei­te­ren Tref­fern: Der VfB spiel­te einen Fehl­pass, war unsor­tiert und schon lag der Ball im Tor. Fehl­päs­se und man­geln­de Ori­en­tie­rung in der Rück­wärts­be­we­gung sind übri­gens nichts Neu­es in die­ser Sai­son. Nur wer­den sie sel­ten so kon­se­quent bestraft wie an die­sem Diens­tag­abend. Gekrönt wur­de das Gan­ze vom 5:0, als Flo­ri­an Mül­ler eine Flan­ke gera­de noch so mit der Hand erreich­te und sie Ser­ge Gna­b­ry direkt auf den Fuß leg­te, obwohl hin­ter ihm zwei Ver­tei­di­ger bereit­stan­den, um den Ball raus­zu­köp­fen. Ein Fehl­pass der ande­ren Sor­te.

Kein schlechter Bayern-Tag

Gleich­zei­tig ver­pass­te es der VfB, die geg­ne­ri­schen Räu­me genau­so unbarm­her­zig aus­zu­nut­zen. Viel ging beim VfB über die rech­te Sei­te, wo Alphon­so Davies wie schon in der letz­ten Begeg­nung ziem­lich über­for­dert war mit Tan­guy Cou­li­ba­ly. Es wäre inter­es­sant gewe­sen, einen Silas in Top­form gegen Davies spie­len zu sehen. Die Rea­li­tät heißt aber, dass es bei ihm wei­ter nur für 30 Minu­ten reicht und dass Spie­ler wie Mar­moush und Förs­ter zwar gegen Mann­schaf­ten wie Wolfs­burg durch­aus tor­ge­fähr­lich sein kön­nen — gegen die Bay­ern aber nicht, auch wenn das nicht immer was mit dem Abwehr­ver­hal­ten der Münch­ner zu tun hat­te. Aber so ist es eben und zwar nicht erst seit die­sem Spiel: Wenn Du gegen die Bay­ern punk­ten willst, muss bei Dir alles pas­sen und die einen schlech­ten Tag haben. Bei uns passt noch lan­ge nicht alles, wie die Punkt­ver­lus­te der letz­ten Wochen zei­gen und die Bay­ern hat­ten kei­nen beson­ders schlech­ten Tag. Unse­re Kon­kur­renz heißt nicht Bay­ern Mün­chen, son­dern Fürth, Augs­burg und Bie­le­feld. Ande­re Abstiegs­kan­di­da­ten.

Das heißt nicht, dass man die Feh­ler, die gemacht wur­den nicht intern ana­ly­sie­ren und abstel­len muss. Aber das Spiel dient nicht dazu, nach dem über­ra­schen­den Aus­wärts­sieg in Wolfs­burg wie­der alles infra­ge zu stel­len — weder intern, noch extern. Selbst im unwahr­schein­li­chen Fall, dass Augs­burg heu­te Abend mit einem Sieg gegen Leip­zig wie­der an uns vor­bei zieht. Der VfB hat jetzt 17 Punk­te, wenn am Sonn­tag gegen Köln noch ein bis drei dazu­kom­men, wäre das opti­mal. Die Stär­ken der Köl­ner konn­ten wir im Pokal­spiel begut­ach­ten: Ein offen­si­ver Spiel­stil, der auf Antho­ny Mode­s­te zuge­schnit­ten ist. Die Mann­schaft muss also, anders als ges­tern Abend, in der Lage sein, einen außer­ge­wöhn­lich effek­ti­ven Stür­mer zu stop­pen. Dar­an kann man sie ger­ne mes­sen. Aber nicht an einer Mann­schaft, die eine Liga über uns spiel­te, wenn es die­se gäbe.

Titel­bild: © Mat­thi­as Hangst/Getty Images

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