Mit einem souveränen 4:0 ziehen die Brustringträger an der Reutlinger Kreuzeiche in die zweite Pokalrunde ein. Nach dem 6:0 in Berlin vor zwei Jahren endlich mal wieder eine entspannte erste Pokalrunde in angenehmer Atmosphäre — die die Mannschaft aber dennoch konzentriert anging.
Es hatte ein bisschen etwas von einer verlängerten Vorbereitung und damit möchte ich der TSG Balingen nicht zu nahe treten. Viel mehr war es den Umständen geschuldet: Ein Gegner aus dem näheren Umkreis mit vielen ehemaligen Spielern des Cannstatter NLZ in ihren Reihen und vermutlich auch vielen Anhängern, die in der Bundesliga auch dem VfB die Daumen drücken. Zudem an der Kreuzeiche, Heimat des mindestens auf Ultras-Ebene befreundeten SSV Reutlingen und ebenfalls nicht weit weg von zu Hause. Ich war leider selber familienbedingt nicht vor Ort, und nicht nur der riesige “Auswärtsblock” deutete darauf hin, dass das hier so etwas wie ein Heimspiel für die Brustringträger war.
Und auch sportlich gab man sich keine Blöße. Als ich am Freitag noch das drohende Aus des KSC begrüßte, war mir natürlich bewusst, dass dem VfB gegen einen engagierten Regionalligisten auch das Aus drohen könnte, wobei es ja meist die Drittliga-Mannschaften sind, die den Pokal aufmischen. Wie auch immer, der VfB ging das Spiel alles andere als sorglos an, sondern spielte zielstrebig nach vorne und nutzte die technische Überlegenheit seiner Spieler, gegen die sich die TSG-Akteure zu selten wehren konnten. Zwar boten sie dem Angriffspiel des VfB mit Beinen und Füßen Paroli, aber sowohl beim Steckpass auf Millot als auch beim Kunstschuss von Silas — der vorher noch Zeit hatte, die Schnürsenkel nachzuziehen — waren sie machtlos. Überhaupt Millot: Als hängende Spitze aufgeboten zeigte er sich immer wieder am Ball traf einmal selber und bereitete das Tor des immer noch anwesenden Serhou Guirassy vor.
Die richtige Haltung
“Wichtig war die Art und Weise und die Haltung, wie die Mannschaft das angegangen ist”, erklärte Sportdirektor Fabian Wohlgemuth nach der Partie und traf damit den Nagel auf den Kopf. Es war ein seriöser Auftritt mit einem angemessenen Ergebnis, dass die Mannschaft die 4:0‑Führung dann vor allem verwaltete, darf angesichts des einsetzenden Regens und des anstehenden Bundesliga-Auftakts nicht verwundern. Balingen stand sehr tief, die Viererkette des VfB sehr hoch und zeigte bei den wenigen Herausforderungen ebenso eine konzentrierte Leistung wie Torwart Nübel, der in der 86. Minute Ex-VfB-Nachwuchsspieler Almeida Morais (2017–2020) abkochte. Und vorne zeigte die Mannschaft, dass sie nicht warten wollte, bis das gewünschte Ergebnis zu ihr kam, sondern versuchte immer wieder die Balinger Abwehrketten zu durchbrechen. Was dabei auffiel und etwas negativ abfiel: Über die Flügel passierte nicht viel. Auf den offensiven Außenpositionen waren diesmal Chris Führich und Silas aufgeboten. Während Silas, wenn er in die Mitte rückte, durchaus gefährlich wurde, verhedderte er sich außen genauso wie sein Gegenpart zu häufig im eigenen Dribbling oder in Abwehrbeinen des Gegners. Beiden ging die Zielstrebigkeit ab, die die Stamm-Schienenspieler Sosa und Vagnoman meist auszeichnet.
Während Sosa am Samstag gegen Bochum — wenn er nicht bis dahin einen neuen Verein hat — wieder auflaufen dürfte, bleibt spannend, wie der VfB die rechte Außenbahn besetzen will. Auch Dinos Mavropanos steht ja vor dem Absprung und saß in Balingen 90 Minuten auf der Bank. Vermutlich weil er zuvor Rückenprobleme hatte und ohnehin später ins Training eingestiegen war. Vielleicht aber auch, weil man den Spieler, für den man neben Guirassy am wahrscheinlichsten viel Geld einnimmt, nicht unnötig der Gefahr einer Verletzung aussetzen wollte. Vielleicht hat Silas gegen die Bochumer auch wieder etwas mehr Platz vorne. Die Neuzugänge Jamie Leweling und Jeong Woo-yeong, die auf diesen Positionen eigentlich Druck und Wettbewerb erzeugen sollten, konnten sich noch nicht hervortun.
Es geht wieder los
Also: Für den Bundesliga-Auftakt lässt dieses Spiel, mal abgesehen von der oben beschriebenen richtigen Haltung, noch nicht viele Rückschlüsse zu — dass Wataru Endo, dessen Tor ich bislang unterschlagen habe, ein feines Füßchen hat, wissen wir ja bereits. Zu viel kann noch auf dem Transfermarkt passieren. Aber jetzt geht es endlich wieder richtig los. Auf und neben dem Platz, wie es auch der Vertikalpass in seinem Spielbericht beschreibt. Als wir das letzte Mal souverän in die zweite Pokalrunde einzogen, folgte ein 5:1 gegen Fürth und eine Seuchen-Hinrunde. Hoffen wir, dass es diese Hinrunde eher so wird wie gegen Balingen: Konzentriert und solide.
Titelbild: © Oliver Benz