Das erste Mal seit 2016 beginnt der VfB Stuttgart den Pokalwettbewerb nicht in Ostdeutschland und trifft zugleich mit der TSG Balingen auf den Gewinner des örtlichen WFV-Pokals.
Seien wir ehrlich, hätte es ein besseres Los für die erste Runde geben können? Ein scheinbar machbarer Gegner aus der Regionalliga, der zudem aus der Region kommt und somit auch angenehm zu erreichen ist. Das einzig bessere Szenario wäre wahrscheinlich, wenn die Balinger das WFV-Pokalfinale verloren hätten und wir somit endlich wieder ein Derby gegen die Stuttgarter Kickers gehabt hätten, aber das soll nur meckern auf hohem Niveau sein. Es tut auch mal gut, auf eine sympathische TSG zu treffen und unter dem Hashtag #TSGVfB mal nicht komische Kraichgauer zu sehen, die irgendwas von Derby schwafeln und uns erzählen wollen, dass sie ein waschechter Traditionsverein sind.
Doch wer ist die TSG Balingen? Der größte Sportverein aus dem Zollernalbkreis hat sich seit 1990 langsam aber stetig aus der Kreisliga A in die Regionalliga Südwest gemausert, wo sie seit 18/19 ununterbrochen spielen. Die letzte Saison ist wahrscheinlich mit Platz 6 die beste Saison in der (jüngeren) Vereinsgeschichte, die mit dem ersten Sieg des WFV-Landespokals gekrönt wurde. Trainer und Vater des Erfolgs ist der ehemalige KSC- und SC Freiburg-Profi Martin Braun, der seit Januar 2020 im Amt ist. Für die TSGler ist es auch ein Traumlos gegen den VfB zu spielen. “Nur Bayern wäre reizvoller”, sagte Martin Braun nach der Pokalauslosung. Ein kleiner Wehrmutstropfen für die Zollernalbkreisler: Sie dürfen das Spiel nicht in der heimischen Bizerba-Arena austragen, sondern müssen ins nächstgrößere Stadion nach Reutlingen ausweichen. Nichtdestotrotz wird das Spiel für alle Beteiligten ein schönes Fußballfest und ein schöner Saisonstart sein. Die Balinger hatten übrigens ihr erstes Ligaspiel. Gegen den Bahlinger SC reichte es aber nur für ein torloses Unentschieden.
Es tut dem VfB gerade gut jetzt endlich wieder den Fokus auf dem Platz zu legen. Es war mal wieder eine verrückte Sommerpause: Weltmarkenbündnis, Stadionname, Trikotsponsoren, die Diskussion rund um den Sportvorstand, Arena24 und natürlich Wehrles leere Versprechungen. Dazu noch das ganze “Wechselt Spieler XY oder wechselt er doch nicht” rund um Sosa, Mavropanos, Ito usw.. Überraschend zu sehen, dass der größte Abgang der von Florian Müller nach Freiburg ist. Auch wenn es schön ist, dass wichtige Stammspieler vielleicht doch noch bleiben, mit 32 Spielern ist der Kader aber immer noch viel zu groß. So groß, dass manch ein Spieler noch nicht einmal mit der ersten Mannschaft mit trainieren darf. Gil Dias zum Beispiel ist komplett spurlos verschwunden. Es ist eine Frage der Zeit bis er Thema bei Aktenzeichen XY — ungelöst ist. Das Transferfenster ist ja noch eine Zeit lang offen und es kann noch Einiges passieren, aber ich hätte nicht gedacht, dass wir Mitte August noch so wenig auf der Abgangsseite haben.
Apropos Kader, kommen wir zur
Personalsituation
Sagen wir es so. Es ist gut, dass wir “nur” gegen einen Regionalligisten und nicht gegen schlechteren Zweit — bzw. besseren Drittligisten spielen, denn die Ausfallliste ist länger als uns lieb ist. Zu allererst fällt Sosa aufgrund der Gelb-Roten Karte vom letztjährigen Halbfinalspiel aus. Aber “gut” denkt sich der ein oder andere, “schließlich haben wir ja Maxi Mittelstädt und notfalls kann ja auch Nartey links hinten spielen”. Nun auch die beiden werden ausfallen. Fabi Bredlow, der letztjährige Copa-Keeper, ist auch verletzt draußen somit steht Nübel wohl vor seinem Debüt im Brustring. Dazu kommt, dass Undav, Vagnoman und Kastanaras ebenfalls verletzungsbedingt erstmal raus sind.
Das macht die Voraussage für die
Startaufstellung
nicht zwingend einfacher.
Ich orientiere mich am Spiel gegen Sheffield United. Dort wurde im Grunde auch 3–4‑3 gespielt. Mavropanos übernimmt die Position von Vagnoman, aber wahrscheinlich etwas defensiver als der deutsche U21-Nationalspieler. Links spielt Führich ein bisschen offensiver, während Ito als Halbraumverteidiger hinter ihm absichert. Vorne stürmen Millot, Silas und Guirassy. Erstgenannter wird wahrscheinlich sich eher tiefer fallen und im Spielaufbau mitmischen während Guirassy den klassischen Neuner stellt und Silas mit seiner Schnelligkeit auf Höhe der gegnerischen Verteidigungslinie lauert.
Statistik
Der VfB spielt das erste Mal überhaupt die TSG aus Balingen. Zumindest die Erste. Die U21 der Cannstatter darf sich regelmäßig mit den Zollernalbkreislern in der Regionalliga Südwest messen. Dort ist die Bilanz recht ausgeglichen. Balingen gewann drei Spiele, während die Zweitvertretung zwei Duelle für sich entschied. Drei Mal hat man sich die Punkte im Ländle geteilt. Doch wie schneidet der VfB Stuttgart allgemein im Pokal ab? Insgesamt gewannen die Schwaben dreimal den Pokal (1954, 1958 und 1997). Wie man sieht, ist es mal wieder an der Zeit. Vor allem nach dem man seit 1997 zwei Mal das Finale erreichte und es beide Male verlor. Allegemein hatte sich der VfB im DFB-Pokal in seiner Geschichte nicht mit Ruhm bekleckert. 10 Mal ist er bereits in der ersten Runde rausgeflogen und liegt damit auf Platz 3 in dieser unrühmlichen Tabelle. Zwischen 1969 bis 1973 hat man das Kunststück geschafft gleich dreimal hintereinander in der ersten Runde auszuscheiden. Zuletzt gelang dieses Kunststück 2018 als man an Hansa Rostock scheiterte.
Fazit
Zwar ist man verletzungsgebeutelt, aber für einen Regionalligisten — bei allem Respekt — sollte es für einen Sieg reichen. Trotzdem kennen wir den VfB zu gut und wir wissen der DFB-Pokal bekanntlich seine eigenen Gesetze besitzt. Hoffen wir auf ein entspanntes 3:0 ohne Verlängerung usw. und ohne Verletzte, damit sich die Elf von Sebastian Hoeneß voll und ganz auf den Bundesligastart fokussieren kann. Bei einer möglichen Pleite wird auf jeden Fall die alljährliche Saisonstart-Euphorie in der Mercedesstraße sofort kaputt sein.
Titelbild: © TSG Balingen