Nach dem enttäuschenden Unentschieden des VfB gegen Werder Bremen liegt der Fokus in der Presse- und Blogschau vor allem auf der Zukunft, also der Frage nach einem Nachfolger für Jürgen Kramny.
Der Tenor der Stimmen zum Spiel ist eindeutig: Der Ausgleich sei unglücklich, eigentlich habe man das Spiel gewinnen müssen, jetzt müsse man es halt gegen Mainz besser machen. Gunter Barner sieht in den Stuttgarter Nachrichten einen deutlich verbesserten VfB. Christof Ruf beobachtet für SpiegelOnline hingegen zwei Mannschaften, die beide nicht so recht wüssten, warum sie den Klassenerhalt verdient hätten. In der Süddeutschen Zeitung fasste Christof Kneer bereits vor der sonntäglichen Partie zusammen, wie sich die beiden Vereine in die aktuelle Situation manövrieren konnten. Ebenso von vor dem Spiel ist die Analyse von Kramnys Spielstil sowie eine allgemeine Beobachtung zum Verhältnis von Abwehr und Angriff in Stuttgart von Carlos Ubina in der Stuttgarter Zeitung. Fotos aus der Kurve gibt’s bei der Cannstatter Kurve und bei VfB-Bilder.de.
Der Vertikalpass zeigt mittlerweile schon masochistische Züge und unterlegt seinen Blogbeitrag zum Spiel mit den Texten der österreichischen Band Wanda. Goldmann Saxt ist auch nicht viel besser drauf und fragt sich, ob man mit Kramny wirklich noch den Rest der Rückrunde bestreiten sollte.
Womit wir zum großen Thema dieser VfB-Lektüre kommen. Wie jetzt gerade bekannt wurde, bleibt Kramny auf jeden Fall bis Ende der Hinrunde (Kicker). Bereits Ende letzter Woche berichteten die Stuttgarter Nachrichten über das Interesse des VfB an Pierluigi Tami vom Grasshopper Club Zürich. Frieder Pfeiffer wägt in der Süddeutschen Zeitung die Chancen von Felix Magath auf den Posten ab und befindet ihn für zu leicht. Mittlerweile orientiert der sich laut Masazumi Ando im Kicker auch schon Richtung Japan. Der Vertikalpass fragt Robin Dutt, worauf er eigentlich noch wartet. Thomas Haid geht in der Stuttgarter Zeitung verschiedene Kandidaten durch, deren Namen durch die Gerüchteküche schwirren. Darunter bereits genannter Tami, Ex-VfBler Murat Yakin, Sandhausen-Trainer Alois Schwartz und Dirk Schuster, aktuell Trainer von Darmstadt 98. Gunter Barner blickt in den Stuttgarter Nachrichten auf das jährliche Trainer-Wechsel-dich-Spiel.
Dirk Preiß hat für die Stuttgarter Nachrichten VfB-Teammanager Günther Schäfer zur aktuellen Situation befragt. George Moissidis spekuliert im Kicker über ein Tauschgeschäft zwischen dem VfB und Leverkusen, in dem Didavi an den Rhein und Stefan Kießling an den Neckar wechseln würden. Ex-VfBler Antonio Rüdiger muss indes in der Serie A harte Kritik einstecken (Kicker).
Ergebnisdienst: Die zweite Mannschaft verliert trotz Führung am Ende gegen den SV Wehen 1:2 (VfB.de, Stuttgarter Nachrichten). Die A‑Jugend spielte gegen den FC Bayern München 1:1 (VfB.de, FuPa Stuttgart), die B‑Jugend verlor gegen Kaiserslautern 0:1 (VfB.de, FuPa Stuttgart).
40 Jahre VfB oder „die ungehörte Mehrheit“ oder “NOCH”
Viele denken ja nicht daran, aber es gibt im Ländle weit mehr VfB-Fans als in das Stadion passen. Noch. Und „noch“ nicht etwa, weil das Stadion größer wird, sondern „noch“, weil wir immer weniger werden. Warum? Nicht, weil es uns zu anderen Vereinen zieht, sondern weil wir schlicht aussterben und es keinen Nachwuchs mehr gibt.
Wir können es uns nicht leisten, Spieltag für Spieltag ins Stadion zu pilgern, entweder fehlt uns dafür das Geld, oft auch die Zeit, denn für uns ist das Stadion wirklich weit weg und preislich ist es eben nicht mit der einen Eintrittskarte und den 2 Getränken getan. Wenn dann noch Kinder dazukommen, sind schnell mal weit über 100€ weg und die Frau hat auch noch nichts gehabt.
Der VfB war die Mannschaft unserer Kindheit, unserer Jugend und ist auch jetzt im fortgeschrittenen Alter immer noch unsere Mannschaft. Und wenngleich wir nicht im Stadion sind, sehen wir uns so gut es geht, die Fernsehbilder an, lesen Spielberichte in der Zeitung und im Internet. Wir sind weiter weg, wir erfahren die Spiele nicht am „eigenen Körper“, aber auch wir leiden, seit Jahren, und auch wir resignieren, und das immer schneller.
Vor wenigen Jahren konnten wir noch Live-Bilder in den Sportheimen oder Gaststätten unseres VfB’s mit Gleichgesinnten erleben und so wenigstens etwas an „Stadionstimmung“ geniessen.
Vor wenigen Jahren noch konnten wir montags in der Arbeit Kollegen frotzeln und Kontra geben.
Heute? Heute wird im Sportheim auf die Nord-Österreicher oder auf Dortmund/Konferenz geschaltet. Den VfB, den will die Mehrheit nicht mehr sehen. An dem hat die Mehrheit der Anwesenden kein Interesse mehr!
Montags in der Arbeit wird man, wenn man Glück hat, gefragt, ob der VfB heute das Abendspiel hat, meist aber wird man ignoriert, oder wenn man Pech hat, schlicht bemitleidet.
Als unsere ältesten Kinder angefangen haben, Fußball zu spielen, haben sie als Trainingstrikot VfB-Hemdchen von uns bekommen. Als sie älter wurden, haben sie die abgelegt und sich eigene Vereine gesucht, wer will schon so uncool sein? Kann sich jemand vorstellen, was es für ein Kampf ist, wenigstens zu verhindern, dass die Weisswürste sich im eigenen Kinderzimmer einnisten?
Letztens war die Jugend-Mannschaft meines Jüngsten gegen Darmstadt im Stadion. Freude? Mehr als die Hälfte der Jungs wollte eine Niederlage des VfB mal selbst erleben und den anderen war’s egal. VfB-Fans unter den Jungs? Null %. Aber ein paar Väter mit VfB-Schal gab’s noch. Noch!
Kurz danach war es Zeit für ein neues Trainings-Trikot für den Jüngsten. Also auf in das Sportgeschäft der Wahl. Nicht, dass ein VfB-Trikot vom Kleinen gewünscht gewesen wäre, ne, das war mal wieder ein gelbes. Aber auch der Vater sieht sich eben um und sucht seinen VfB und findet: Nichts! Null. Und schlimmer: Die Verkäuferin sagt auf Nachfrage, die haben wir nicht bestellt, die bleiben immer hängen. Und noch schlimmer: das weckt sogar Verständnis. Man sieht’s ja selbst, wenn man die Kleinen vom Training abholt.
Und deswegen sterben wir aus, wir alleine schaffen es nicht, unsere Kinder für den VfB zu begeistern. Wir brauchen dafür den VfB, wir brauchen Spiele mit Herz und Kampf, wir brauchen Typen, die sich für den VfB abrackern, die wir zeigen können. Wir brauchen keinen Serien-Sieger und Adidas-steuersenkend finanzierten Abonnements-Meister, aber mithalten müssen wir können, wollen müssen wir können, und mehr siegen als verlieren müssen wir können. Und nicht nur Mitleid wecken.
Ist es den Verantwortlichen beim VfB denn bewusst, auf welchen Abgrund zielgenau hingesteuert wird? Ist diesen Personen denn nicht klar, dass es nicht mit ein paar guten Spielen getan ist? Wollen die wirklich aus dem VfB eine „regional focussierte Stuttgarter Marke“ machen? Merken die das erst, wenn die Werbepartner ausbleiben und die Logen nicht verkauft werden?
Hören die uns nicht weinen? Wissen die nicht, dass sie nach uns nichts mehr hören, weil niemand mehr da ist? Nicht mal mehr ein „Vorstand raus“?
Hallo,
vielen Dank für Deinen langen, emotionalen Kommentar. Ich weiß was Du meinst und es war uns glaube ich lange nicht bewusst, wie tief unser Herzensverein gesunken ist. Mir geht es mittlerweile ähnlich, dass man von den Kollegen nur noch für seine VfB-Leidenschaft bemitleidet wird. Und wenn ich schon wieder sehe, wie man es sich beim VfB nach den beiden Unentschieden auf dem letzten Tabellenplatz behaglich macht und sicher ist, dass es schon irgendwie aufwärts gehen wird, egal ob mit Kramny oder jemand anderem, dann läuft es mir kalt den Rücken runter.
Gruß,
Lennart
Da kommen einem ja fast die Tränen, ist aber sehr gut geschildert. Habe das Problem mit meinem Neffen, der mit Mario Gomez zu den Bayern abgewandert ist und seither fast schon pikiert reagiert, wenn ich ihm vom VfB Autogramme oder sonst etwas mitbringe. Ich gebe nicht auf! Vor allem wenn man weiß, wie gemein kleine Kinder sein können, ist es allzu verständlich, dass sie es nicht ertragen, ständig gefrotzelt und gehänselt zu werden, wenn sie das Loser-Trikot anhaben. Wir auf der Arbeit können und müssen es aushalten. Ich bspw. verfalle auch nur noch in Sarkasmus und Ironie, die guten Argumente pro VfB sind einem längst ausgegangen. Beim VfB ist mittlerweile alles schlecht geworden. Vorstand, Management, die “Mannschaft” und der Service. Wäre der VfB ein Handelsunternehmen würde ich meine Waren schon lang woanders her beziehen, so oft wie ich schon enttäuscht und verarscht wurde. Die Liebe zu einem Fußball-Verein dauert i. d. R. aber ein ganzes Leben, Verantwortliche und Spieler kommen und gehen, der Brustring und auch die Fans bleiben. Jedoch, auch das hast Du richtig beschrieben, sie sterben nach und nach aus. Es gibt doch weitaus billigere und vergnüglichere Freizeitbeschäftigungen anstatt sich das anzutun, was uns mittlerweile seit Jahren geboten wird. Unter Zorniger waren die Spiele wieder schön anzuschauen, da bin ich seit langem mal wieder gerne ins Stadion gegangen, auch wenn die Entlassung wohl wegen seiner Sturheit unvermeidlich war. Jetzt aber kehren wir wieder zu einem Stil zurück, bei dem wir dachten, er gehöre der Vergangenheit an. Mit Fußball hat das wenig zu tun. Krampf, Arbeit, zerstören anstatt Inspiration, Kunst und Spielfreude.
Ich gehe nach wie vor zu jedem Spiel, daheim und auch auswärts, schon lang aber nicht mehr wegen den Göttern mit dem Brustring, sondern wegen dem Drumherum, den Leuten, meinem Fanclub, den Stadien, der Atmosphäre. Das ist das, was mich noch dazu bewegt, nicht mehr, aber auch nicht weniger!