Zum Endspiel war es auserkoren worden, das Spiel des VfB gegen Werder Bremen. Und es schien eine Halbzeit lang auch so, als wollten die VfB-Spieler dieses Endspiel auch gewinnen. Am Ende wurden die drei Punkte jedoch wieder verschenkt, was daran zweifeln lässt, dass man auf dem Platz den Ernst der Lage begriffen hat.
Zugegebenermaßen: Warum und für wen am 15. Spieltag bereits ein Endspiel stattfindet, erschließt sich dem Betrachter nicht so richtig. Der Klassenerhalt wird von diesem Spiel nicht abhängen und auch für Jürgen Kramny dürfte es nach zwei Spielen noch nicht vorbei sein. Nichtsdestotrotz ist eine Partie gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf, der mit einer Derby-Niederlage und einer 0:6‑Klatsche im Hinterkopf angereist kommt, natürlich eine Standortbestimmung.
Der VfB setzte nahm diese Herausforderung auch eine Halbzeit lang an. Zwar hatte man beim nicht gegebenen Elfmeter für Ujah Glück, dass der Schiedsrichter gleich zwei richtig dämliche und vor allem zu späte Tacklings übersah. Dennoch hatte man das Spiel einigermaßen unter Kontrolle und erspielte sich ein paar Konterchancen, mit denen man die Gäste unter Druck setzen konnte. So fiel dann auch das 1:0, als Kostic auf die Reise geschickt wurde und mit einer Flanke von der Grundlinie Lukas Rupp bedienen konnte, der VfB endlich mal wieder in Führung brachte. Auch der Rest der ersten Halbzeit sah noch vielversprechend aus. Es war ein hartes Spiel und es würde am Ende auch ein dreckiger Sieg, aber es deutete nur wenig darauf hin, dass man auch in diesem Spiel die Punkte am Ende wieder bereitwillig herschenkte.
Bremen will den Ausgleich, der VfB, dass es bald vorbei ist
Rupp merkte nach dem Spiel an, man habe schon vor der Halbzeit etwas nachgelassen, um hinterher zu schieben, er wisse nicht, warum. Diese Aussage ist mindestens ebenso erschreckend wie das Spiel des VfB nach der Pause. Bremen kam offensichtlich mit dem klaren Vorhaben, den Rückstand auszugleichen, aus der Kabine. Beim VfB dachte man sich, trotz laut Christian Gentner anderslautender Ansage von Trainer Kramny, dass ein 1:0 ja auch eine passable Führung sei und dass das schon irgendwie gut gehen werde. Und so spielten sie auch. Kaum noch Druck nach vorne, hinten mit zunehmender Unkonzentriertheit. Angriffe wurden nicht mehr sauber zuende gespielt und man kreierte nicht mal annähernd so klare Chancen wie in der ersten Habzeit. Folgerichtig kassierte man nach einer verunglückten Abwehraktion den Ausgleich und verlor am Ende zwei wichtige Punkte.
Kritisieren kann man nun nur bedingt die Entstehung des Gegentores. Abgefälschte Schüsse, die plötzlich einem Stürmer im Fünfmeterraum vor die Füße fallen, sind für jede Mannschaft der Welt schwer zu verteidigen. Was aber eindeutig kritikwürdig ist, ist das Einstellen organisierter Offensivbemühungen. War Timo Werner wie schon in Dortmund so auch hier häufig alleine von Gegenspielern umstellt, so erhielt er in der ersten Halbzeit wenigstens ein wenig Unterstützung durch Filip Kostic und Daniel Schwaab auch den Flügeln. In der zweiten Halbzeit zog sich aber die gesamte Mannschaft nicht nur taktisch, sondern auch spielerisch zurück.
Selbstkritik ist ohne Umsetzung wertlos
Neu ist das alles nicht. Ich habe aufgehört, die Spiele zu zählen, in denen die VfB-Spieler gerade das nötigste machten, um in Führung zu gehen und anschließend für den Rest der Partie geradezu darum bettelten, man möge ihnen doch bitte Spiel und Führung aus der Hand nehmen. So auch dieses Mal. Immer gefährlicher kamen die Bremer, die dem Konterfußball des VfB ein schnödes Kick and Rush entgegensetzten, vors Tor, bis es schließlich schief ging.
Und gerade weil ein solcher Spielverlauf für VfB-Fans nichts Neues ist, kann man sich als solcher des Eindrucks nicht erwehren, die Mannschaft haben — erneut — nicht alles getan, um den vierten Sieg im 15. Saisonspiel einzufahren. Wenn Spieler nach dem Spiel anmerken, man habe “nachgelassen”, könnte man ja denken, sie seien sich bewusst, dass sie etwas falsch gemacht haben. Aber es ist ein bißchen wie mit der Generalkritik von Daniel Didavi nach dem Dortmund-Spiel oder Martin Harnik selbstkritischer Haltung. Erzählen und Sachen eingestehen können die Spieler viel (von Daniel Schwaab vielleicht einmal abgesehen), ändern tut sich auf dem Platz nur wenig.
Ist man also gewillt, dass Spiel letzte Woche als Streichergebnis zu betrachten, dann wäre heute die Chance gewesen, es allen zu zeigen: Dass sie viel besser spielen können, als sie es bisher gezeigt haben. Dass es eventuell nicht an ihnen lag, wenn sie Punkte verschenkten, sondern an einem Spielsystem, dass ihnen nicht genehm war. Es scheint aber so, als wäre sogar die sehr, sehr kontrollierte Offensive, wie man sie schon aus Stevenschen Zeiten kennt, so anstrengend, dass man sie nicht über 90 Minuten durchhalten könne. Jürgen Kramny versuchte das Verhalten seiner Mannschaft nach dem Spiel mit Verlustängsten um die Führung zu erklären. Warum aus dieser Angst am Ende nicht der Wille resultierte, zumindest so viel nach vorne zu veranstalten, dass man die heiß geliebte Führung eventuell ausbauen könnte, bleibt offen.
Mit höchstens 14 Punkten in die Winterpause
Und auch wenn die gesamte Sky-Redaktion die Brustringträger nach dem Spiel davon zu überzeugen versuchte, sie hätten ein gutes Spiel gemacht, bleibt unter dem Strich aus dem Sechs-Punkte-Spiel nur ein Punkt hängen, mit dem der VfB sich zwar an Stevens und Hoppenheim vorbeischiebt, insgesamt aber keine großen Sprünge macht. Es stellt sich die Frage, gegen welche Mannschaft die Spieler mit dieser “Ein gutes Pferd spring nur so hoch, wie es muss”-Einstellung gewinnen wollen. Zwei Punktspiele stehen noch aus, eins, in dem man realistischer Weise mit Punkten rechnen kann. Im besten Fall kann man jetzt noch mit 14 Punkten in die Winterpause gehen. Wenn es gut läuft, erinnert sich die Mannschaft noch der Zeiten, als man zumindest nach der Winterpause den Ernst der Lage erkannt hatte. Momentan sieht es danach noch nicht aus.