Der VfB steigt nach 41 Jahren zum zweiten Mal in die 2. Bundesliga ab. Überrascht hat es an diesem 14. Mai 2016 keinen mehr. Erschreckend war der Auftritt in der VW-Stadt dennoch.
Am Ende war es dann eh egal, weil die VfB-Spieler — verdientermaßen — keine Schützenhilfe von der Eintracht aus Frankfurt bekamen. Gefühlt war man ja sowieso schon am Samstag zuvor in Mainz abgestiegen, als man es nicht fertig brachte, aus einer 1:0‑Führung genug Energie und Überlebenswillen zu ziehen, um sich wie im letzten Jahr vielleicht doch kurz vor Saisonende nochmal zu retten. Und so machte es sich die Mannschaft auch in Wolfsburg in der Rolle bequem, die sie seit Jahren schon so gut kennt: “Ja gut, wir haben es halt probiert, hat nicht geklappt, ist jetzt halt so”.
Die Spieler haben nichts begriffen
Nach 30 Minuten stand es trotz aller Lippenbekenntnisse und allem Phantasieren vom “Wunder von Wolfsburg” bereits 2:0 für die Gastgeber. Die Spieler sprinteten zwar noch alibimäßig ein paar Pässen des Gegners hinterher, aber im Grunde war es jedem Betrachter schon in der ersten Halbzeit des letzten Saisonspiels klar: Diese Mannschaft würde den Klassenerhalt auch nicht schaffen, wenn sie noch drei Spiele Zeit hätte. Weil sie selbst in der Endphase der Saison nicht begriffen hat, was bei einem Abstieg für den Verein auf dem Spiel steht. Weil es ihnen teilweise einfach egal ist.
Immerhin: Daniel Didavi sorgte mit seinem letzten Tor für den VfB dafür, dass die Vorstandsetage der Volkswagen AG erleichtert aufatmen konnte. War Dida in den letzten Spielen noch mit dem Rest der Mannschaft abgesoffen, präsentierte er sich mit einem direkt verwandelten Freistoß seinem neuen Arbeitgeber nochmal als der Spieler, den sie in ihm sehen. Für uns Fans ist es natürlich eine feine Ironie, dass wir sechs Jahre auf einen direkt verwandelten VfB-Freistoß warten müssen und dieser dann just das letzte Bundesliga-Tor für mindestens ein Jahr ist.
Verein und Fans im Stich gelassen
Und so war das letzte Spiel der Bundesliga-Saison 2015/16 ein Sinnbild für die gesamte Saison, ja die gesamten letzten drei Jahre. Eine Ansammlung von Spielern, die überheblich und unmotiviert Fans und Verein im Stich lässt und nun endgültig in der zweiten Liga versenkt hat. Die ab und zu mal ihr Können aufblitzen lassen, aber auch nur dann, wenn es ihrem eigenen Ego oder der Verhandlungsposition in der nächsten Gehaltsverhandlung nutzt. In der jeder sich auf den anderen verlässt und alle am Ende auf Christian Gentner. Weil der ja schon so lange im Verein ist.
Ich haue ja, der ein oder andere Leser wird es schon gemerkt haben, immer gerne auf die Mannschaft ein. Weil sie es am Ende sind, die die Spiele auf dem Platz verlieren. Kein Kramny, kein Dutt, kein Wahler kann etwas daran ändern, wenn Martin Harnik in seiner ihm eigenen Lässigkeit den Ball aus 11 Metern auf die Latte lupft. Aber auch Kramny und Dutt haben ihren gehörigen Anteil an diesem Abstieg. Kramnys Segen und zugleich sein Fluch war die Siegesserie im Winter. Keine Ahnung, warum die Mannschaft in diesen Spielen plötzlich ihre Bequemlichkeit hinter sich ließ, auf jeden Fall bestärkte sie damit nur den gesamten Verein in seiner Nicht-Leistungskultur.
Bitte nicht zu viel Druck!
Denn wenn beim VfB irgendetwas Tradition hat in den letzten Jahren, dann ist es das Fehlen jeglichen Drucks auf die Mannschaft. Da werden Spieler verpflichtet, die weder als Stammkraft, noch als Ansporn für die Stammkräfte zu gebrauchen sind. Da werden Trainer und Manager gefeuert, anstatt endlich mal die Mannschaftshierarchie aufzubrechen und den Spielern den Laufpass zu geben, die es sich mit ihrer “Klappt schon irgendwie, ist ja immer gut gegangen”-Einstellung im Brustring schön bequem gemacht haben.
Der Abstieg bietet jetzt endlich diese Chance und das ist vielleicht auch der einzige positive Effekt dieser Katastrophe. Zunächst greifen natürlich erstmal die üblichen Mechanismen. Bernd Wahler, dem sein optimistischer Blick in die Europapokal-Zukunft immer noch nachgetragen wird, ist am Sonntag schon mal vorsorglich zurück getreten. Jürgen Kramny war als Trainer nach dem Abstieg sowieso nicht mehr zu verkaufen und Robin Dutt steht auch schon auf der Abschussliste. Ich bin gespannt, wie der Verein, dessen einziger handlungsfähiger Akteur jetzt der Aufsichtsrat ist, nun die Weichen für die kommende Saison und die zweite Liga stellt.
Heute an morgen denken
Der VfB braucht jetzt eine hungrige Mannschaft mit einem erfahrenen Trainer, die unbedingt den sofortigen Wiederaufstieg will. Jetzt werden die Entscheidungen für die nächsten fünf Jahre getroffen: Kommt man sofort wieder hoch und bleibt oben? Wird man zum Fahrstuhlverein? Oder versauert man im Unterhaus wie der 1. FC Kaiserslautern?
Mein Zutrauen nicht nur in die Spieler, auch in die handelnden Personen am Wasen rotiert momentan um den Nullpunkt. Natürlich werden da jetzt viele Namen durch die Gerüchteküche gejagt und wir werden uns hüten, sowohl im Blog, wie auch im Podcast jeden einzelnen dieser Namen zu kommentieren. Dafür ist zur Zeit viel zu viel im Umbruch. Schaut man sich aber die Vorgänge im Verein in den letzten Jahren an, kann einem Angst und Bange werden.
Keiner übernimmt Verantwortung. Wenn es nicht läuft, wird schnell entlassen oder zurückgetreten. Keiner fühlt sich dafür verantwortlich, dass es mit dem Verein wieder nach oben geht. Außer uns Fans. Und wir können nur hilflos im Block stehen, Spieler, Trainer und Manager verwünschen und mitansehen, wie etwas passiert, was ich mir in den 20 Jahren, in denen ich jetzt VfB-Fan bin, nie so richtig vorstellen konnte und auch immer noch nicht vollständig realisiert habe: Der VfB ist in die zweite Liga abgestiegen.
Abstieg ist immer scheiße
Dieser Abstieg ist auf so vielen unterschiedlichen Ebenen einfach nur bitter. Mal ganz abgesehen von der Häme, die einem jetzt von Fans anderer Vereine zuteil wird: Der VfB ist jetzt, obgleich er in der 2. Liga zu den Schwergewichten gehört, eine Nummer kleiner. Nicht mehr Seite 1 in der überregionalen Sportpresse, in der Sportschau taucht er auch nicht mehr auf. Gute Spieler werden in Zukunft einen noch größeren Bogen um den Verein machen. Sicherlich ist es reizvoll, bei Traditionsvereinen auswärts anzutreten. Gleichzeitig heißt das aber auch Heimspiele vor 20.000 Menschen gegen Sandhausen. Das kennt man in Stuttgart eigentlich nur aus dem Pokal.
“Ihr macht uns lächerlich!”
Man kennt ja die typischen Bilder des letzten Spieltags. Am Boden zerstörte Fans weinen auf der Tribüne in ihre Schals, versuchen das Unfassbare zu verarbeiten. im Gästeblock des VW-Stadions bot sich am Samstag ein anderes Bild.
Wir können nicht mehr weinen. Stattdessen sang der Block: “Ihr macht uns lächerlich”. Denn unsere Tränen wurden in den letzten drei Jahren ausgetrocknet. Unsere Trauer wurde durch Wut ersetzt. Wut auf Spieler, Trainer, Manager, Finanzvorstände, Aufsichtsräte und Aufsichtsratsvorsitzende, die den Verein nicht nur zur Schießbude, sondern auch zur Lachnummer der Liga und jetzt zu einem Zweitligisten gemacht haben.