Der VfB belohnt sich für ein engagiertes Spiel gegen Mönchengladbach mit drei Punkten und dem Sprung auf Platz 15. Der Spielverlauf und die Ergebnisse der Konkurrenz zeigen aber: der gute Weg zum Klassenerhalt, auf dem die Mannschaft ist, ist noch lang und voller Windungen.
Als Schiedsrichter Tobias Welz die schon üppig bemessene und nochmal unnötig um zwei Minuten verlängerte Nachspielzeit endlich abgepfiffen hatte, war da vor allem Erleichterung. Darüber, dass sich die Mannschaft für ihr streckenweise überlegen geführtes Spiel gegen eine erst relativ harmlose und dann unterzählige Gladbacher Mannschaft am Ende doch belohnt hatte. Dass selbst die teilweise haarsträubende Chancenverwertung und die noch haarsträubendere Handbewegung von Daxo Zagadou den Heimsieg nicht verhindern konnten. Dass der VAR zwar viel zu häufig zum Einsatz kam, aber immerhin zugunsten des VfB entschied. Und dass Tanguy Coulibaly Nerven aus Stahl hat.
Aus Gladbacher Sicht könnte man nun behaupten, die drei Punkte hätten die Brustringträger vor allem jenem Schiedsrichter zu verdanken, der zuerst erkannte, dass Millots Pass nicht von Waldemar Anton zu ihm zurück kam, sondern von seinem Gegenspieler Neuhaus und deshalb…
Millot spielt den Ball nach hinten, dann bekommt er ihn zurück. Wäre Anton zuletzt am Ball gewesen, hätte ein Abseits vorgelegen. Der Ball kam aber von Neuhaus. Ob unkontrolliert oder nicht, ist unerheblich, weil sich Millot nicht durch einen Pass selbst ins Abseits stellen kann. https://t.co/AUsPzSpznX
— Collinas Erben (@CollinasErben) April 29, 2023
… und später Ko Itakura noch die rote Karte zeigte und dem VfB einen Elfmeter zusprach, der ihm nicht nur die spielentscheidende Führung und eine Überzahl, sondern am Ende auch die drei Punkte bescherte. Dann würde man aus Gladbacher Sicht aber außer acht lassen, dass es abgesehen von zwei stark von Fabi Bredlow parierten Chancen vor allem die eben erwähnte ungelenke Handbewegung von Zagadou war, die die Borussia überhaupt ins Spiel zurück kommen ließ. Denn bis dahin hatte der VfB das Spiel eigentlich ziemlich gut im Griff und das trotz der ebenso erwähnten Chancenverwertung und den teils unerklärlichen Stockfehlern.
Nicht falsch verstehen — ich lese auf Twitter bisweilen, ich würde ja immer nur meckern: Der VfB hat ein gutes Spiel gemacht und hätte schon allein aufgrund des Engagements und der Vielzahl an Chancen und der Lustlosigkeit einer dem Saisonende entgegen stolpernden Gladbacher Truppe den Sieg verdient gehabt. Aber genausowenig, wie Schalke oder Bochum den VfB in der Tabelle einfach so davon ziehen lassen, werden die letzten Spiele dieser Saison ein Spaziergang. Immer wieder merkte man der Mannschaft in diesem Spiel an, dass sie wusste, wie viel auf dem Spiel steht, und wie sehr sie das bisweilen lähmt. Sebastian Hoeneß vielleicht größter Verdienst ist, dass er es schafft, die Mannschaft aus dieser Schockstarre wieder rauszuholen, in die sie bisweilen verfällt, was man daran merkt, dass Angriffe verschleppt oder ganz abstruse Fehlpässe im Mittelfeld gespielt werden. Fabi Bredlow sagte kürzlich in einem Interview: “Es gab davor auch eine Phase, in der man das Gefühl hatte, der ein oder andere möchte jetzt nicht unbedingt den Ball bekommen.” Er spricht die Angst vor Fehlern an, die die Mannschaft schon länger begleitet und die in Labbadias auf Fehlervermeidung ausgerichtetem Spiel besonders eklatant zutage trat.
Diese Angst wird die Mannschaft wohl in dieser Saison nicht mehr komplett ablegen, aber sie muss lernen damit umzugehen. Dass die schwachen Leistungen in dieser Saison — neben einer Phase gescheiterter Personalexperimete und individuellen Mängeln — vor allem einem Kopfproblem geschuldet sind, liegt auf der Hand. Der Mannschaft fehlt es in der Breite nicht an der spielerischen Qualität für den Klassenerhalt. Sie braucht nur die richtigen Impulse von außen und ist davon wesentlich abhängiger als manch anderer Ligakonkurrent. Diese, nennen wir es mal emotionale Instabilität, führt aber auch dazu, dass die Brustringträger in der Lage sind, eine Erfolgswelle ein Stück zu reiten, wenn sie nur hoch genug ist. Nachdem man unter Matarazzo gar nicht gewann, unter Wimmer sehr wechselhaft agierte und unter Labbadia dann bis auf eine Ausnahme wieder gar nicht gewann, ist man seit Hoeneß Amtsantritt ohne Niederlage, also seit mittlerweile vier Liga- oder fünf Pflichtspielen.
Wird uns diese Welle auch ins Pokalfinale tragen? Emotional wird es am Mittwoch auf jeden Fall, schließlich hast Du nicht in jedem Spiel die Chance, in ein Pokalfinale einzuziehen. Die Frage ist, ob diese Chance die Mannschaft eher beflügeln oder lähmen wird und was Frankfurt damit anstellt. Gleichzeitig wäre das Pokalfinale und die damit verbundenen zusätzlichen Einnahmen aus sportlicher Sicht vor allem ein Zubrot, denn viel wichtiger ist das Auswärtsspiel beim nun schon sechs Punkte hinter dem VfB liegenden Tabellenletzten Hertha. Dank Dortmunder Meisterschaftsaversionen und Sascha Stegemann ist der VfB nur punktgleich mit Bochum, dahinter drückt Schalke, die mit einer ähnlichen Emotionalität daher kommen. Im besten Fall nimmt die Mannschaft das Halbfinale als Belohnung für die Leistungen der letzten Wochen und macht ergebnisunabhängig das Beste draus. In Berlin musst Du gewinnen, wenn Du die Klasse halten willst, aber danach stehen noch schwere Spiele gegen Leverkusen und in Mainz an, bei denen du hoffen musst, dass zumindest nicht beide verloren gehen und die Konkurrenz nicht außer der Reihe punktet. So viel zum Sportlichen.
Bla. Natürlich will ich wieder nach Berlin am 3. Juni! Und natürlich will ich, dass die Mannschaft am Mittwoch und am Samstag ihr Herz auf dem Platz lässt und überhaupt nicht mehr aufhört, endlich an ihre Grenzen und darüber hinauszugehen, bis das Heimspiel gegen Hoffenheim abgepfiffen ist, der VfB in der Bundesliga geblieben ist und wir sportlich endlich mal eine lang verdiente Verschnaufpause haben. Was könnten das, nein was werden das für emotionale Wochen werden. Das Elfer-VAR-Drama am Samstag hat mir schon den letzten Nerv geraubt. Und diese Nachspielzeit. Lasst bitte nicht nach Jungs. Holt Euch die Punkte, egal wie, und holt Euch das Pokalfinale!
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Titelbild: © Alexander Hassenstein/Getty Images