Ein offener Brief an den Aufsichtsrats- und den Vorstandsvorsitzenden der VfB Stuttgart 1893 AG
Lieber Claus Vogt, lieber Thomas Hitzlsperger,
über ein Jahr ist es nun her, dass die schlimmste Zeit in meiner über 20jährigen weiß-roten Fankarriere und in den knapp 15 Jahren Mitgliedschaft im Verein für Bewegungsspiele zuende ging. Nein, ich rede nicht vom zermürbenden Abstiegskampf 2019, der in der schlechtesten Bundesligasaison der Vereinsgeschichte endete. Ich rede von der Amtszeit von Ex-Präsident Wolfgang Dietrich. Von den Halb- und Viertelwahrheiten, was seine finanziellen Verstrickungen mit Geldgebern von VfB-Konkurrenten angeht. Von seiner peinlichen Abgehobenheit und Überheblichkeit in sportlichen Zielsetzungen. Von seiner erratischen Personalpolitik, die zuletzt nur noch vom Impuls getrieben zu sein schien, das eigene Amt zu retten. Und von seinem Umgang mit Fans und Mitgliedern vor, während und nach der Kampagne zur Ausgliederung im Jahr 2017, deren Claim “Ja zum Erfolg” diesen Umgang schon ziemlich trefflich darstellt.
Die Debatten über Sinn und Unsinn einer Ausgliederung sind geführt, die will ich nicht wieder neu aufrollen. Was aber weiterhin thematisiert werden muss, ist das, was nach der Amtszeit von Wolfgang Dietrich, nach dem 14. Juli 2019 bleibt. Wie im heute erschienenen Kicker-Artikel von Benjamin Hoffmann zu lesen ist und schon vor einer Weile bei den Podcast-Kollegen von VfB STR zu hören war, hielt man es in der Vergangenheit für eine gute Idee, die Mitglieder nicht transparent über die Vorteile und Nachteile einer Ausgliederung in eine AG zu informieren, sondern sich stattdessen die Reichweite einer Facebook-Seite zunutze zu machen. Drauf stand “Fokus VfB” drin war “VfB Stuttgart 1893 e.V.”. Zu diesem Zweck wurden auch, so ist zu lesen, mehrfach persönliche Daten von VfB-Mitgliedern und Fans an den Betreiber der Seite weitergegeben. Von Mitarbeitern der von Euch beaufsichtigten und geleiteten VfB AG, die auch heute noch in der Mercedesstraße arbeiten.
Wurden die Daten lediglich an einen Dienstleister weitergegeben, um Mitgliedern über Vereinsmedien zielgruppenspezifische “Informationen” zur Ausgliederung zukommen zu lassen? Das alleine wäre schon eine ziemliche Unappetitlichkeit, bedenkt man, dass es hier um das Fortbestehen des e.V. In seiner bisherigen Form ging. Auch wenn es in der Marketing-Kommunikation Usus sein mag. Oder wurden der gleichen Person persönliche Daten übermittelt, um damit gezielt Mitglieder auf Facebook anzusprechen? Der Kicker-Artikel lässt beide Interpretationen zu und eine ist mir so zuwider wie die andere. Denn es wird deutlich, dass aus Sicht der Verantwortlichen beim VfB alles dafür getan wurde, die Ausgliederung umzusetzen.
Grundsätzlich ein legitimes Anliegen, über das bereits trefflich gestritten wurde. Aber die Art und Weise, wie Mitglieder nicht nur unter offizieller, sondern auch unter falscher Flagge manipuliert werden sollten lässt mich sprachlos zurück. Dass persönliche Daten scheinbar zum Abgleich mit Facebookprofilen weitergegeben wurden, wie im Kicker-Artikel berichtet, ohne einen genau zu terminierenden Auftragsdatenverarbeitungsauftrag, ist genau die Art von Vertrauensbruch, die stilprägend war für die Amtszeit von Wolfgang Dietrich.
Wer sich aber die im Kicker-Artikel beschriebene Zeitschiene anschaut, dem wird deutlich, das Wolfgang Dietrich letztlich auch nur ein Symptom der Geringschätzung war, die man seinen Mitgliedern beim VfB in der Vergangenheit entgegen gebracht hat. Schließlich wurde uns Mitgliedern im Herbst 2016 seitens des damaligen Aufsichtratsvorsitzenden eingebläut, wer Wolfgang Dietrich nicht wählen und den Aufsichtsrat abwählen wolle, lege den Verein in Schutt und Asche. Und auch die Weitergabe der Mitgliederdaten sowie das Konzept eines “glaubwürdigen Guerilla-Marketings” stammen aus der Zeit vor Wolfgang Dietrich.
Mit Euren Amtsantritten habe ich die Hoffnung verbunden, dass der VfB von einem “Klepperlesverein” wieder zu einem respektablen Club wird, in dem man sich auf Augenhöhe begegnet, so transparent wie es der Profifußball eben ermöglicht miteinander umgeht und als Mitglied eben nicht manipuliert, beschimpft oder geringgeschätzt wird. Euer bisheriges Engagement sowie den Eindruck, den ich von Euch gewinnen konnte, bestärken mich grundsätzlich in dem Glauben, dass es beim VfB besser und anders wird als in den letzten Jahren.
Umso wichtiger ist jetzt, dass man mit Fehlern, die aktuelle und ehemalige Funktionäre sowie Mitarbeiter des Vereins gemacht haben, egal ob rechtlicher oder moralischer Natur, transparent und offen umgeht. Sich als Verein, bzw. AG entschuldigt, auch wenn man als Person nicht beteiligt war. Mechanismen einführt, die ein solch fragwürdiges Verhalten in der Zukunft verhindern. Und in seiner Rolle als Führungskraft prüft, wie man mit solchem Verhalten bei seinen Mitarbeitern umgeht. Nur so viel: Den Bock zum Gärtner zu machen und ihn verlautbaren zu lassen, man könne sich an Mails und Verträge nicht erinnern, ist dabei schon mal kein guter Anfang.
Ich bitte Euch nicht nur, dass Ihr Euch über die angesprochen Punkte und Handlungsvorschläge Gedanken macht, ich erwarte es auch und ich erwarte von meinem Verein eine angemessen Reaktion auf die im Kicker-Artikel angesprochenen Sachverhalte, die über die datenschutzrechtliche Problematik, die jetzt sicher auf den Verein zukommen wird, hinausgeht. Die blieb nämlich nach der Veröffentlichung der Folge von VfB STR leider aus.
Wir alle wollen, dass das Miteinander beim VfB wieder besser wird, damit der VfB wieder besser wird. Dazu muss jeder seinen Beitrag leisten.
Mit weiß-roten Grüßen
Lennart von Rund um den Brustring
PS: Vielen Dank schon einmal für diese wichtige erste Reaktion.
Liebe VfB-Fans, wir nehmen https://t.co/RBwxsMQoZG sehr ernst. Inhaltlich werden wir Stellung beziehen, sobald uns entsprechende Informationen zur Verfügung stehen. Bis dahin bitte ich um Verständnis und einen fairen Umgang.
— Thomas Hitzlsperger (@ThomasHitz) September 28, 2020
Titelbild: © imago