Der VfB scheidet in Leverkusen aus dem DFB-Pokal aus und nutzt das Spiel vor allem als Versuchslabor.
Pascal Stenzel auf links, Wataru Endo in der Innenverteidigung, dazu die Debüts von Lilian Egloff und Clinton Mola: Sicherlich waren diese Wechsel auch durch die Verletzungsmisere bedingt, die die Hintermannschaft des Vereins mit dem Brustring gerade heimsucht. Beim Pokalaus in Leverkusen wurde am Mittwochabend aber auch deutlich, dass Pellegrino Matarazzo gewollt war, Sachen auszuprobieren, die ihm vielleicht in einem Punktspiel zu heikel wären. Denn im Endeffekt war schon bei der Auslosung im letzten Jahr klar, dass der VfB, der schon in der zweiten Liga gerade keinen allzu sicheren Boden unter den Füßen hatte, es schwer haben würde, auswärts beim aktuell Tabellenfünften der Bundesliga weiterzukommen.
Zur Abwechslung mal Konter
Gemessen an diesen Erwartungen machten die Brustringträger es — wie so häufig — sehr gut. Nicht nur für junge Talente wie eben Egloff, Mola, aber auch Klimowicz und den zum zweiten Mal in Folge von Beginn an spielenden Roberto Massimo war diese Partie ein Testlauf. Auch der Trainer konnte eine Spielform ausprobieren, die er in den bisherigen zwei Ligaspielen nicht anwenden konnte und die wohl auch nach diesem Spiel erstmal wieder in der Mottenkiste landen wird: Konterfußball. Wie Bayer-Experte Dorian im Gegnerinterview vor dem Spiel schon angekündigt hatte, waren die Leverkusener anfällig bei Ballverlusten und schnellem Umschaltspiel des Gegners. Das machten sich vor allem Silas Wamangituka und Nicolas Gonzalez mit ihrer Schnelligkeit zunutze und auch der Rest der Mannschaft war hellwach, wenn es darum ging, den Hausherren in deren Offensivbewegung den Ball abzuluchsen. Auch defensiv ging das Experiment mit der notwendigerweise umgebauten Viererkette einigermaßen gut. Zwar kam Leverkusen dennoch zu Chancen und auch zu knapp aus dem Abseits erzielten Toren, am Ende war es aber der VfB, der sich die Eier mehr oder minder selber ins Nest legte. Fabian Bredlow gab zwar an, durch eine Berührung aus dem Gleichgewicht gekommen zu sein, für mich wirkte es aber eher, als habe er die Flugbahn des Balles einfach falsch eingeschätzt und dafür entschieden, den Ball trotzdem rauszufausten, anstatt einen Schritt zurück zu machen und das Tor dennoch zu kassieren. Beim zweiten Gegentor war es vor allem Pech, dass Lucas Alario genau da stand, wo Bredlow den Ball zur Seite hin abwehrte.
Erst die Hausaufgaben: Präzision und Chancenverwertung
Erfrischendes Umschaltspiel, Konterfußball, junge Talente — ein Blick in die Zukunft des VfB in der Bundesliga also? Erstmal müssen wir unsere Hausaufgaben im Hier und Jetzt machen. Und dazu zählt bei aller Freude über die jugendliche Unbekümmertheit der VfB-Elf am Mittwochabend auch das Passspiel und die Chancenverwertung. Viele Balleroberungen verpufften nämlich dadurch, dass der Mannschaft im Anschluss die Präzision in der Ballabgabe fehlte. Und auch wenn man jungen Spielern durchaus zugestehen darf, dass sie vor dem Tor nicht so kaltschnäuzig sind wie jemand mit mehr Erfahrung: Der VfB muss seine Chancen besser nutzen. Vielleicht wäre es auch sinnvoller gewesen, statt Mola und Egloff Stürmer wie Gomez und Al Ghaddioui einzuwechseln. Aber auch die zeigten in der jüngeren Vergangenheit nicht immer das, was man von ihnen zurecht erwarten konnte. Und wenn sich der leichte Trend aus den ersten beiden Spielen des Jahres fortsetzt, dass der VfB sich unter Matarazzo weniger Chancen erspielt als in der Hinrunde unter Walter, dann müssen diese wenigen Chancen konsequent genutzt werden, damit der VfB seine sportliche Fortentwicklung nicht verschlimmbessert. Um das mit Zahlen zu unterlegen: Bevor Walter nach dem Debakel in Hamburg seine Spielweise etwas konservativer gestaltete gab der VfB 17 Schüsse pro Spiel ab, davon knapp fünf aufs Tor. Interessanterweise ging die Zahl der Schüsse in den darauf folgenden Wochen hoch (18,75 davon 5,75 aufs Tor), auch der Anteil der Schüsse, die aufs Tor gingen, stieg von 29 auf 30,6 Prozent, genauso wie die Trefferquote von 30 auf 32 Prozent. In den drei Pflichtspielen im Jahr 2020 — zugegebenermaßen eine kleine Grundgesamtheit — kam der VfB nur 12,3 Schüsse, von denen 4 aufs Tor gingen. Durch das sehr effektive Spiel in Heidenheim liegt die Trefferquote noch bei 42 Prozent, aber auf St. Pauli sprang bei 13 Torschüssen, vier aufs Tor, eben nur der Treffer von Mario Gomez. Es ist wie gesagt ein leichter Trend, aber die Chancenverwertung ist und bleibt ein Thema.
Genauso wichtig ist der Umgang mit guten und damit zurecht mit Lob bedachten Leistungen. Ein starker Auftritt in Leverkusen bedeutet nicht automatisch eine ähnliche Darbietung in Aue oder die Woche darauf in Bochum. Viel zu häufig hat man sich in Stuttgart, nachdem man in der Außenseiterrolle über sich hinauswuchs, zurückgelehnt, im Glauben, wer es mit den Großen aufgenommen habe, brauche die Kleinen nicht zu fürchten. Das Pokalspiel war ein kurzer Ausflug in eine andere mögliche VfB-Welt. Am Samstag müssen wir wieder mit beiden Beinen auf dem Boden stehen.