Rund um das Pokalspiel in Leverkusen

Am Mitt­woch spielt der VfB im DFB-Pokal bei Erst­li­gist Bay­er Lever­ku­sen. Über das Spiel und die Lage beim Bun­des­li­ga­fünf­ten spra­chen wir mit Bay­er-Exper­te Dori­an (@Dorian1338) von der Rhei­ni­schen Post.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Dori­an und dan­ke, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Unse­re Leser ken­nen Dich ja noch aus Bun­des­li­ga-Zei­ten des VfB, des­we­gen reden wir direkt über den Pokal-Geg­ner am Mitt­woch. Lever­ku­sen steht nach 20 Spie­len mit 34 Punk­ten auf Platz 5. Wie wür­dest Du den bis­he­ri­gen Sai­son­ver­lauf der Mann­schaft beschrei­ben?

Dori­an: Eigent­lich ist Bay­er im Soll, hat aber ange­sichts der unge­wöhn­li­chen Tabel­len­kon­stel­la­ti­on mit einer sehr sta­bi­len Top-Vier-Grup­pe Schwie­rig­kei­ten, wenn es dar­um geht, den letz­ten Schritt Rich­tung Cham­pi­ons League zu machen. Immer, wenn sich die Mann­schaft in eine gute Aus­gangs­po­si­ti­on gebracht hat, um ganz oben angrei­fen zu kön­nen, folgt ein Rück­schlag. Ein gutes Bei­spiel dafür ist das 1:2 am Wochen­en­de in Hof­fen­heim. Mit einem Sieg wäre Lever­ku­sen wie­der mit­ten­drin gewe­sen, statt nur dabei. So aber ist der Rück­stand wie­der gewach­sen. Ähn­lich war es beim 2:2 gegen Bre­men oder dem 0:2 in Köln in der Hin­run­de.

Auf Platz 4 sind es bereits fünf Punk­te Rück­stand. Hat Lever­ku­sen die Qua­li­tät, sich noch in das Spit­zen­quar­tett und damit die Cham­pi­ons-League-Rän­ge rein­zu­schie­ben?

Qua­li­tät ist in der Mann­schaft defi­ni­tiv reich­lich vor­han­den – nicht nur wegen Kai Havertz, der in der Hin­run­de sein ers­tes gro­ßes Form­tief hat­te, nun aber wie­der auf dem Weg zu alter Stär­ke ist. Auch sonst ist der Kader mit Sicher­heit stark genug, um das Sai­son­ziel zu errei­chen – und das ist in Lever­ku­sen ja tra­di­tio­nell die Cham­pi­ons League. Trotz­dem muss man sagen, dass Mön­chen­glad­bach als das wohl noch am ehes­ten für Bay­er ein­zu­ho­len­de Team in die­ser Sai­son deut­lich sta­bi­ler zu sein scheint. Bei Mün­chen, Dort­mund und Leip­zig fehlt mir im Moment die Fan­ta­sie, mir eine nach­hal­ti­ge Schwä­che­pha­se vor­zu­stel­len, von der die Werks­elf ähn­lich wie in der ver­gan­ge­nen Sai­son pro­fi­tie­ren könn­te.

Die Verpflichtung von Moussa Diaby hat sich für Leverkusen gelohnt. © Getty/Bongarts
Die Ver­pflich­tung von Moussa Dia­by hat sich für Lever­ku­sen gelohnt. © Getty/Bongarts

Mit Juli­an Brandt hat man vor der Sai­son nur eine Stamm­kraft an Dort­mund abge­ge­ben, sich dafür mit Ami­ri und Demir­bay sowie Dia­by aus Paris ver­stärkt. Wie bewer­test Du die Trans­fer­po­li­tik des Ver­eins und was erwar­tet man sich von den Win­ter­neu­zu­gän­gen Pala­ci­os (von River Pla­te) und Tap­so­ba (von Gui­ma­r­aes)?

Juli­an Brandt war natür­lich kaum zu erset­zen. Sei­ne Fähig­keit, auch auf engs­tem Raum Lösun­gen auf dem Weg Rich­tung geg­ne­ri­sches Tor zu fin­den, fehlt nach wie vor. Weder Kerem Demir­bay noch Nadiem Ami­ri sind ver­gleich­ba­re Spiel­ty­pen, wobei Ami­ri zumin­dest schon ange­deu­tet hat, dass er gro­ßes Poten­zi­al hat. Moussa Dia­by war ein groß­ar­ti­ger Trans­fer. Er hat zwar etwas Zeit gebraucht, um sich an Bay­er, die Bun­des­li­ga und Deutsch­land zu gewöh­nen, aber sein Tem­po und sei­ne Dyna­mik sind eine Berei­che­rung. Wer sein Tor in Hof­fen­heim gese­hen hat weiß, was ich mei­ne. Bay­ers Trans­fer­po­li­tik ist cle­ver und meist schon ein Vor­griff auf die kom­men­de Sai­son. Durch Demir­bay, Ami­ri und Pala­ci­os hat sich der Klub wohl auch schon für die Zeit nach Havertz gerüs­tet, der ver­mut­lich im Som­mer den nächs­ten Schritt bei einem Top­klub wagen wird, aber frei­lich ähn­lich wie Brandt kaum zu erset­zen sein dürf­te. Die Win­ter­zu­gän­ge sind zwar eben­falls lang­fris­tig gedacht, sol­len laut Rudi Völ­ler auch schon in der Rück­run­de eine Hil­fe sein. Pala­ci­os hat in Test­spie­len bereits ange­deu­tet, dass er viel Qua­li­tät mit­bringt. Von Tap­so­ba habe ich noch kei­nen detail­lier­ten Ein­druck, aber er kommt mit vie­len Vor­schuss­lor­bee­ren nach Lever­ku­sen – und der für Innen­ver­tei­di­ger erstaun­li­chen Emp­feh­lung von vier Toren sowie zwei Vor­la­gen in 16 Spie­len für Gui­ma­r­aes. Ich bin auf sei­nen ers­ten Ein­satz gespannt. Klar ist aber auch, dass in der Innen­ver­tei­di­ger­hier­ar­chie Jona­than Tah und Sven Ben­der die Platz­hir­sche sind.

Und an wel­chen Posi­tio­nen fehlt es der­zeit noch im Kader?

Wenn man sich die letz­ten Spie­le anschaut, war die man­gel­haf­te Chan­cen­ve­wer­tung ein gro­ßes Pro­blem – trotz eigent­lich tor­ge­fähr­li­cher Spie­ler wie Kevin Voll­and, Leon Bai­ley, Karim Bel­lar­a­bi und Kai Havertz. Lucas Ala­rio hat sicher gewis­se „Knip­ser­qua­li­tä­ten“, aber er kommt nicht an Voll­and vor­bei, wenn es um einen Platz in der Start­elf geht. Hät­te Bay­er einen Angrei­fer, der aus der Viel­zahl an erspiel­ten Chan­cen zuver­läs­sig Tore macht, stün­de das Team sicher deut­lich bes­ser da. Aber Stür­mer mit die­ser Qua­li­tät sind schwer zu fin­den – und des­we­gen meist sehr teu­er. Den­noch ist es ein inter­es­san­tes Gedan­ken­spiel, wo Lever­ku­sen wäre, wenn sie einen Top-Voll­stre­cker wie Lewan­dow­ski oder nun auch Haa­land hät­ten.

Flexibler als man denkt: Trainer Peter Bosz. © Getty/Bongarts
Fle­xi­bler als man denkt: Trai­ner Peter Bosz. © Getty/Bongarts

Peter Bosz ist jetzt seit etwas mehr als einem Jahr Trai­ner in Lever­ku­sen. Wie bewer­test Du sei­ne Arbeit und hat sich sei­ne Spiel­wei­se im Ver­gleich zu letz­ter Sai­son geän­dert?

Er hat eine kla­re Spiel­idee und sei­ne Hand­schrift ist deut­lich erkenn­bar. Er legt viel Wert auf Ball­be­sitz und schnel­les, siche­res Pass­spiel, eine betont offen­si­ve Aus­rich­tung sowie schnellst­mög­li­che Rück­erobe­rung des Balls, wenn er ver­lo­ren geht. Er hat die rich­ti­gen Spie­ler­ty­pen für sei­ne Idee und ins­ge­samt habe ich das Gefühl, dass es zwi­schen Team, Trai­ner und Manage­ment sehr gut passt. Die Fans sehen Bosz etwas kri­ti­scher und wer­fen ihm in Sachen Start­elf und Tak­tik eine gewis­se Starr­sin­nig­keit vor, die Punk­te kos­tet. Aber bei genaue­rer Betrach­tung hat er sich bereits mehr­fach als tak­tisch fle­xi­bel erwie­sen, wech­selt je nach Per­so­nal zwi­schen 4–3‑3, 4–2‑3–1 und 3–6‑1. Die Kli­schees, die ihn seit sei­ner Zeit in Dort­mund beglei­te­ten, hat er mei­ner Mei­nung nach wider­legt. Abge­se­hen davon ist mir sein Ansatz sympha­tisch, Spie­le nicht nur gewin­nen, son­dern dabei auch die Zuschau­er begeis­tern zu wol­len. Das gelingt Bay­er unter sei­ner Regie frei­lich mal mehr, mal weni­ger gut.

Zur Abwechs­lung ist der VfB im Pokal mal kla­rer Außen­sei­ter, hat aber auch als pri­mä­res Sai­son­ziel den Wie­der­auf­stieg. Wie wich­tig wird das Ach­tel­fi­na­le in Lever­ku­sen genom­men? Sieht man hier auch eine Mög­lich­keit, sich für Euro­pa zu qua­li­fi­zie­ren, oder kon­zen­triert man sich eher auf die Liga?

Der Pokal wird in Lever­ku­sen sehr ernst genom­men. Rudi Völ­ler sag­te unlängst, dass es der schnells­te Weg zu einem Titel sei und auch eini­ge Spie­ler haben sich schon in die Rich­tung geäu­ßert, den Pokal gewin­nen zu wol­len. Die Sehn­sucht nach einem Titel ist gigan­tisch bei Bay­er – kein Wun­der, war der letz­te gro­ße Erfolg doch der Pokal­sieg 1993. Die Qua­li­fi­ka­ti­on für Euro­pa ist dabei eher sekun­där. Es geht tat­säch­lich um die Tro­phäe, den Tri­umph und das Pres­ti­ge.

Was sind denn die Stär­ken der Bay­er-Elf und wo könn­te der VfB sei­ne Außen­sei­ter-Chan­ce nut­zen?

Wenn sie unge­stört den Ball lau­fen las­sen und kom­bi­nie­ren kön­nen, wird es für jeden Geg­ner sehr schwie­rig. Zudem sind vor allem die Flü­gel­spie­ler mit teils extre­mem Tem­po unter­wegs. Aller­dings gibt es auch eine gewis­se Anfäl­lig­keit, wenn der Geg­ner früh stört, Ball­ver­lus­te erzwingt und schnell umschal­tet. Durch Bay­ers offen­si­ve Spiel­wei­se erge­ben sich zwangs­läu­fig immer wie­der Räu­me, wenn es schnell geht. Zudem habe ich den Ein­druck, dass sich die Mann­schaft schwer­tut, wenn der Geg­ner gif­tig und kör­per­be­tont auf­tritt. Auch, wenn es die abge­grif­fens­te aller Phra­sen ist: Der Pokal hat sei­ne eige­nen Geset­ze. Der Respekt vor Stutt­gart ist groß. Rudi Völ­ler sprach zuletzt von einer „im Grun­de Erst­li­ga­mann­schaft“.

Sie sehen sich erst im Mai wieder. © Getty/Bongarts
Sie sehen sich erst im Mai wie­der. © Getty/Bongarts

Gro­ßer Auf­re­ger beim letz­ten Auf­ein­an­der­tref­fen war der Platz­ver­weis für Sant­ia­go Ascací­bar nach der Spu­ck­at­ta­cke gegen Kai Havertz. Denkst Du, dass wird beim Spiel gegen Her­tha, wo Asca­ci­bar mitt­ler­wei­le spielt, noch­mal ein The­ma?

Das war völ­lig dane­ben von Asca­ci­bar und ich schät­ze, das weiß er auch. Dass das noch­mal ein grö­ße­res The­ma wird, kann ich mir aber nicht vor­stel­len. Dafür liegt zu viel Zeit und der Ver­eins­wech­sel dazwi­schen. Soll­te er aber noch­mal so unnö­tig hitz­köp­fig abge­hen, wird das sicher wie­der aus der Schub­la­de geholt.

Wel­che The­men beschäf­ti­gen denn die Fans der­zeit abseits des grü­nen Rasens?

Das Glei­che, wie vie­le ande­re Fans auch: zuneh­men­de Kom­mer­zia­li­sie­rung, Sinn oder Unsinn des Video­be­wei­ses, die Zukunft des Fuß­balls in einem immer aber­wit­zi­ge­ren Markt, zer­ris­se­ne Spiel­ta­ge von frei­tags- bis sonn­tag­abends, ver­schie­de­ne Abo­zwän­ge, um alle Spie­le sehen zu kön­nen – und die Befürch­tung, dass die Bun­des­li­ga inter­na­tio­nal den Anschluss ver­liert.

Abschlie­ßend: Dein Tipp fürs Spiel und für die Sai­son­zie­le Bay­ers?

Pro­gno­sen bei Pokal­spie­len sind immer schwie­rig, aber ich den­ke, dass sich Bay­er 2:0 durch­set­zen wird. Bei den Sai­son­zie­len wür­de ich mir Platz vier wün­schen, weil natür­lich auch für uns Repor­ter die Cham­pi­ons League ein High­light ist, hal­te aber nach der­zei­ti­gem Stand Platz 5 bis 8 für rea­lis­ti­scher.

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