Seriensieger

Der VfB gewinnt zum drit­ten Mal in Fol­ge mit 1:0, dies­mal gegen Ein­tracht Frank­furt. Wie lan­ge wird die­se fast schon unheim­li­che Serie anhal­ten?

Und wieder liegt der Ball früh im Tor. Bild: © VfB-Bilder.de
Und wie­der liegt der Ball früh im Tor. Bild: © VfB-Bilder.de

Eigent­lich könn­te hier die Zusam­men­fas­sung des Aus­wärts­spiels in Augs­burg ste­hen. Schon wie­der bezwin­gen die Brust­ring­trä­ger einen Geg­ner mit der glei­chen Masche. Irgend­wie in Füh­rung gehen, dann zurück­zie­hen und erfolg­los ver­su­chen, die wach­sen­de offen­si­ve Ver­zweif­lung des Geg­ners für Kon­ter zu nut­zen. Auch die Ein­tracht aus Frank­furt hat­te die­ses Sche­ma noch nicht durch­schaut, viel­leicht waren sie auch macht­los dage­gen. Gegen eine Freak­show ihrer Abwehr­rei­he, die mit einem Ball­ver­lust und einem unglück­li­chen Klä­rungs­ver­such gegen den Innen­pfos­ten Erik Thom­my sein ers­tes Tor für den VfB und in der Bun­des­li­ga bescher­te? Nein, viel­mehr gegen eine Defen­si­ve, die nach dem Füh­rungs­tor irgend­wann von einer Fün­fer- zu einer Vie­rer­ket­te mutier­te und in der Ben­ja­min Pavard alle und Timo Baum­gartl knapp 80 Pro­zenz sei­ner Zwei­kämp­fe gewann.

Es ist schon ziem­lich unglaub­lich, dass die­se Mann­schaft drei Mal in Fol­ge auf eine fast iden­ti­sche Art und Wei­se gewinnt. Die Par­al­le­len gin­gen sogar so weit, dass Tay­fun Korkut die glei­che Start­elf wie in Augs­burg auf­bot und erneut kurz vor der 70. Minu­te begann, die Defen­si­ve wei­ter zu sta­bi­li­sie­ren, indem er Den­nis Aogo für den offen­si­ven Thom­my brach­te. Orel Manga­la kam erneut zu einem Ein­satz, um den gelb-rot-gefähr­de­ten Sant­ia­go Ascací­bar zu erset­zen und auch der drit­te Wech­sel — Ako­lo für Gin­c­zek, war posi­ti­ons­ge­treu. Es ist das Mus­ter Tay­fun Kor­kuts: Nach der Füh­rung die Abwehr durch zusätz­li­che Defen­siv­spie­ler ver­stär­ken und ent­las­ten und danach ledig­lich die Spie­ler auf den Posi­tio­nen tau­schen.

Geht es so beeindruckend weiter?

Wie lange hält die Serie an? Bild: © VfB-Bilder.de
Wie lan­ge hält die Serie an? Bild: © VfB-Bilder.de

Same pro­ce­du­re as every week also? Nicht ganz. Zwar sind alle drei Mann­schaf­ten — Glad­bach, Augs­burg und Frank­furt — unter nor­ma­len Umstän­den für den VfB eine ech­te Her­aus­for­de­rung, jedoch war deut­lich zu sehen, dass weder die Borus­sia, noch der FCA auf der Höhe ihrer Schaf­fens­kraft waren, als sie auf den VfB tra­fen. Die Ein­tracht wie­der­um hat­te erst am ver­gan­ge­nen Spiel­tag im viel­be­ach­te­ten Mon­tags­spiel die Dosen aus Leip­zig im eige­nen Sta­di­on besiegt und ist immer noch die dritt­bes­te Aus­wärts­mann­schaft der Liga. Auch wenn ich es wei­ter­hin für gefähr­lich hal­te, dem Geg­ner nach der eige­nen Füh­rung so viel Platz ein­zu­räu­men: Die Zwei­kampf­stär­ke der Brust­ring­trä­ger kann man nur als beein­dru­ckend bezeich­nen.

Wie geht es also wei­ter? Rol­len wir jetzt die Liga mit kurio­sen Füh­rungs­to­ren und bedin­gungs­lo­ser Ver­tei­di­gung von hin­ten auf? Oder ist das nur der Auf­takt zu einem wei­te­ren kata­stro­pha­len Absturz wie 2016, als wir im Febru­ar dach­ten, wir hät­ten die Klas­se schon sicher? Wahr­schein­lich kei­nes von bei­den. In einem der nächs­ten Spie­le wird es wahr­schein­lich pas­sie­ren: Wir gehen nicht in Füh­rung, gera­ten gar in Rück­stand und ste­hen dann auf der ande­ren Sei­te, auf der wir gegen eine dicht ste­hen­de Abwehr anren­nen müs­sen. Hof­fent­lich nicht bereits am nächs­ten Sonn­tag in Köln.

Selbstvertrauen, nicht Überheblichkeit

Wichtig fürs Selbstvertrauen. Bild: © VfB-Bilder.de
Wich­tig fürs Selbst­ver­trau­en. Bild: © VfB-Bilder.de

Auf der ande­ren Sei­te haben wir mitt­ler­wei­le 13 Punk­te Vor­sprung auf die bei­den Tabel­len­letz­ten und sechs auf den Rele­ga­ti­ons­platz. Wich­tig ist wei­ter­hin, bis zum 31. Spiel­tag ein aus­rei­chend gro­ßes Punk­te­pols­ter auf die­se Tabel­len­re­gi­on auf­ge­baut zu haben und nicht dar­auf ange­wie­sen zu sein, gegen Lever­ku­sen, Hof­fen­heim oder am Ende gar in Mün­chen gewin­nen zu müs­sen. Die gan­ze Dis­kus­si­on, war­um eine Mann­schaft unter einem neu­en Trai­ner plötz­lich den Abstiegs­kampf wie­der annimmt, mal außen vor­ge­las­sen: Drei Sie­ge in Fol­ge, drei Sie­ge zu null — kur­zer Sta­tis­tik­aus­flug: Das gelang zuletzt 2009 gegen Ham­burg, Köln und Frank­furt — sor­gen auf jeden Fall für Selbst­ver­trau­en. Und viel­leicht war es das, was der Mann­schaft nach zwei schwe­ren Mona­ten fehl­te.

Was jedoch nicht in Über­heb­lich­keit aus­ar­ten darf. Um doch wie­der eine Par­al­le­le zu 2016 zu zie­hen: Es war die Nie­der­la­ge gegen die bis dahin lan­ge sieg­lo­sen Han­no­ve­ra­ner, die den Absturz der dama­li­gen Mann­schaft ein­lei­te­te. An die­ser Stel­le mal ein gro­ßes Lob an Tay­fun Korkut, der die der­zei­ti­ge Sie­ges­se­rie durch­aus rea­lis­tisch ein­schätzt: Als das Ergeb­nis von kon­zen­trier­ter Defen­siv­ar­beit und dem nöti­gen Glück, aber nicht als Selbst­ver­ständ­lich­keit. Als von der Ver­gan­gen­heit gebrann­ter VfB-Fan bleibt einem momen­tan nichts ande­res übrig, als sich über die erreich­ten Punk­te zu freu­en, zu hof­fen, dass es mög­lichst lan­ge so wei­ter geht und das Köln nicht Han­no­ver ist. Und dass die Mann­schaft auch mit ande­ren Spiel­si­tua­tio­nen als einer 1:0‑Führung im Rücken umge­hen kann.

Die Sache mit der Goldwaage

Es ist die Zeit des Dau­men­drü­ckens und der Demut, eben weil die Sai­son noch lan­ge nicht zu Ende ist. Womit wir zum gro­ßen The­ma der Woche kom­men: Micha­el Resch­ke hat sich nach dem Spiel in Augs­burg in der Mixed Zone zur aktu­el­len Stim­mung rund um den VfB geäu­ßert und dar­in den Wunsch vor­ge­tra­gen, die Kri­ti­ker mögen doch weni­ger kri­ti­sie­ren und außer­dem habe die Füh­rungs­rie­ge des Ver­eins in den ver­gan­ge­nen Wochen ganz her­vor­ra­gend agiert. Wenn ich das so rich­tig wie­der­ge­ge­ben habe, denn wer die­sen Aus­sa­gen nicht unein­ge­schränkt zustimm­te, dem wur­de im Nach­hin­ein vor­ge­wor­fen, ent­we­der Micha­el Resch­ke aus Prin­zip kri­ti­sie­ren und miss­ver­ste­hen zu wol­len, oder jedes sei­ner Wor­te auf die Gold­waa­ge zu legen, auch jene, die “in der Hit­ze des Gefechts” fal­len wür­den.

Um das noch­mal klar zu stel­len: Wenn Micha­el Resch­ke sich und sei­ne Arbeit doch nicht so sehr loben woll­te, wie es bei vie­len rüber kam, dann ist es wirk­lich an der Zeit, ihm end­lich jeman­den an die Sei­te zu stel­len, der ihm hilft, auch in sol­chen Situa­tio­nen einen kla­ren Kopf zu bewah­ren. Wenn er sei­ne Aus­sa­gen genau­so so gemeint hat, dann muss man lei­der fest­hal­ten, dass er dafür den fal­schen Zeit­punkt gewählt hat. Soll­te es unter Tay­fun Korkut wirk­lich so wei­ter gehen, wie es ange­fan­gen hat, dann kann er sich ger­ne im Mai hin­stel­len und sei­ne Arbeit sel­ber loben und sei­ne Kri­ti­ker auf­for­dern, sich sei­ner Mei­nung anzu­schlie­ßen. Jetzt ist es defi­ni­tiv zu früh für Recht­ha­be­rei.

Die Gefahren eines Trainerwechsels

War­um aber wird ihm die­se Recht­ha­be­rei von so vie­len, zuge­ge­be­ner­ma­ßen nicht immer sach­lich, vor­ge­hal­ten: Nun, es ist nicht so, als hät­ten die letz­ten Wochen Anlass dazu gege­ben, sich als Ver­ant­wort­li­cher des VfB über­mä­ßig zu fei­ern. Ein Trai­ner­wech­sel ist meist kein Zei­chen eines funk­tio­nie­ren­den Kon­zepts oder einer lang­fris­ti­gen Aus­rich­tung in einem Ver­ein. So auch in die­sem Fall. Er mag sich lang­fris­tig als die rich­ti­ge Ent­schei­dung her­aus­stel­len. Aber lang­fris­tig bedeu­tet in die­sem Fall frü­hes­tens das Sai­son­ende oder wenn Tay­fun Korkut nicht auch beim ers­ten Anzei­chen von Schwä­che oder anhal­ten­dem Miss­erfolg ent­las­sen wird.

Das zwei­te Pro­blem an einer Trai­ner­ent­las­sung neben der ver­lo­ren gegan­ge­nen Kon­ti­nui­tät ist das Signal an die Mann­schaft, das damit ein­her­geht: An Euch lag es nicht, ihr habt nicht so viel falsch gemacht. Anstatt dass ihr die Kon­se­quen­zen tra­gen müsst, ent­las­sen wir den Trai­ner. Die glei­che Mann­schaft, mit Abstri­chen, die am Sams­tag Ein­tracht Frank­furt nie­der­rang, hat zwei­mal inner­halb von vier Wochen gegen Mainz eine erbärm­li­che Leis­tung gezeigt und ist nach wie vor in der Pflicht, die Klas­se zu hal­ten. Ein Unter­fan­gen, dass sie durch eini­ge Ergeb­nis­se und Auf­trit­te nicht unbe­dingt ein­fa­cher gemacht hat.

Fehler der Vergangenheit

Nie­mand braucht den “Kri­ti­kern” zu sagen, dass man die Mann­schaft nach guten Auf­trit­ten auch loben und fei­ern darf. Völ­lig unan­ge­bracht ist es hin­ge­gen einen gren­zen­lo­sen Opti­mis­mus zu pro­pa­gie­ren. Das Äqui­va­lent in 2016 dazu war der Aus­spruch von Robin Dutt, den “Druck haben jetzt die ande­ren”. Wir haben in der Ver­gan­gen­heit viel zu häu­fig gese­hen, was pas­siert, wenn man einer VfB-Mann­schaft zu viel Lei­ne gibt. Spie­ler wie Mar­tin Har­nik, Georg Nie­der­mei­er, Dani­el Schwab und auch Chris­ti­an Gent­ner nutz­ten die­se lan­ge Lei­ne, um es nach einer Pha­se des Erfolgs zu ruhig ange­hen zu las­sen.

Dar­um reagie­ren vie­le so all­er­gisch auf die Aus­sa­gen von Micha­el Resch­ke, ob er sie nun absicht­lich oder unab­sicht­lich so for­mu­liert hat. Nicht aus aus Lust an der Freu­de, son­dern aus Sor­ge, dass ihr Ver­ein die Feh­ler der Ver­gan­gen­heit wie­der­holt. Es ist Resch­kes Ver­ant­wor­tung, die­se Feh­ler zu ver­mei­den. Er täte bes­ser dar­an, sich wie Tay­fun Korkut mit der immer noch zu lösen­den Auf­ga­be zu befas­sen und den Moment zu genie­ßen, anstatt sich Gedan­ken um die Stim­mung und ein Zwi­schen­zeug­nis sei­ner Arbeit zu machen.

Augen auf!

Ich bin momen­tan wei­ter­hin vor­sich­tig opti­mis­tisch. Opti­mis­tisch, weil wir hin­ten sta­bil ste­hen und das Glück der­zeit auf unse­rer Sei­te ist. Vor­sich­tig, weil wir auch in der Hin­run­de schon sta­bil gestan­den haben, damit aber nicht ganz so erfolg­reich waren wie der­zeit. Ich wer­de es mir aber auch wei­ter­hin nicht neh­men las­sen, etwas kri­tisch anzu­spre­chen. Egal ob es von Micha­el Resch­ke, Wolf­gang Diet­rich oder wem auch immer kommt. Und ganz egal, ob ich zwei Tage vor­her schon ein­mal etwas kri­tisch ange­spro­chen habe. Was wir uns in der der­zei­ti­gen Situa­ti­on nicht leis­ten kön­nen ist blin­der Opti­mis­mus. Genau­so wenig wie blin­der Pes­si­mis­mus übri­gens, den ich aber bei den meis­ten auch nicht wahr­neh­me. Ein­fach die Augen offen hal­ten und das bewer­ten, was man sieht und hört.

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