Am Sonntag reist der VfB zum Tabellenletzten nach Köln. Wir haben uns mit Thomas (@koelnsued) von effzeh.com über das Spiel und die Lage beim FC unterhalten.
Rund um den Brustring: Hallo Thomas, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Erzähl doch bitte zunächst mal, wie Du FC-Fan geworden bist, wie effzeh.com entstanden ist und was Du dort machst.
Thomas: Zu meiner Person: Thomas Reinscheid, Chefredakteur von effzeh.com und nebenbei noch freier Journalist. Als waschechter „kölsche Jung“ blieb mir kaum etwas anderes übrig als FC-Fan zu werden, spätestens seit 1995 mit wachsender Leidenschaft und zahlreichen Besuchen im Stadion dabei. Motto: FC ist, wenn man trotzdem lacht.
Zusatzfrage: Ist “effzeh” eigentlich ein Kind des Internets, oder gab es diese Schreibweise früher schon?
In der Form gab es das, soweit ich weiß, tatsächlich erst so ab 2010/11. In anderen Schreibweisen gibt es das „FC“ als Lautschrift aber schon länger. Bekannt wurde es allerdings in der jetzigen Form erst als Hashtag bzw. unter der Nutzung vieler Fans.
Als ich vor dem Hinspiel mit Axel (@lostinnippes) sprach, stand Köln auch schon auf dem letzten Tabellenplatz. Am Tabellenplatz hat sich seitdem nichts geändert, ansonsten ist in der Zwischenzeit in Müngersdorf kein Stein auf dem anderen geblieben. Wie erklärst Du Dir den Absturz nach der sehr erfolgreichen Saison 2016/2017?
Mit der guten alten kölschen Mischung aus gnadenloser Selbstüberschätzung und frivolem Größenwahn. Nach Platz fünf und der damit einhergehenden Europapokal-Qualifikation haben sich die Verantwortlichen wohl wie die Könige von Köln gefühlt. Dass dabei die offenkundigen Schwächen des Kaders links liegen gelassen wurden und auch auf erwartbare Probleme nicht reagiert wurde, passt bestens ins Bild. Berauscht vom Erfolg macht man eben die größten Fehler – vor allem in Köln, wie mir scheint. Dass dazu noch Verletzungspech, groteske Schiedsrichterentscheidungen und unglückliche Spielverläufe (man denke ans Hinspiel!) oben drauf kamen, rundet den grotesken Absturz perfekt ab.
Wie ist Deine Sicht auf den Rücktritt und die Entlassung von Schmadtke und Stöger?
Auf den Abgang von Schmadtke blicke ich immer noch unversöhnlich und mit einer ordentlichen Portion Wut. Wer sich selbst dauernd als Macher präsentiert, den Einflüsse von außen nicht tangieren, und dann doch beim ersten Gegenwind freiwillig und doch mit großzügiger Abfindung die Biege macht, hat das auch nicht anders verdient. Zumal er danach auch noch die „Hexenjagd“-Karte spielen musste, die noch absurder erscheint als unsere Hinrunde. Bei Stöger bin ich dagegen zwiegespalten: Es gibt einiges an berechtigter Kritik an ihm, die Bilanz war fürchterlich. Dennoch, mit einigen Interna im Hinterkopf, war vor allem der Umgang des Vereins mit ihm unwürdig. Ob man danach allerdings direkt aufs nächste Schiff hüpfen und wenig selbstkritisch über seine Schlussphase in Köln urteilen muss, sei mal dahingestellt.
Nach der Winterpause hat der FC in der Tabelle wieder etwas aufgeholt und ist jetzt punktgleich mit dem HSV, jedoch immer noch sieben Punkte hinter dem Relegationsplatz. Was hat sich unter Stefan Ruthenbeck geändert?
Es lässt sich auf wenige Punkte zusammenfassen: Wir haben mit Simon Terodde endlich einen Mittelstürmer, der diesen Namen auch verdient (Danke VfB). Es sind endlich wieder fast alle Verletzten zurück an Bord, was gerade bei Jonas Hector, Marcel Risse und Leonardo Bittencourt ein Geschenk ist. Das Spielglück, das in der Hinrunde komplett fehlte (nochmals: HINSPIEL!!!), ist zurückgekehrt. Ansonsten agieren wir etwas mutiger, etwas pressinglastiger als unter Stöger, laufen mehr – das hat seine Vorteile, aber auch einige Nachteile. Sonderlich besser als in der Hinrunde sieht der Fußball aber nicht aus.
Wie ist aktuell die Stimmung in Köln? Glaubt man noch an den Klassenerhalt, oder geht es nur noch darum, mit fliegenden Fahnen ®unterzugehen? Und glaubst Du persönlich noch an den Ligaverbleib?
Es ist gefühlt so eine Mischung aus dem tabellarisch bedingten Zwang zur Realität und der kölschen Neigung zum Wunderglauben. Man versucht sich zu raffen und klarzumachen, dass das eigentlich nicht mehr machbar ist, aber es gelingt nicht immer. Wie auch, wenn selbst die Mannschaft nicht abschenkt, sondern immer weiter an sich glaubt. Für mich ist der Drops allerdings gelutscht, spätestens seit dem Freiburg-Drama, als wir eine 3:0‑Führung herschenkten, ist für mich der Klassenerhalt ausgeschlossen. Aber wenn’s am Ende doch klappt, habe ich natürlich nichts dagegen. Ich muss dann nur nackt ums Stadion laufen – aber warum nicht?
Was würde ein Abstieg deiner Meinung nach für den FC bedeuten? Wärt Ihr in der Lage, direkt wieder aufzusteigen?
Ein Abstieg würde quasi die letzten fünf Jahre sportlich auslöschen. Leistungsträger wie Timo Horn oder Jonas Hector, die das Team geprägt haben, dürften nicht zu halten sein. Auch wenn alle Spieler Verträge für die 2. Liga haben, wäre ein Neuaufbau in gewissen Teilen also unabdingbar. Das wird zumindest durch die finanzielle Situation erleichtert, der Verein ist im Vergleich zu 2012, als uns nach dem Abstieg die Insolvenz drohte, hervorragend aufgestellt. Mit der wirtschaftlichen Power und einem gewissen Grundgerüst an erstligatauglichen Spielern wie beispielsweise Simon Terodde mache ich mir um eine direkte Bundesliga-Rückkehr nicht allzu große Sorgen.
Seit Dezember ist unser ehemaliger Meistertrainer Armin Veh Geschäftsführer Sport bei Euch. Wie bewertest Du seine Arbeit bisher?
Ein Urteil ist schwierig, da Veh in einer prekären Situation mit geringem Handlungsspielraum gekommen ist. Er hat Simon Terodde geholt, der eingeschlagen ist wie eine Bombe. Er hat Vincent Koziello verpflichtet, der spätestens in Leipzig gezeigt hat, warum er Vehs Wunschkandidat war. Und doch wurden im Winter offenkundige Baustellen wieder einmal nicht geschlossen – auf der Rechtsverteidigerposition ist niemand bundesligataugliches vorhanden, körperlich sind wir im Mittelfeld jedem Gegner unterlegen. Und auf den offensiven Außen müssen wir jeden Tag eine Kerze im Dom anzünden, dass Risse und Bittencourt fit bleiben.
Das große Thema am Sonntag ist natürlich auch das Wiedersehen von Simon Terodde mit dem VfB. Wie wurde sein Transfer bei Euch in der Fanszene aufgenommen? Hättet Ihr nach seiner durchwachsenen Hinrunde erwartet, dass er gleich so erfolgreich ist?
Ich hätte das keinesfalls erwartet. Nicht so sehr, weil ich glaubte, dass Terodde kein guter Torjäger ist, sondern weil er mir erstens nicht als sonderlich guter Fußballer im Kombinationsspiel aufgefallen war und der FC zweitens kaum Mittelstürmersituationen herausgespielt hat. In beiden Fällen wurde ich krachend widerlegt – Simon ist tatsächlich mit seinem Torriecher, aber auch als Zielspieler ein enorm wichtiger Baustein für das Team. Ich gehe sogar so weit zu sagen: Hätten wir ihn in der Hinrunde schon im Kader gehabt, würden wir locker zehn Punkte mehr auf dem Konto haben. Die Zweifel, die bei dem Transfer mitschwangen, hat er jedenfalls bestens entkräftet: Der Kerl ist ein richtig guter Bundesliga-Torjäger!
Wie macht sich Euer anderer Wintertransfer Vincent Koziello (aus Nizza)?
Nachdem wir uns alle gewundert hatten, was ein solch feiner Fußballer denn beim abgeschlagenen Tabellenschlusslicht will, hatte Vincent doch etwas Anlaufschwierigkeiten und musste sich erst noch ans Team gewöhnen. Doch er kommt immer besser ins Rollen und war gegen Leipzig wichtigster Mann auf dem Platz. Es ist echt eine Freude, dem Knirps beim Kicken zuzuschauen. Seine Qualitäten im Passspiel werden unverzichtbar für uns werden, da bin ich mir ziemlich sicher.
Auch in Köln scheinen Verein und aktive Fanszene derzeit in einigen Punkten über Kreuz zu liegen. Neulich gab es einen offenen Brief des Vorstands an die Fans. In aller Kürze: Worum geht es in dem Konflikt?
Uff, das kurz zu fassen ist eine Herausforderung. Die aktive Fanszene hat sich bei vielen Themen wie beispielsweise Stadionaus- oder ‑neubau oder möglicher Einstieg eines Investors klar gegen den Verein positioniert und schon seit Sommer heftige Kritik am Vorstand geübt. Der schoss jetzt mit einem siebenseitigen Offenen Brief zurück, in dem viele Vorfälle rund um die aktive Fanszene aus Vereinssicht aufgearbeitet wurde. Um als jemand zu urteilen, der irgendwo dazwischen steht: Beide Seiten äußern sehr viel berechtigte Kritik aneinander, schießen aber durchaus öfters über das Ziel hinaus. Eine schwierige Situation, die bei einem feststehenden Abstieg wohl endgültig hochkochen dürfte.
Zurück zum Sportlichen: Auf wen müssen wir am Sonntag neben Simon “ausgerechnet” Terodde noch besonders aufpassen? Und was sind die Schwächen der FC-Elf?
Schwächen? Haben wir nicht. Nee, im Ernst: Unser Passspiel ist eine Katastrophe, da dürfte sich mit dem entsprechenden Druck von eurer Seite etwas machen lassen. Dazu sind wir defensiv alles andere als gefestigt, Ihr werdet also eure Chancen bekommen. Aufpassen müsst Ihr neben Terodde, falls der rechtzeitig seine Erkältung auskuriert hat, vor allem auf unsere Standards, die zuletzt eine echte Waffe waren, und auf Marcel Risse – lasst also hinten links besser nichts anbrennen!
Das Auswärtsspiel in Köln wird ja, wie Spiele in anderen Großstädten, von VfB-Fans gerne mal für einen Wochenendausflug genutzt. Hast Du einen Geheimtipp für uns, was man am Wochenende außer Fußball noch so unternehmen kann oder sehen sollte?
Wichtig ist: Man hat schnell ein, zwei Bier zu wenig getrunken. Also schaut Euch die Brauhauskultur in Köln ganz genau an – am besten im „Haus Lommerzheim“ in Deutz beim besten Kotelett der Stadt. Kulturell wie auch shoppingtechnisch sollten die meisten Sachen ja bekannt sein – wer sich mit seiner/m Liebsten die Ewige Liebe schwören möchte, kann an der Hohenzollernbrücke am Dom ein Schloss hinhängen. Wer dagegen bei passendem Wetter die Seele im Freien baumeln lassen möchte, dem empfehle ich vor dem Spiel einen Besuch im Stadtwald – Tierpark inklusive.
Zum Schluss: Dein Tipp fürs Spiel?
Ihr habt im Hinspiel die schwarze Serie gegen uns beendet, da machen wir es Euch beim zweiten Aufeinandertreffen doch nach: 3:1 für uns!
Thomas, vielen Dank für das Gespräch!
Wir haben Thomas und effzeh.com übrigens auch Fragen zum Spiel aus VfB-Sicht beantwortet. Ihr findet das Interview hier.
Bild: VfB-Bilder.de