Heute abend eröffnet der VfB gegen den Tabellenletzten 1. FC Köln den achten Spieltag. Wir haben mit FC-Blogger Axel (@lostinnippes) über das Spiel und die Situation in Köln gesprochen.
Rund um den Brustring: Hallo Axel, vielen Dank, dass Du dir Zeit für unsere Fragen genommen hast. Du betreibst den Blog Der vierte Offizielle und podcastest bei Just Baseball über Baseball. Bis vor einer Weile hast Du auch noch den Bockcast gemacht, richtig? Was hat es mit dem vierten Offiziellen auf sich und wie bist Du überhaupt FC-Fan geworden?
Axel: Hallo Lennart, vielen Dank für die Einladung in den Blog. FC-Fan bin ich eigentlich solange ich denken kann, der Fußball, das gesamte Drumherum hat schon sehr früh eine große Faszination auf mich ausgeübt. Als kleiner Junge war ich mit meinen Eltern praktisch jedes Wochenende zu Besuch bei meinen Großeltern, die einen Kleingarten in der Nähe des Müngersdorfer Stadions hatten und von dort aus wurde der Lärm bis zu uns herüber getragen, der mich anscheinend so neugierig machte, dass ich sogar einmal ausgerissen bin und von meinem Großvater eingefangen werden musste. Ich wollte unbedingt wissen, was dort vor sich ging und so wurde ich mit sieben Jahren zu meinem ersten Spiel mitgenommen. Das Pokalfinale zwischen der Fortuna und dem FC war mein Premierenspiel im Stadion und seitdem hat mich dieser Verein, dieses Stadion und das Spiel nie wieder los gelassen.
Vor mittlerweile über zehn Jahren begann ich dann etwas zu bloggen, es war auch eine Selbsttherapie (die es bis heute geblieben ist) und ein Versuch meine Sicht auf den Club, auf den Fußball öffentlich zu machen. Bloggen hat ja auch immer etwas mit Narzissmus zu tun 🙂 Irgendwann kam dann der Bockcast als logische Fortführung der Bloggerei. Mit dem Podcast habe ich aber Anfang der Saison aufgehört. Es hat mich zu sehr frustriert bei meinem Verein immer wieder gegen Wände zu rennen. Der 1.FC Köln legt keinen Wert auf mich, das muss er auch nicht aber ich zog dann nach jahrelangem Anrennen die Konsequenzen und verabschiedete mich von dem Projekt Bockcast. Es wird den Podcast aber unter neuer Führung hoffentlich bald wieder geben.
Neben Just Baseball, kann man mich dann seit letztem Jahr noch bei drei90 hören, wo wir uns aber eher den absurden Dingen des Fußballbetriebs widmen.
Rund um den Brustring: Vor der Saison wechselte Anthony Modeste nach langem Hin und Her nach China, im Gegenzug verpflichtete der FC Jhon Córdoba für 17 Millionen von Mainz 05 und gab, transfermarkt.de zufolge, nochmal jeweils sieben Millionen für Horn von Wolfsburg und Meré von Gijon aus. Wie ungewohnt ist es für Dich, dass dein Verein mit solchen Summen einkaufen geht und wie bewertest Du die Neuzugänge?
Axel: Es wurde und wird ja aktuell viel über die Sommertransfer-Periode des 1.FC Köln gesprochen und ich bin leider auch jemand, der diese als nicht wirklich gelungen bezeichnet. Die Mondpreise, die mittlerweile für Spieler wie Córdoba aufgerufen werden, spotten eigentlich jeder Beschreibung und es ist schade, dass der 1.FC Köln dieses Spiel mitspielt. Auf der anderen Seite: Jeder abgebende Verein wusste um die neuen liquiden Mittel, die durch den Verkauf von Anthony Modeste nach China zur Verfügung standen, da sind Aufschläge wahrscheinlich unumgänglich. Und in Zeiten, in denen Topclubs hundert Millionen an Ablöse zahlen, ist es vielleicht sogar unumgänglich mitzuschwimmen. Nichts desto trotz halte ich die Verpflichtung von Córdoba für den Kardinalfehler der Saison. Wir haben in der letzten Saison den fünften Platz ja nicht erreicht, weil wir so überragend waren, sondern weil andere Verein weniger Leistung gezeigt haben als zu erwarten war.
Auf unseren Außenpositionen und im offensiven Mittelfeld besteht schon seit Jahren Bedarf, zudem war und ist der Kader dünn besetzt, so dass Ausfälle kaum kompensiert werden können. Wie dann ein Córdoba, über dem auch noch das Damoklesschwert, die Nachfolge von 25-Tore-Modeste anzutreten, schwebt, helfen soll, ist mir unbegreiflich. Córdoba ist kein Modeste-Typ, kein Knipser, er ist in der Vergangenheit nicht mal annähernd durch Torgefahr aufgefallen und soll nun den Alleinunterhalter im Sturmzentrum spielen. Ein Plan, der von Beginn an zum scheitern verurteilt war. Die anderen Neuzugänge sind Perspektivspieler, die dem Team ad hoc gar nicht weiterhelfen können. Meré hat zwar schon viele Einsätze in der La Liga, spielt eine gute Rolle in der spanischen U‑Nationalmannschaft und er ist sicher auch ein Lichtblick für kommende Jahre aber er ist für die Bundesliga, gerade in einem Abwehrverbund der verunsichert ist, noch zu unerfahren. Jannes Horn spielt aktuell gar keine Rolle, er steht meistens nicht mal Kader. Im letzten Spiel wurde dann noch Tim Handwerker eingewechselt, der seine Sache erstaunlich gut machte und sogar eine Flanke punktgenau an den Mann brachte. Vielleicht ist er ein Hoffnungsschimmer.
Rund um den Brustring: In dieser Saison spielt Köln zum ersten Mal seit 24 Jahren wieder international. Bei uns ist es zwar auch etwas her, aber erst vier Jahre. Was bedeutet die Europapokal-Teilnahme für FC-Fans und für dich speziell?
Axel: Es sind 25 Jahre. 🙂 Die Teilnahme am internationalen Wettbewerb bedeutet uns alles. Nach wirklich dunklen Jahren, nach endlosen Abstiegen, nach Präsidenten und Managern, die sich im Ruhm der Vergangenheit sonnten und dabei nie an die Zukunft dachten, durften wir noch einmal erleben, wie es ist, in Europa zu spielen. Es ist nichts anderes als eine Katharsis. Für mich genauso wie für den gesamten Verein.
Rund um den Brustring: Bleiben wir noch kurz in Europa: Du warst beim Spiel in London vor Ort und hast darüber auch in deinem Blog berichtet, es war auch für Dich eine lange Zeit ohne internationale Spiele mit dem FC. Hast Du damit gerechnet, dass der FC nochmal international spielt und wie war es für Dich, als die Teilnahme feststand?
Axel: Als Yuya Osako am 20. Mai allein auf das Tor zulief, sprangen wir auf, ich erinner mich noch wie neben mir mein Freund Christoph mir den Arm so fest zu drückte, dass ich am nächsten Tag noch die Abdrücke sehen konnte. Alles verkrampfte sich um dann mit dem lautesten und emotionalsten Torschrei meines Fanlebens zu explodieren. Wir sprangen wie kleine Kinder durch die Stadt, wir tranken die ganze Nacht, in Köln war an Schlaf nicht zu denken. Strassen wurden abgesperrt, die Polizei ließ fünf gerade sein, wir fielen uns in die Arme und sangen uns heiser. Kein Aufstieg, kein anderes Erlebnis im Fussball, kann mit dieser einen magischen Nacht mithalten. Eben weil wir nicht mehr damit gerechnet haben. Der Europapokal war für uns so weit weg wie eine Kuh vom Mond. Es war eine ferne Erinnerung, ein Rauschen. Wir saßen 25 Jahre in den Kneipen und rauften uns die Haare und mit jedem Jahr wurde es unwahrscheinlicher, dass wir diesen Tag noch einmal erleben durften. Als 2012 das Müngersdorfer Stadion in schwarzen Rauch gehüllt wurde, als wir wieder abstiegen, hatten wir eigentlich schon jede Hoffnung längst verloren. Und dann passiert es doch. Dieses Glück ist schwer in Worte zu fassen.
Als die Spieler am 14.9. in London ins Emirates einliefen, als 15.000 Kölner das Stadion übernahmen und vom Europapokal sangen, von der Liebe zur Stadt und zum Verein, da stand ich fassungslos im Block, hatte die Arme über dem Kopf zusammengeschlagen und musste mich zusammenreißen nicht loszuheulen. Es war wie in einem sehr surrealen Traum. Guckt Euch die Videos und Bilder aus London an, falls Ihr es noch nicht gemacht habt, diese sagen mehr als alle Worte.
Rund um den Brustring: Zurück zur Bundesliga. Dort herrscht zumindest emotional das komplette Kontrastprogramm. Ihr steht nach sieben Spieltagen immer noch auf dem letzten Tabellenplatz, habt noch keinen Sieg und eine Torbilanz von 2:15. Schwere Frage: Wie konnte es zu so einem schlechten Saisonstart kommen? Und wie ist die Stimmung bei den Fans?
Axel: Das ist in der Tat eine schwierige Frage, weil ich sie so genau gar nicht beantworten kann. Das “wie” ist recht schnell erklärt. Die Mannschaft ist schlechter besetzt als letztes Jahr und die Leistungen der Leistungsträger reichen bei weitem nicht an die Überperformance der letzten Saison ran. Zudem ist die Abwehr ungewohnt wacklig, es kommen Verletzte hinzu und — auch nicht unwichtig — es war ein extrem schweres Auftaktprogramm mit vielen Auswärtsspielen. Es hakt einfach in allen Mannschaftsteilen. Dazu kommt dann noch eine Prise Pech und die ein oder andere fragwürdige Schiedsrichter-Entscheidung, das summiert sich und schwupps, stehst du nach sieben Spielen mit einem Punkt da.
Der schwierige Part ist die Stimmung unter den Fans auszumachen. Die aktive Fanszene ist für mich schwer einzuordnen, da ich zu weit weg bin, ich würde aber aus der Ferne sagen, dass sich unter den Ultras der Konsens breit gemacht hat in dieser Saison noch einmal alles zu geben, den 1.FC Köln (vor allem) in Europa zum Gesprächsthema werden zu lassen und die sportlichen Ergebnisse dabei weitestgehend zu ignorieren. Mir ist das sportliche Abschneiden mittlerweile auch recht egal, ich habe was ich wollte, ich durfte noch einmal nach Europa, ich kann mit einem weiteren Abstieg leben, wenn es denn der Preis für diese Ekstase sein soll. Mein Nägelkauen hat mit dem 20.5. aufgehört. Die Entfremdung von der Basis, die wir mittlerweile in Köln genauso erleben wie an vielen anderen Standorten in Deutschland, die Erkenntnis, dass dem Club ziemlich egal ist, wie seine Mitglieder und Fans leiden und denken, sorgt dafür, dass ich das mittlerweile sehr distanziert sehe. Dann spielen sie eben nächstes Jahr wieder in Aue. Ja und? Ist vielleicht lustiger als gegen Hoffenheim. Für mich hat sich ein Kreis geschlossen und mehr kann ich nicht verlangen. Ich weiß, dass ich bei allem was der FC veranstaltet nie unberührt sein werde, dass ich ihm nie etwas schlechtes wünschen werde aber die Zeit, in der ich mich selbst kasteie ist vorbei. Das bin aber nur ich, es wird andere geben, die das völlig anders sehen.
Rund um den Brustring: Der Kicker hat neulich herausgefunden, dass der VfB seit dem Amtsantritt von Peter Stöger in Köln neun verschiedene Trainer beschäftigt hat. Siehst Du Stöger, sollte der FC am Freitag verlieren, in Gefahr? Und ist er für Dich immer noch der richtige Trainer?
Axel: Ja selbstverständlich. Peter Stöger ist ein Fussball-Lehrer im eigentlichen Wortsinn. Er macht Spieler und Mannschaften besser, er ist ein fantastischer In-Game-Manager um mal einen Baseball-Terminus zu gebrauchen und ein langfristiger Entwickler. Meiner Meinung nach steht Peter Stöger über den Dingen und darf von Vereinsseite nicht in Frage gestellt werden. Man muss sogar mit ihm absteigen. Sollte Stöger nicht von sich aus das Handtuch werfen, glaube ich, dass er auch nächsten Montag noch Trainer in Köln sein wird.
Rund um den Brustring: Fast so lange her wie die letzte Europapokalteilnahme des 1. FC Köln ist ein Heimsieg des VfB gegen Euch: 1996 gewann Stuttgart diese Partie zuletzt. Hast Du eine Erklärung dafür, warum Eure Reisen nach Stuttgart meist von Erfolg gekrönt sind oder zumindest ohne Punktverlust vonstatten gehen?
Axel: Nein. Keine Ahnung 🙂
Rund um den Brustring: Jhon Córdoba ist ebenso wie Marcel Risse und Jonas Hector verletzt. Kurzfristig verpflichtete Jörg Schmadtke noch den vereinslosen Claudio Pizzaro. Wie schwer wiegen die Ausfälle und denkst Du, dass Pizarro Euch weiterhelfen kann?
Axel: Nein. Wie denn?
Rund um den Brustring: Vor wem müssen wir uns denn am Freitag in Acht nehmen?
Axel: Vor den Warteschlangen an Euren Essen- und Getränkeständen. Schrecklich. Und wer kam auf die überragende Idee die Senf-Spender hundert Meter neben die Wurstausgabe zu platzieren? Was ist da los?
Rund um den Brustring: Auch wenn wir es oben schon angerissen haben: Was sind die Schwächen des FC momentan?
Axel: Puh. Wacklige Abwehr, schlechte Außenspieler, keine Flanken, keine Torgefahr, nun ja, im Moment ist es eher das Gesamtkonstrukt 1.FC Köln.
Rund um den Brustring: Ende September hielt der 1. FC Köln eine Mitgliederversammlung ab, bei der Du auch anwesend warst. Auch wenn das ein sehr umfassendes Thema ist, in aller Kürze für diejenigen, die das nicht so mitbekommen haben: Was wurde dort entschieden, was hat es mit der Mitgliederinitiative 100pro FC auf sich und was ist Dein Fazit der Mitgliederversammlung?
Axel: Bei 100pro FC handelt es sich um eine Mitglieder-Initiative die erreichen wollte, nein will, dass der 1.FC Köln bei einem möglichen Anteilsverkauf der ausgegliederten KGaA seine Mitglieder befragen muss. Aktuell gehört die KGaA zu 100 Prozent der Spielbetriebs-GmbH, die wiederum zu 100 Prozent dem e.V. gehört. In der Satzung wurde aber 2012, als wir finanziell völlig am Boden waren, der Passus eingebaut, dass bis zu 24,9 Prozent der Anteile ohne Zustimmung der Mitglieder ausgelagert werden können. Diese Änderung war damals sinnvoll, da es so spitz auf Knopf um den Verein stand, dass hier auch schnelles Handeln gewährleistet werden musste. Heute ist die Situation eine andere und die Initiative versucht die Mitglieder bei dieser enorm wichtigen Frage wieder an die entscheidenden Positionen zu bringen. Es geht nicht um Pro / Contra Investor (oder strategische Partner, wie unser Präsident Werner Spinner das Kind nennt), sondern erst einmal um die Frage: Sollen die Mitglieder entscheiden dürfen, ob sie selbst über einen Investor abstimmen dürfen. Mir erschließt sich nicht, wie man als Mitglied eines Vereins dieses fundamentale Recht auf Mitbestimmung einfach aus den Händen geben kann. Ich verstehe es wirklich nicht. 65 Prozent der Abstimmenden in der Mitgliederversammlung sahen es anders, der Antrag wurde abgelehnt und somit hat das Präsidium mindestens noch ein Jahr Zeit Anteile zu verkaufen, ohne dazu die Legitimation der Mitglieder einzuholen. Ich halte das für einen sehr, sehr großen Fehler.
Rund um den Brustring: Abschließend: Dein Tipp fürs Spiel?
Axel: 3:0 für Euch
Rund um den Brustring: Axel, vielen Dank für das Gespräch.
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