Der VfB wirft gegen einen verunsicherten Gegner die nächsten zwei Punkte weg. Man kann den erneuten Gegentreffer in Unterzahl in der Nachspielzeit Pech nennen. Für den Spielverlauf und das Ergebnis tragen aber keine höheren Mächte, sondern Trainer und Mannschaft die Verantwortung.
Ja, immer die bösen Schiedsrichter, die Fouls immer nur gegen uns, nie für uns pfeifen. Erst recht die im Kölner Keller, die dem Geschehen auf dem Bildschirm so viel Beachtung schenken wie ich in der Halbzeitpause. Und die, wie der Kollege Badstübner, der Mannschaft mit den drittmeisten gelben Karten — uns — und den drittmeisten Fouls — Hoffenheim — so viel durchgehen lassen, dass sich das Ganze nur noch mit Respektskarten einfangen lässt. Wir haben es echt nicht leicht. Und dann gelingt dem Kramaric auch noch ausgerechnet gegen uns ein Jahr-hun-dert-Tor. Verflixt noch eins.
Nee, ganz ehrlich, daran, dass wir seit 13 Monaten kein Auswärtsspiel gewonnen haben sind wir selbst schuld. Daran, dass wir den neunten Gegentreffer in der Anfangsviertelstunde und den vierten in der Nachspielzeit kassiert haben — beides Ligaspitze auch. Und erst recht daran, dass wir die Hinrunde 2022/2023 mit einem Punkt weniger beenden als die Hinrunde 2021/2022. Der Unterschied: Während wir damals laut fussballverletzungen.com im Schnitt 41 Verletzungstage pro Spieler hatten, sind es diese Saison 18. Kurz: Es gibt aus der damaligen Logik heraus keinen Grund für eine solch schlechte Hinrunde. Und gleichzeitig gibt es ganz viele Gründe.
Bruno Sturkopf
Denn Bruno Labbadia ist schlichtweg selbst schuld daran, wenn seine Mannschaft in der ersten Halbzeit offensiv außer einem Zufallstreffer keinen Fuß auf den Boden bekommt und hinten kollektiv fürs Seepferdchen übt. Waldemar Anton war schon gegen Mainz wirkungslos, aber da war er nicht der einzige. In Hoffenheim irrlichterte er mitunter über die rechte Außenbahn, dass es einem Angst und bange wurde. Kaum eine seiner Spielverlagerungen kam an, teilweise rückte er soweit raus, dass Mavropanos aus der Innenverteidigung nach vorne sprinten und hinter ihm aufräumen musste, wenn ihm, wie so vielen an diesem Tag der Ball versprungen war. Nartey auf der anderen Seite des Spielfelds steigerte sich zwar, aber was bitte hat Pascal Stenzel verbrochen, der ja angeblich ein Gewinner der Winterpause war? Der kann zwar jenseits der Mittellinie auch keine Gefahr ausstrahlen, aber der weiß wenigstens, was seine Rolle auf der Außenbahn ist.
Kein Wunder, dass die derart unverständlich und sturköpfig aufgestellte Viererkette lange nicht wusste, wo ihr der Kopf stand. Zum Beispiel als die Hoffenheimer einen fahrlässig und zu kurz geklärten Ball von Ahamada mit zwei Pässen auf den freistehenden Fuß des freistehenden Andrej Kramaric gebracht hatten, der nach dem Ballgewinn seines Teams seelenruhig zwischen Mavropanos und Ito einschieben konnte. Andrej Kramaric, der zuletzt am achten Spieltag gegen Hertha traf, davor je einmal gegen Mainz und Leverkusen. Der seine Qualitäten hat, die man aber auch unter Kontrolle bringen kann, wie 13 andere Bundesligisten beweisen. Bei uns fehlt dann mal wieder gegen so einen situativen Ausnahmespieler die Zuordnung.
Keine Ernsthaftigkeit, keine Fingerspitzen
Wir sind auch selbst schuld, wenn wir in jedes Spiel mit dieser Haltung reingehen, dass es schon reichen wird, jedem Ball hinterher zu springen und die Kugel sonst ein wenig laufen zu lassen und ab und zu mal abzuziehen. Unzählige der guten Ballgewinne im Mittelfeld wurden durch schlampige Pässe und mangelnde Ballkontrolle sofort wieder zunichte gemacht. Die Passqualität war teilweise unterirdisch und ich rede nicht von sogenannten “key passes” wie dem von Perea in den leeren Rückraum, sondern auch von meterweiten Seitenverlagerungen ins Nichts. Oder von einem Naouirou Ahamada, der zwar auch zwei Tore sehenswert vorbereitete, das 0:1 aber quasi auflegte, in dem er an fast der gleichen Stelle wie am Samstag genauso gedankenlos mit seinen Beinen durch die Gegend säbelte. Nur dass er diesmal immerhin den Ball traf und diesen vor die Füße der Hoffenheimer schaufelte. Wer den Ball so klärt, dem fehlt die Ernsthaftigkeit, ernsthaft.
Und wenn wir dann schon aus dem Nichts treffen und so sehenswert wie Wataru Endo. Wenn wir uns schon wieder ins Spiel zurück und in Führung rennen und grätschen, dann sind wir am Ende auch noch selbst schuld, wenn wir uns um den halbwegs verdienten Lohn bringen. Ob man Ahamada für das Überspringen der Bande und das Hochrennen der Treppe zum Blocktor mit Gelb bestrafen muss, wenn die Regel etwas sagt von “an einem Zaun hochklettert und/oder sich den Zuschauern auf eine Weise nähert, die zu Sicherheitsproblemen führt”, lasse ich mal dahingestellt. Ich halte es eher für eine Überkompensation des überforderten Schiedsrichters Badstübner, der erst gar nichts pfiff und sich dann erinnerte, dass er für Meckern und sowas ja theoretisch auch gelb zeigen darf. Dennoch wieder ein unnötiger Platzverweis, resultierte doch die erste aus Meckerei. Das sah nicht nur Dinos Mavropanos so.
Ich hab es satt
Und ja. Selbst schuld bist Du auch, wenn Du dich in der Nachspielzeit in Unterzahl am eigenen Strafraum verbarrikadierst und wartest, dass die langen Bälle wie Brandbomben über deine Köpfe fliegen. Zwei Drittel des Spielfelds konnte Kevin Akpoguma in der Einleitung des späten Ausgleichs überqueren, ohne auf einen Gegenspieler zu treffen. Andrej Kramaric ließ sich von drei Stuttgartern aus sicherer Entfernung beobachten, als er den öffnenden Ball in die Mitte spielte, der schließlich Angeliño erreichte. Und was machte der Spieler, der gemeinsam mit Borna Sosa ligaweit die meisten Flanken in den Strafraum schlägt? Richtig, er schlug unbedrängt eine Flanke in den Strafraum. Erst durch die Stuttgarter Passivität kam Kramaric überhaupt erst in eine solche Schussposition. Klassischer Fall von selbst schuld.
Ich hab es so satt. Such dir einen beliebigen Spieltag der letzten eineinhalb Jahre raus und du landest immer wieder bei den gleichen Fehlern, die drei verschiedene Trainer nicht abgestellt bekommen. Da kannst Du zwischendurch noch so ansehnlich oder aufopferungsvoll spielen, am Ende werfen wir viel zu viele Punkte unnötig weg. Ob es Guilavoguis vermeintliche ” Erfahrung, innere Führung, mentale Stabilität ” ist, die der Mannschaft abgeht, wie Fabian Wohlgemuth meint, weiß ich nicht. Genauso wenig, warum die Mannschadt immer noch wesentlich weniger läuft als der Gegner und Bruno Labbadia die gleiche Elf aufs Feld schickt, die gegen Mainz schon die Punkte liegen ließ. Es scheint, als könnte Mannschaft und Trainer nicht aus ihrer Haut, vor allem Labbadia droht, genau jene Kritiker zu bestätigen, die befürchten, dass er sich in den letzten zehn Jahren doch nicht verändert hat. Wenn es so weiter und gut geht, rumpeln wir uns wieder zu einem Last-Minute-Klassenerhalt. Aber wollen wir uns darauf verlasen, dass es irgendwie am Ende wieder reicht oder wollen wir auch mal was für den Klassenerhalt tun?
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass stellt fest: “Aber das Team, in dem es angeblich überhaupt nicht stimmen soll, zeigt Moral, Willen und Widerstandskraft. Dass es nicht zum ersehnten Dreier reicht, liegt erneut an der Naivität und ja, Dummheit, der Mannschaft.”
Titelbild: © Alex Grimm/Getty Images
Richtiger Vbler bist du.
Immer nur nörgeln anstatt einfach mal die Arschbacken zusammen zu kneifen.
Danke für deine inhaltliche Replik.
Viele Grüße, Lennart
Aber mal ganz ehrlich, dieses andauernde „ich bin VfB-Fan, deshalb stehe ich immer hinter der Mannschaft und bejuble alles was sie tun“ ist doch genau der Grund, warum Lennart so etwas schreibt, ja sogar schreiben muß!
Ich würde mir wünschen, solch eine, ja ich gebe zu, unbequeme Einschätzung der Situation hätte ich gerne in Kreisen der Mannschaft oder wenigstens des Vereins! Nur dann könnte etwas besser werden!
Also Lennart, weiter so, du triffst in 99% der Analysen meine Meinung! Dein Blog gehört für mich zu jedem Spiel dazu!
Ist “seelenruhig einschieben” die richtige Beschreibung des ersten Hoffenheimer Tores? 😉
Hi Michael,
beim 1:0 hat er auf jeden Fall zu viel Platz.
Viele Grüße