Schön blöd

Spie­le­risch zeigt der VfB gegen Borus­sia Dort­mund einen Auf­wärts­trend, bringt sich aber durch eine schlecht abge­si­cher­te Ecke um den Lohn. War­um es trotz­dem unan­ge­mes­sen ist, Par­al­le­len zu 2016 und 2019 zu zie­hen.

Da woll­ten sie wie­der zu viel! Wer erin­nert sich nicht an 2015, als Alex Zor­ni­ger sei­ne Man­nen bei einer 3:1‑Führung in Lever­ku­sen wei­ter stür­men ließ und sich am Ende ein 4:3 ein­fing! Und über­haupt: Läuft es jetzt nicht wie­der wie 2018, als wir das Ergeb­nis der Vor­sai­son gna­den­los über­schätz­ten und sehen­den Auges auf den Abgrund zu galop­pier­ten, in dem blin­den Glau­ben, zu gut für den Abstieg zu sein? Kennt man das nicht vom VfB? Gegen Dort­mund und Bay­ern gut spie­len und ver­lie­ren und dann gegen direk­te Kon­kur­ren­ten wie­der bie­de­re Kost und genau­so­we­nig Punk­te?

Ich muss zuge­ben: Die 1:2‑Niederlage im West­fa­len­sta­di­on nervt mich kolos­sal. Nicht so kolos­sal wie die bei­den Spie­le davor, aber wenn Du einen mög­li­chen Punkt, den Du drin­gend brauchst, fünf Minu­ten vor Abpfiff durch einen Ball­ver­lust nach eige­ner Ecke lie­gen lässt, dann hast Du die­sen Punkt viel­leicht auch ein­fach nicht ver­dient. Wobei ver­die­nen ja immer so ne Sache ist. Ich fand auch Chel­se­as Cham­pi­ons-League-Sieg 2012 ver­dient, weil sie ein­fach cle­ve­rer waren als die Bay­ern. In die­sem Fall war der VfB ein­fach ein biss­chen blö­der als der BVB, der sich ohne sei­nen bes­ten Stür­mer auch nicht beson­ders cle­ver anstell­te.

Der Mut macht Mut

Was natür­lich auch am VfB lag, der den Gast­ge­bern nur wenig Räu­me zwi­schen den Ket­ten gab und mit Mavro­pa­nos, Ito und Anton eine Abwehr­ket­te hat­te, die den Namen auh ver­dien­te. Beim Blick auf die Auf­stel­lung der Borus­sia hät­te ich zwar trotz­dem immer noch lie­ber deren Ver­let­zungs­pro­ble­me gehabt als unse­re, aber es wur­de deut­lich: Der BVB mag mehr als einen Unter­schieds­spie­ler haben, gegen den VfB mach­te den Unter­schied zwi­schen einem und drei Punk­ten aber vor allem die feh­len­de Cle­ver­ness unse­rer Mann­schaft aus. Viel­leicht wäre Reus und Co. in den letz­ten fünf Minu­ten doch noch ein pas­sen­der Ball vor die Füße gefal­len. Aber man muss es ihnen ja nicht so ein­fach machen.

Dabei lief es wie gesagt, rich­tig lan­ge rich­tig gut. So gut, dass der VfB, hät­te er einen fit­ten Stür­mer, der mit schnel­len Tem­po­ge­gen­stö­ßen etwas anfan­gen kann, wohl min­des­tens einen, wenn nicht drei Punk­te aus Dort­mund ent­führt hät­te. Denn cheap breit­ling repli­ca mit zuneh­men­der Spiel­dau­er und erfreu­li­cher­wei­se auch nach Wie­der­an­pfiff wur­de der VfB immer muti­ger, erkämpf­te sich im Mit­tel­feld Bäl­le und ver­such­te im Anschluss die Dort­mun­der mit klu­gen Ver­ti­kal- und Dia­go­nal­bäl­len zu über­rum­peln. Cou­li­ba­ly wäre das fast gelun­gen, hät­te er nach der Kopf­ball­vor­la­ge Manga­las etwas genau­er an Ex-VfB-Kee­per Kobel vor­bei­ge­zielt. Der Aus­gleich durch Mas­si­mo ließ dann Erin­ne­run­gen an das letz­te Aus­wärts­spiel in Dort­mund wach wer­den.

Die Strukturen stimmen

Aber es reich­te am Ende nicht, weil der VfB bei einer Ecke eben einen geblock­ten Schuss nicht mehr zurück­be­kam und Reus und Hazard sich die lei­der schon län­ger bestehen­den Pro­ble­me in der Rück­wärts­ver­tei­di­gung und die etwas schma­le Absi­che­rung des VfB an der Mit­tel­i­nie zunut­ze mach­ten. Also gut gespielt, aber doch ver­lo­ren? Zu viel gewollt und die Quit­tung kas­siert? Wenn Du nicht mal einen Punkt fest­hal­ten kannst, wie willst Du dann die Klas­se hal­ten? Nahe­lie­gen­de Fra­gen, die natür­lich dar­auf abzie­len, die aktu­el­le Situa­ti­on irgend­wie zu ratio­na­li­sie­ren, zu begrün­den, einen Blick in die Glas­ku­gel zu wer­fen?

Natür­lich ist der Abstieg mit wei­ter­hin nur zehn Punk­ten aus jetzt zwölf Spie­len und Tabel­len­platz 16 wei­ter­hin eine rea­le Bedro­hung und das Ver­trau­en auf die magi­schen Fähig­kei­ten von Silas und Sasa genau­so ein Blick in die Glas­ku­gel. Gar kei­ne Fra­ge. Nur: Die Leis­tungs­stei­ge­rung gegen Dort­mund, ver­gli­chen mit den Nie­der­la­gen gegen Bie­le­feld und Augs­burg, war von der Art und Wei­se her kein ein­ma­li­ges Auf­fla­ckern, wie wir es schon häu­fig erlebt haben. Es waren die Spiel­struk­tu­ren, die bereits in der ver­gan­ge­nen Sai­son funk­tio­niert haben. Der Höhen­flug in der Rück­run­de 2017/2018 basier­te ja nicht auf einem bestimm­ten Spiel­sys­tem, son­dern auf frü­hen Füh­rungs­tref­fern und dem Glück des Tüch­ti­gen und kos­te­te neben­bei einen Trai­ner den Job. Ganz zu schwei­gen vom Men­ta­li­täts­pro­blem, wel­ches die Abstei­ger von 2016 in jener Sai­son an den Tag leg­ten, die sich im vor­ent­schei­den­den Spiel in Fast-Best­be­set­zung von Bre­men abschlach­ten lie­ßen und die Woche drauf mit Spie­lern wie Gent­ner, Kostic, Dida­vi, Maxim und Baum­gartl gegen Mainz end­gül­tig abstieg.

Zum Anknüpfen

Nein, die­ses Spiel knüpf­te in vie­ler­lei Hin­sicht an die letz­te Sai­son an, als der VfB eine kla­re Spiel­idee hat­te, sie dank des ent­spre­chen­den Per­so­nals auch umset­zen konn­te und trotz­dem nicht wie geschnit­ten Brot durch die Liga mar­schier­te. Eine Spiel­idee, die auch immer wie­der Rück­schlä­ge ein­ste­cken muss­te, die aber ein Kon­zept ver­folg­te. Das bis heu­te fort­be­steht, auch wenn ich die Kon­ter­ab­si­che­rung vorm 1:2 immer noch kata­stro­phal fin­de. Aber dann wirft man halt mal einen 18jährigen Tibi­di rein, weil er in der Län­der­spiel­pau­se gut mit­trai­niert hat oder meint, man müs­se in die­sem Spiel noch mehr raus­ho­len, als viel­leicht drin ist. Hat am Ende nicht geklappt, heißt für mich aber, dass die Mann­schaft dar­an wie­der wird anknüp­fen kön­nen, auch wenn natür­lich nicht jeder Geg­ner sei­ne Abwehr­schwä­chen für gewöhn­lich mit einem Stür­mer-Super­star kaschiert und dann so auf­ge­schmis­sen ist, wenn der fehlt, wie der BVB.

Also: Lasst uns die­ses knap­pe Spiel nicht über­be­wer­ten, denn am Ende haben wir uns sel­ber um den Punkt gebracht. Gleich­zei­tig kann man die Leis­tung aber auch nicht ein­fach so mit dem Ver­weis auf die Feh­ler der Ver­gan­gen­heit abtun. Natür­lich ist das wei­ter­hin alles Glas­ku­gel, was wir im Hin­blick auf die Rück­run­de und den Sai­son­aus­gang pro­gnos­ti­zie­ren. Und viel­leicht mag das auch ein Stroh­halm sein: Aber wenn uns die Mann­schaft in der ver­gan­ge­nen Sai­son schon auf so viel­fäl­ti­ge Wei­se posi­tiv über­rascht hat, war­um soll­te ihr das die­se Sai­son nicht auch gelin­gen?

Zum Wei­ter­le­sen: Der Ver­ti­kal­pass for­dert Weni­ger Mut, mehr Lab­ba­dia, kon­sta­tiert aber: “Um nicht zu sagen: es war fahr­läs­sig und dumm. Aber es ist der VfB. Und dar­um lie­ben wir ihn. Irgend­wie.”

Titel­bild: © Alex Grimm/Getty Images

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