Mit dem Auswärtsspiel in Berlin-Köpenick kehrt der VfB aus der Länderspielpause zurück. Über die Lage bei Union unterhielten wir uns mit Fan und Podcasterin Nadine vom Textilvergehen.
Rund um den Brustring: Hallo Nadine und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Union hat nach zwei 4:1‑Siegen zum Auftakt der Bundesligasaison und einem 4:0 in der ersten Pokalrunden sämtliche l Pflichtspiele in dieser Saison verloren: Fünf in der Liga, zwei in der Champions League. Wie erklärst Du Dir den Saisonstart?
Nadine: So richtig habe ich noch keine Antwort darauf gefunden. Nach dem Ausfall von Rani Khedira mussten wir schon ab dem 1. Bundesligaspieltag ohne ihn spielen. Da klappte es noch mit zwei Siegen. Gegen Leipzig, Madrid und auch Wolfsburg kann man verlieren. Auch gegen Hoffenheim. Allerdings hatten wir dabei auch viel Pech. Fragwürdige Entscheidungen vom Schiedsrichter, vorne das Tor nicht machen und hinten dann den eigenen Mitspieler anschießen woraus ein Gegentor entsteht.
Ich glaube die Mannschaft braucht einfach wieder ein Erfolgserlebnis und einen ruhigeren Kopf in der Schlussphase der Spiele. Manchmal wirkt es wie ein wilder Hühnerhaufen, weil jeder beim verteidigen helfen will, sie sich dann aber auf den Füßen stehen.
Das Selbstvertrauen muss zurück kommen, vielleicht müssen auch die neuen Spieler noch mehr integriert werden und den „Urs Fischer Fußball“ besser verstehen damit es wieder läuft. So eine richtige Erklärung finde ich allerdings noch nicht.
Apropos Champions League. Für die hat sich dieser Verein ja in diesem Jahr zum ersten Mal qualifiziert. Nimm uns mal mit in Eure Gefühlswelt: Wie war das, die bekannte Hymne das erste Mal vor einem Union-Spiel zu hören?
Das ist eigentlich nicht in Worte zu fassen. Generell dieser schnelle Weg dahin. Natürlich wissen wir alle, dass das nicht der Dauerzustand von Union sein wird und somit genießen wir alle jede Sekunde.
Ich war beim ersten Spiel in Madrid. In diesem Stadion zu stehen, die eigene Mannschaft gegen die vermutlich beste Mannschaft der Welt zu sehen und das ganze auch noch in der Champions League war hoch emotional und es flossen einige Tränen im Auswärtsblock. Da konnte noch keiner ahnen, wie knapp wir dieses Spiel verlieren.
Beim „Heimspiel“ im Olympistadion kam für mich leider nicht so richtig das Gefühl auf. Ja, es ist immer noch die Champions League und es ist unfassbar in diesem Wettbewerb zu spielen. Aber es sind eben keine richtigen Heimspiele für uns und das spürt man, auch wenn wir mit über 73.000 Unionern eine Rekordkulisse hatten und sehr gut Stimmung gemacht haben.
Siehst Du die Gefahr, dass es nach dem steilen sportlichen Aufstieg seit 2019 jetzt wieder genauso rasant bergab gehen könnte?
Ich gehe seit 2006 zu Union, seitdem ging es immer bergauf. Die letzten Jahre dann wie du sagst sehr schnell. Aktuell läuft es nicht sehr gut, aber wir haben erst sieben Spieltage gespielt. Noch haben wir alle Zeit den Klassenerhalt zu sichern. Und wenn wir das Jahr auf den Plätzen 8–11 abschließen, ist das immer noch eine gute Saison. Natürlich sieht der Kader nach einer besseren Platzierung aus, aber irgendwann muss unser Höhenflug ja einen Dämpfer bekommen. Also nein, ich sehe noch nicht, dass es so rasant abwärts geht, es kann aber durchaus sein, dass wir im nächsten Jahr mal nicht durch Europa reisen.
Im Sommer verpflichtete Union unter anderem mit Robin Gosens, Kevin Volland oder Leonardo Bonucci große Namen. Wie bewertest Du die Transferaktivitäten von Oliver Ruhnert?
Oliver Ruhnert ist ein Meister auf diesem Gebiet. Anders kann man es nicht sagen. Das Spieler mit diesen Namen unser Trikot tragen ist natürlich der Wahnsinn. Aber Oli Ruhnert achtet vor allem darauf, dass die Spieler auch wirklich Lust haben bei uns zu spielen, dass sie menschlich passen und er hat zu jedem einen genauen Plan oder eine genaue Vorstellung wie seine Rolle bei uns aussieht. Die drei genannten sind große Namen, am Ende muss man aber auch sehen, dass Ruhnert mit Berlin, Bundesliga und Champions League keine so schlechten Argumente hat. Bemerkenswerter finde ich dann Transfers der vermeintlich kleineren Namen, die aber mit der Zeit immer wichtiger für unsere Mannschaft werden und aufgrund ihrer Leistung komplett überzeugen.
Hat sich an der Spielweise von Urs Fischer in seinem sechsten Jahr als Union-Trainer eigentlich etwas geändert?
Im Grundsatz ist es weiterhin das gleiche: Versuche das beste aus den Spielern zu machen, die du zur Verfügung hast. Ich glaube auch, dass wir versuchen mehr spielerische Lösungen zu finden und weniger lange Bälle nach vorne zu schlagen, in der Hoffnung dass sie dort jemand festmachen kann.
Auch wenn viele bei uns noch von „Antifußball“ oder „Terrorfußball“ sprechen, so hat sich unsere Spielweise meiner Meinung nach schon etwas geändert.
Wo siehst Du aktuell die Stärken und Schwächen der Union-Elf? Und auf wen müssen wir am Samstag besonders aufpassen?
Wir nutzen momentan unsere Chancen nicht so effektiv wie wir es gewohnt sind. Der letzte Pass oder der Abschluss sind momentan nicht so, wie es in den letzten Jahren war. Dennoch muss man aufpassen wenn Sheraldo Becker sein Tempo ausspielen kann, vor dem Tor ist er dann auch immer gefährlich. Kevin Behrens trifft momentan auch nicht mehr, aber auch er spielt sich immer Situationen heraus und kann aus den unwahrscheinlichsten Möglichkeiten ein Tor machen.
Generell hoffe ich, dass auch unsere Stärke bei Standards wieder mehr zum Vorschein kommt.
Mit Rani Khedira ist ein ehemaliger VfBler jetzt schon eine ganze Weile bei Euch, im Sommer Kam mit dem Wiesbadener Aufstiegsheld und ehemaligen Stuttgarter Jugendspieler Benedict Hollerbach ein weiterer hinzu. Wie läuft es aktuell für die beiden bei Euch?
Rani ist leider seit dem Pokalspiel verletzt ausgefallen. Und meiner Meinung nach fehlt er sehr. (Ebenso wie Robin Knoche)
Ansonsten ist Rani ein Spieler, der unfassbar gut zum Fußball von Urs Fischer passt und den ich nur ungern irgendwann wieder gehen lassen werde.
Benedict Hollerbach bekam zuletzt immer ein paar Minuten in der Bundesliga. Für die Champions League ist er nicht gemeldet worden. Er spielt sich rein, hat ein paar gute Aktionen. Aber ich denke er braucht noch etwas Zeit. Der Sprung vom Aufsteiger in die Zweite Liga zum Bundesligisten ist ja auch kein kleiner.
Wer fällt denn aktuell bei Euch aus?
Josip Juranovic hat sich in der Länderspielpause wohl schwerer verletzt, das sollte aber auf das Spiel gegen euch noch keine großen Auswirkungen haben. Da spielt dann Christopher Trimmel. Jerome Roussillon und Mikkel Kaufmann sind wohl ebenfalls verletzt. Alex Schwolow ist krank.
Rani Khedira und Robin Knoche sind evtl. wieder einsatzbereit nach längeren Verletzungen.
Mit Andras Schäfer haben wir noch einen Langzeitverletzten.
Grundsätzlich haben wir in dieser Saison gefühlt mehr Verletzungen als in der kompletten letzten Saison.
Was ist Dein Tipp für Eure Aufstellung und das Ergebnis?
Die Aufstellung macht sich durch die Verletzten dann fast von selbst. Ich hoffe sehr, dass Knoche wieder hinten in der Abwehr steht. Um ihn herum dann Gosens, Leite, Doekhi und Trimmel.
Wenn Rani wieder von Beginn an spielt, wäre das auch fantastisch. Mit Laidouni und Fofana und vorne dann Behrens (falls er fit genug ist nach der USA Reise) und Becker.
Ich hoffe wir fahren mal wieder einen dreckigen 2:1 Sieg ein. 🙂
Titelbild: © Dean Mouhtaropoulos/Getty Images