Nach der Länderspielpause reist der VfB an die Alte Försterei. Mit dem Startrekord im Gepäck geht es ausgerechnet an dem Ort, wo sportlich gesehen die dunkelste Stunde der jüngeren Vereinsgeschichte schlug.
Es fühlt sich halt immer noch irgendwie ein Traum an, wenn man auf die Tabelle schaut. Vielleicht ist das eine Auswirkung des Klimawandels, denn obwohl es eigentlich “kommt Frühling, kommt VfB” heißt, sind wir schon jetzt — mitten im Herbst — da. Mittlerweile glaube ich auch nicht dran, dass das nur Spielplanglück ist, denn schaut man sich die Jahrestabelle an, stehen wir in der Bundesliga nach 26 Spielen auf einem gemütlichen Platz 8.
Und das wohlgemerkt trotz zwölf Spielen unter Bruno Labbadia. Was Sebastian Hoeneß aus der Mannschaft gemacht hat, ist Wahnsinn. Die Nominierung von Chris Führich für die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist die logische Konsequenz und man kann auch ohne viel Ironie zu verwenden die Nominierung von Waldemar Anton fordern.
Und jetzt fahren wir an die Alte Försterei. Der Ort, wo wir trotz zweier Unentschieden aufgrund der Auswärtstorregel (nichtsdestotrotz verdient) abgestiegen sind. Wo wir zusehen mussten, wie die Eisernen ihren Aufstieg feierten, während wir selber um Fassung rangen. Die logische Konsequenz von Dietrich, Reschke, Korkut und Weinzierl. Das ist mittlerweile vier Jahre her. In den vier Jahren kämpften wir mit Ausnahme von 20/21 jedes Jahr um die Bundesligazugehörigkeit während die Eisernen von Erfolg zu Erfolg reisten. Aufstieg. Klassenerhalt. Europa. Champions League. Ja, die Unioner denken wohl mit Freude an uns, während für uns die Reisen an die Försterei eher mit Trauer, Wut und Enttäuschung verknüpft sind.
Ausgerechnet jetzt — während unseres Höhenflugs — reisen wir dorthin. Irgendwie fühlt es sich an, als wäre das die letzte große Prüfung der “Rekord-Schwaben” um zu zeigen, dass sie der neue VfB sind und dass sie außer dem Trikot und dem Logo nichts mit der Mannschaft von Mai 2019 gemein hat.
Union Berlin erlebt zurzeit ein relativ enttäuschendes Jahr. Klar, jeder Union-Fan wird dir erzählen, dass das nicht schlimm ist weil man will ja immerhin nur nicht absteigen, aber zumindest die sportliche Führung hätte sich einen besseren Saisonstart gewünscht. Trotzdem darf und wird die Mannschaft sie nicht unterschätzen. Gerade zuhause können sie mit der Unterstützung der Zuschauenden sehr starke Kräfte entwickeln, an denen schon Dortmund und Bayern zu knabbern hatten.
Übrigens, wer am Samstag nicht in Berlin dabei sein kann, dem sei eine Reise auf die Waldau zu empfehlen, denn dort trifft unsere U21 um 14 Uhr die Stuttgarter Kickers zum Regionalliga-Spitzenspiel. Mehr Derby geht nicht!
Personalsituation
Die gute Nachricht: Unser Asia-Games-Sieger Jeong ist mittlerweile wohlbehalten zurückgekehrt. Auch unser Neu-Nationalspieler Chris Führich kommt ohne Blessuren zurück von der USA-Marketing-Reise des DFBs. Nur hinter Japans Nationalspieler Hiroki Ito steht laut Hoeneß ein kleines Fragezeichen. Der 24jährige Linksverteidiger fiel bereits in der Nationalmannschaft wegen Rückenschmerzen aus, die ihn eventuell auch bei einem Einsatz am Samstag ein Strich durch die Rechnung machen könnten.
Joshua Vagnoman fällt weiter aus. Das tut weh zu sehen, dass ein so stark veranlagter Fußballer immer wieder durch seinen eigenen Körper gebremst wird. Man kann nur hoffen, dass die Verletzungen wie einst bei Mavropanos irgendwann mal abnehmen und er sein volles Potenzial entfalten kann.
Mögliche Startaufstellung
Es ist wahrscheinlich eher weniger das “wie sie wohl spielen werden”, weil ich dort das typische 4–2‑3–1 erwarte, als vielmehr das was ich sehen will.
Mit Dreierkette wie gegen Wolfsburg in der zweiten Halbzeit ohne den zuletzt schwächelnden Stenzel, dafür mit Silas als Wingback und Undavs ersten Startelfeinsatz. Leweling dagegen muss sich erstmal hinten anstellen, die Leihgabe von Union war mir dann doch noch zu unauffällig, als dass er an Undav und Jeong vorbeikommen könnte.
Statistik
Union Berlin ist in der Bundesliga nicht gerade der Wunschgegner der Schwaben. In sechs Duellen punkteten die Berliner in jedem Spiel. Je drei Mal konnten sie gewinnen oder man teilte sich die Punkte. Auswärts konnte man noch nie, egal in welcher Liga man gespielt hat, gegen Union Berlin gewinnen (Gott sei Dank ist das Pokalspiel daheim!). Fun Fact dazu: Gleich zweimal kostete letzte Saison die Niederlage gegen Union Berlin den Job des VfB-Cheftrainers. Pellegrino Matarazzo musste gehen, nachdem man knapp mit 0:1 daheim verlor. Danach musste Wohlgemuth erst ein 0:3 im heimischen Berlin beobachten, um zu erkennen, dass Bruno Labbadia dann doch nicht der Feuerwehrmann ist, der er einmal war.
Taktik geschehen ist Union Berlin wahrscheinlich das Gegenteil vom VfB. Während Sebastian Hoeneß mit Ballbesitz und kurze aber schnelle Pässe erfolgreich taktiert, setzen die Eisernen eher mehr auf Flanken und Lufthoheit. Sie haben die drittmeisten Flanken geschlagen und gewinnen die fünftmeisten Kopfballduelle. Der VfB dagegen hat die dritthöchste Pass- und Ballbesitzquote. Dagegen will Urs Fischer den Ball lieber beim Gegner sehen und schnell umschalten. Sie haben die drittgeringste Ballbesitzquote.
Auch wenn die Offensive beim VfB gerade überall in den Medien ist, die Defensive ist auch nicht schwach. Die Abwehr hat unter Waldemar Anton die zweitwenigsten xG der Liga zugelassen, während man mit 60 Fouls die wenigsten der ganzen Bundesliga hat.
Fazit
Die Eisernen fangen an zu rosten, während die Guirassy-Show weiter heiß läuft. Mit einem Sieg könnte sich der Kreis schließen und man kann weiter von der Tabellenführung träumen. Wobei Union Berlin ein unangenehmer Gegner wie Wolfsburg sein wird und eher ein schwieriges Pflaster für die Schwaben ist. Die zweite Saisonniederlage wäre keine Überraschung, allerdings wäre das auch der sechste Sieg in Folge nicht… Ich tipp allerdings auf ein 0:0, da sich beide Mannschaften mit ihren Fußballstil neutralisieren werden.
Titelbild: © Maja Hitij/Getty Images