Kann der VfB in Hoffenheim die Scharte der Niederlage aus dem Hinspiel auswetzen? Vor der Partie am Samstagabend sprachen wir mit Hoffenheim-Experte Niko Beck, stellvertretender Ressortleiter Sport bei der Rhein-Neckar-Zeitung.
Rund um den Brustring: Hallo Niko und danke, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Nach dem 1:3 in Frankfurt ist der Rückstand der TSG auf die Eintracht auf sieben Punkte angewachsen. Welche Chancen rechnest Du der Mannschaft noch auf den sicheren Europapokal-Platz 6 aus?
Niko: Hi Lennart, klar doch. Immer wieder gerne. Bei der TSG ist man aktuell sehr bemüht, keine tabellarischen Ziele auszurufen. Stets wird betont, wie gut man doch im Vergleich zur katastrophalen Vorsaison dasteht. Das stimmt natürlich. Aber falls es für Europa reichen sollte, dann eher, weil auch die Konkurrenz nicht konstant punktet. Mit den bisher gezeigten Leistungen — so ehrlich muss man sein — wäre Platz sechs ein bisschen viel des Guten.
Hoffenheim hat mit viele Tore geschossen, ligaweit aber auch mit die meisten kassiert — liegt das an der Spielweise von Pellegrino Matarazzo oder den Fähigkeiten der Mannschaft — oder gar an beidem?
Eher an den Fähigkeiten der Mannschaft. Mit Neu-Nationaspieler Maxi Beier hat “Hoffe” eine echte Rakete vorne drin. Wout Weghorst kommt in der Beurteilung bei vielen schlechter weg als er ist. Er hat einen enormen Wert für die Mannschaft, macht viele wichtige Dinge richtig, auch wenn er nicht herausragend trifft bislang. Dazu ist Ihlas Bebou gut in Form und Andrej Kramaric sowieso über jeden Zweifel erhaben. Dieses Team hat seine Stärken in der Offensive. Defensiv dagegen hat sich in dieser Runde nur Kevin Vogt stabil präsentiert. Der spielt bekanntlich aber inzwischen in der Hauptstadt. Während der Wintervorbereitung hat Matarazzo viel an den defensiven Abläufen gearbeitet. Insgesamt wurde das Abwehrverhalten auch besser. Aber hinten fehlt sicher ein bisschen die individuelle Qualität.
In Frankfurt handelten sich mit John Anthony Brooks und Ex-VfBler Ozan Kabak beide Innenverteidiger einen Platzverweis ein und sind dementsprechend am Samstagabend gesperrt. Zudem fehlen einige Spieler wegen Verletzungen. Welche Auswirkungen wird das haben und wo siehst Du sonst aktuell Stärken und Schwächen des Teams?
Siehe oben. (lacht) Das gerade in der Abwehr jetzt zum wiederholten Male Spieler gesperrt fehlen, macht die Sache gewiss nicht leichter. Aber auch nicht wirklich problematischer. Wie gesagt: So richtig sattelfest war das in keiner Konstellation über mehrere Spiele hinweg. Die mit Abstand bitterste Verletzung ist sicher die von Dennis Geiger. Der junge hat wirklich eine tragische Karriere bislang. Nach der Partie in Dortmund konnte ich mit ihm sprechen. Die Freude über das Comeback nach fast neun Monaten Pause — wohlgemerkt wegen einer Muskelverletzung, nicht etwa einer komplizierten Knieverletzung oder ähnlichem — war regelrecht ansteckend. Als er im nächsten Spiel in Bremen sich direkt wieder eine muskuläre Verletzung zuzog, hätte man dagegen am liebsten auch mitgeweint.
Nachdem beide Mannschaften letzte Saison gegen den Abstieg kämpften, duellieren sie sich am Samstag einige Etagen höher. Wie bewertest Du die Arbeit von Trainer Pellegrino Matarazzo aktuell?
Rino hat vor allem bei vielen Fans einen schweren Stand. Schwer zu sagen, woran das liegt. Vermutlich stößt vielen übel auf, dass die Heimbilanz ausbaufähig ist und auch nicht immer spielerisch restlos überzeugt wurde. So ganz hat sich der Klub auch immer noch nicht von der Ära Nagelsmann emanzipiert. Ob Schreuder, Hoeneß, Breitenreiter oder eben Matarazzo: die Herzen im Sturm erobern konnte seither keiner. Ich selbst sehe ihn und seine Arbeit nicht so kritisch. Er strahlt stets Ruhe aus und das ist bei der TSG, bei der es nach wie vor intern immer wieder brodelt, kaum hoch genug anzurechnen. Im Umgang mit den Medien ist er ebenfalls total souverän. Aber klar, die lange Durststrecke vor dem Coup beim BVB hat auch Matarazzo angezählt. Viele weitere sieglose Spiele hätte er zu diesem Zeitpunkt eher nicht überstanden.
Wie blickt man im Verein und im Umfeld darauf, dass am Samstagabend wahrscheinlich sehr viele VfB-Fans vor Ort sein werden?
Das kennt man in Sinsheim ja bereits. Die Zuschauerthematik nervt natürlich alle. Die Klubverantwortlichen betonen zwar immer, wie schwer es für ein Dorf wie Hoffenheim mit 3500 Einwohnern, aber auch für eine Stadt wie Sinsheim (36000) ist, so eine Arena voll zu bekommen. Aber dennoch ist eine regionale Charmoffensive ganz oben auf der Prioritätenliste. Auch die Spieler machen zwar gute Miene zum bösen Spiel, betonen, dass sie sich über gute Stimmung freuen, egal von wem sie kommt. Aber natürlich würden auch die Profis sich mehr Heimsupport wünschen. Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Kurve ist aber nach einigen Aussprachen in der Vorsaison wieder richtig gut. Auch während der Sieglosserie war das am Zaun immer unterstützend und konstruktiv nach Spielen. Aber klar, auch die Fans, die in die Arena kommen, ärgern sich, wenn sie im eigenen Stadion gefühlt in der Unterzahl sind.
Das Hinspiel war torreich, Hoffenheim entschied es am Ende dank der größeren Effizienz, auch von Maxi Beier, für sich. Was für ein Spiel erwartest Du am Wochenende?
Ganz ehrlich: ein richtig Gutes. Das, was der VfB unter Hoeneß in dieser Runde spielt, ist für mich ein absolutes Rätsel. Aber natürlich im positivsten aller Sinne. Der Stuttgarter Fußball liegt “Hoffe” auch mehr als tiefstehende und abwartend agierende Gegner. Ich erwarte mindestens vier Tore. Die Frage wird natürlich sein, wer sie schießt. (lacht)
Dein Tipp für die Hoffenheimer Startelf und das Ergebnis?
Ich bin auch gespannt, wie das am Samstag personell aussehen wird. In einer Dreierkette wäre wohl Grillitsch im Zentrum gesetzt. Nsoki und Akpoguma daneben. Die in Frankfurt gesperrten Kaferabek und Bülter sind für die Schienen wieder Optionen. Beier ist gesetzt. Vermutlich wird auch Weghorst wieder eine Chance bekommen, nachdem er in Frankfurt 90 Minuten lang saß. Und mein Tipp fürs Ergebnis: 2:2 oder 3:3.
Titelbild: © Alex Grimm/Getty Images