Vor dem Freitagabend-Spiel haben wir mit dem Borussia-Blog Seitenwahl.de über die Lage am Niederrhein gesprochen.
Rund um den Brustring: Mit dem 10. Platz in der vergangenen Saison belegte die Borussia zum ersten Mal seit der erfolgreichen Relegation 2011 wieder am Saisonende einen zweistelligen Tabellenplatz. Aktuell steht die Borussia zur Mitte der Hinrunde auf Platz 11 und hat seit Anfang Oktober nicht mehr gewonnen. Hat der Verein ein wenig den Anschluss nach oben verloren oder ist das nur eine Momentaufnahme?
Seitenwahl.de: Letzte Saison hat Borussia das erste Mal seit 2011 eine Saison nur in der unteren Tabellenhälfte abgeschlossen. Bei einem guten Verlauf würden in dieser Saison schon Chancen bestehen, wieder um die europäischen Plätze mitzuspielen. Es ist aber auch klar, dass wir bei einem weniger guten Verlauf nicht mehr als Mittelmaß erwarten dürfen. Nach 9 Spieltagen befand sich die Mannschaft immerhin noch auf einem 6. Platz, was durch die letzten Wochen getrübt wurde. Grundsätzlich steht Borussia aktuell da, wo sie von ihren bisherigen Leistungen dieser Saison hingehören. Es wird ein harter Kampf, um den Verein nachhaltig wieder weiter vorne platzieren zu können.
Wo seht Ihr die Gründe für den durchwachsenen Saisonstart?
Die Mannschaft besteht überwiegend aus denselben Spielern, die bereits in den vergangenen beiden Jahren sehr schwankende, und im Schnitt durchwachsene Leistungen gezeigt haben. Durch den Ausfall von Ko Itakura ist Weigl aktuell faktisch der einzige Neuzugang, während Ginter nicht mehr zur Verfügung steht. Die erste Elf hat individuell eine recht hohe Qualität. Es gibt aber in der Bundesliga vermutlich keine andere Mannschaft, bei der das Leistungsgefälle zwischen Startelf und Ersatzbank so hoch ist. Wenn wie zuletzt 5–6 Stammkräfte ausfallen, kann Borussia dies nicht adäquat kompensieren.
Und was ist für die Borussia in dieser Saison noch drin?
Die Liga ist bislang noch immer sehr ausgeglichen, sodass nach oben wie unten weiter vieles möglich erscheint. Sollte Borussia die beiden Duelle mit dem VfB und VfL in der kommenden Woche verlieren, müsste der Blick sogar nach unten gerichtet werden. Wir sind aber zuversichtlich, dass die Mannschaft zumindest nicht allzu ernsthaft in den Abstiegskampf verwickelt wird. Wenn vieles gut läuft, ist auch weiterhin noch ein 6. oder 7. Platz nicht unmöglich. Dazu müsste aber u. a. die Zahl der Verletzten in der Rückrunde deutlich zurückgehen.
Seit Saisonbeginn steht Daniel Farke an der Seitenlinie, der zuletzt in Russland tätig war und davor vier Jahre lang Norwich City betreute. Wie zufrieden seid ihr mit ihm?
Daniel Farke ist ein sehr guter Kommunikator und Experte, der bei den Fans sehr beliebt ist. Blickt man auf die reinen Zahlen, dann hatte die Mannschaft unter dem weniger beliebten Adi Hütter zur selben Zeit in der Vorsaison zwar zwei Punkte mehr. Was aber trotz der schwachen Ergebnisse zuletzt Mut macht: Bei Farke ist so etwas wie eine Handschrift zu erkennen und man sieht, welchen Plan er mit seiner Mannschaft verfolgt.
Wie lässt er die Borussia spielen, was sind Eure Stärken und Schwächen?
In Norwich wurde für ihn der Begriff „Farke-Ball“ entwickelt, den er auch bei Borussia umsetzt. Anders als der pressingorientierte Red-Bull-Stil, den die Mannschaft von den beiden letzten Trainern aufgedrückt bekam, aber nie wirklich lebte, scheint Farkes Ballbesitz-Fußball besser zum vorhandenen Spielermaterial zu passen. Es ist auch Freitag damit zu rechnen, dass Borussia viel Ballbesitz haben und geduldig auf seine Chancen warten wird, um die Stuttgarter Defensive zu knacken. Durch die hohe individuelle Qualität sollte dies auch möglich sein. Probleme bereitet es der Mannschaft aber immer wieder, wenn ein Gegner augsburgt. Die Defensive hat nach starkem Saisonbeginn zuletzt wieder sehr nachgelassen und 16 Gegentore in den letzten 6 Partien kassiert. Zudem wird die erste und letzte Viertelstunde einer Partie oft verschlafen, was bereits einige Punkte gekostet hat.
Marcus Thuram ist mit acht Treffern aktuell drittbester Torschütze der Bundesliga, Alassane Pléa hat schon fünf Buden aufgelegt. Die Borussia scheint sich vor allem durch ihre Torgefahr auszuzeichnen. Wie seht ihr den Kader und wo besteht im Winter Nachholbedarf?
Borussia hat gerade in der Offensive einige starke Individualisten, die jederzeit für Tore gut sind. Neben Thuram und Plea sind da auch z. B. Stindl und Hofmann zu nennen, wenngleich letzterer leider verletzt ausfällt. Für Ausfälle ist der Borussen-Kader gerade in der Offensive leider nicht ausgelegt und es wären im Grunde zwei weitere Spieler erforderlich, um den Kader in der Breite zu verstärken. So gibt es aktuell z. B. keine brauchbare Vertretung für Marcus Thuram. Einwechselungen sind daher im Grunde nicht möglich, ohne das Team entscheidend zu schwächen.
In der verlängerten Winterpause ist aber auch zwangsweise mit Veränderungen im Kader zu rechnen, da sich die letzte Gelegenheit bietet, für die beiden Leistungsträger Thuram und Bensebaini ggf. noch etwas Ablöse zu erzielen. Sportlich wären beide ein enormer Verlust, dessen Auswirkung auf den Saisonverlauf schwer zu prognostizieren wäre. Sollte einer von ihnen gehen, wird ein entsprechender Ersatz erforderlich. Das Problem ist nur, dass die Finanzlage des Vereins derzeit keine großen Sprünge hergibt und die Ablösen bei nur noch einem halben Jahr Vertragslaufzeit nicht allzu hoch ausfallen dürften.
Zum Abschluss: Euer Tipp fürs Spiel am Freitagabend?
Gerade nach den letzten Wochen steht die Mannschaft unter Druck, gegen Stuttgart unbedingt gewinnen zu müssen. Das wird aber nicht einfach. Am Ende erwarte (und erhoffe) ich einen knappen 2:1‑Sieg – vermutlich mal wieder durch einen Treffer in der Nachspielzeit.
Titelbild: © VfB-Bilder.de