Nach dem FSV Mainz 05 trifft der VfB am Samstag auf den nächsten stark abstiegsbedrohten Gegner, den SV Darmstadt 98. Wir sprachen vor der Partie mit SVD-Blogger Matthias vom Kickschuh.Blog.
Rund um den Brustring: Hallo Matthias und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Seit Anfang Oktober warten die Lilien auf einen Sieg, sind aber dennoch — und auch nach unserem Sieg gegen Mainz — weiterhin im Rennen um den Relegationsplatz, den unser Gegner nach Euch, Köln belegt. Wie groß schätzt Du die Chancen auf den Klassenerhalt derzeit ein und was würde ein Abstieg bedeuten?
Wer nach 21 Spieltagen erst zwei Siege und in Summe nur zwölf Punkte geholt hat, der muss so langsam mal in die Pötte kommen, um ernsthaft an den Klassenerhalt glauben zu können. Es müssten rasch zwei, drei Siege her, um den Glauben zurückzugewinnen. Zumal ich mir nicht vorstellen kann, dass Mainz weiterhin so schlecht punktet. Erst recht nach dem jüngsten Trainerwechsel. Insofern räume ich den Lilien nur sehr geringe Chancen ein. Auch weil sie im Gegensatz zum Mitaufsteiger aus Heidenheim noch keine verlässlichen Automatismen gefunden haben, die Punkte garantieren oder zumindest wahrscheinlicher machen. Für den SVD wäre der Abstieg in erster Linie eine vergebene Chance, da die Qualität der Liga nicht übermächtig erscheint. Zumindest nicht in der zweiten Tabellenhälfte. Wirtschaftlich könnten die Lilien den Abstieg stemmen, da sie zwar laut Leitbild, die Top 20 herausfordern wollen, aber nicht fest mit Geldern aus der Bundesliga planen. So zumindest mein Eindruck. Auch wenn Mehreinnahmen angesichts des Stadionumbaus schon gerne gesehen wären. Ein Abstieg würde zudem einen wohl deutlicheren Umbau im Kader zur Folge haben. Die nächste Saison würde in Liga 2 also zur Wundertüte werden.
Mainz, Köln und Union haben den Trainer im Abstiegskampf schon gewechselt, Torsten Lieberknecht sitzt noch fest im Sattel. Wie lange noch?
Lieberknecht sitzt sehr fest im Sattel. Schließlich haben die Lilien schon vor der Saison seinen Vertrag vorzeitig bis 2027 verlängert. Das passte ins Bild, denn Präsident Rüdiger Fritsch hatte ihm bereits zuvor mehr oder minder eine Jobgarantie ausgestellt. Daneben wird der SVD keine zwei Cheftrainer auf dem Gehaltszettel haben wollen. Lieberknecht passt von seiner Art gut zum Klub. Er spricht die Sprache der Fans, sucht immer den Schulterschluss zu ihnen und ist sehr nahbar. Zudem hat er in der 2. Liga zwei sehr starke Spielzeiten hingelegt. Sicher, in Foren und den sozialen Medien gibt es kritische Stimmen, aber im Stadion selbst habe ich noch keinen Unmut vernommen.
Wie lässt er denn den SVD aktuell spielen und wo siehst Du derzeit Stärken und Schwächen der Lilien?
Das ist eine gute Frage, da der SVD das System gerne anpasst, auch innerhalb der 90 Minuten selbst. Hinten spielen sie zumeist mit einer 3er/5er Kette, vereinzelt auch mit Viererkette. Im Mittelfeld achten zwei Spieler auf die defensive Absicherung. Vorne versucht Rückkehrer Marvin Mehlem hinter den Spitzen kreativ zu wirken und ein zentraler Angreifer wird von einem weiteren Offensivspieler flankiert, der aber auch im Mittelfeld unterstützt. Durch die Neuzugänge Justvan (Hoffenheim) und Holtmann (Bochum) wäre aber auch ein Dreierangriff oder eine offensive Dreierreihe im Mittelfeld denkbar. Stärken? Tja, gute Frage. Das Team gibt sich nie auf und tritt als Einheit auf. Es ist um spielerische Lösungen bemüht. Schwächen? Zu viele individuelle Fehler, mangelndes Tempo (auch im Kopf), zu viel Lehrgeld im bisherigen Saisonverlauf, zu wenig resilient im Umgang mit Rückschlägen. Nach Rückstand konnte das Team bislang erst zwei Unentschieden einfahren. Bedingt durch zahlreiche Verletzungen hat sich bislang keine Achse herausgebildet, auf die du permanent zählen kannst
Matej Maglica, der nach der Saison fest zu Euch wechselt, wird das Spiel erneut aufgrund einer Sperre verpassen, ebenso Euer bester Stürmer Tim Skarke. Droht unserem Leihspieler Luca Pfeiffer trotzdem wegen Neuzugang Sebastian Polter die Bank?
Ich hoffe, dass er zusammen mit Polter den Angriff stellt. Umso mehr, als Polter der klare Zielspieler sein sollte, der Luca einfach nicht ist. Sobald er diese Funktion aber nicht mehr hat, erhoffe ich mir von ihm mehr Impact aufs Angriffsspiel, so wie er es in der Zweitligasaison vor dem Wechsel zum VfB getan hat.
Wie bewertest Du die Winter-Leihen von Polter, Gerrit Holtmann und Julian Justvan?
Polter sollte der erwähnte Zielspieler sein, der mit seiner Körperlichkeit und Erfahrung den Gegnern weh tut. So etwas haben die Lilien gebraucht. Holtmann soll Geschwindigkeit über den Flügel bringen und Justvan mehr Variabilität und Kreativität ins Angriffsspiel. Alle haben angedeutet, dass sie genau das bringen können. Nun müssen sie es dauerhaft beweisen. Leider plagen Holtmann muskuläre Probleme, sodass er gegen den VfB nicht wird auflaufen können.
Das letzte Spiel des VfB am Böllenfalltor stieg im Dezember 2019 auf einer Baustelle, mittlerweile ist das traditionsreiche Stadion fertig umgebaut. Was erwartet uns Gästefans dort im Vergleich zu früher?
Der Standort ist der gleiche wie im alten Stadion. Alles ist überdacht. Unten sind Steh‑, darüber Sitzplätze. Was jedoch immer bemängelt wird, ist die Plexiglasscheibe, die den Auswärts- vom Heimbereich trennt. Da die Gästefans sie bekleben, ist die Sicht auf große Teile des Spielfelds schwierig. Das ist wirklich ein wunder Punkt.
Zum Abschluss: Welche Aufstellung der Lilien und welches Ergebnis erwartest Du?
Das Problem ist, das viele Spieler fehlen: Maglica, Skarke, Kempe, Holtmann, Honsak, Riedel, Manu, Hornby, …
Das könnte die Optionen einengen, aber dennoch weiß man nie, welche Startelf Lieberknecht ins Rennen schickt: Ich hoffe auf die Doppelspitze Polter/Pfeiffer, dahinter Mehlem, vielleicht mit Justvan an seiner Seite. Wobei das dann eher eine Viererkette in der Defensive bedeuten würde, die Lieberknecht gegen so ein spielstarkes Team wie den VfB vielleicht nicht unbedingt präferiert. Dann wohl eher ein 3–5‑2 mit zwei defensiveren Mittelfeldspielern. Mein Ergebnistipp: 2:1 für den VfB.
Titelbild: © Alex Grimm/Getty Images