Zum ersten Mal seit den 70er Jahren gastiert der VfB am Samstag in Regensburg. Mit Robert vom SSV-Fanradio Turmfunk sprachen wir über das Spiel und den Jahn.
Rund um den Brustring: Hallo Robert und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Stell Dich und den Turmfunk doch bitte zunächst einmal vor.
Robert: Servus Lennart. Ich bin der Robert, habe Wirtschaftsinformatik in Regensburg studiert, mich mittlerweile selbständig gemacht und seitdem ich 5 war, spiele ich selbst Fußball. Mittlerweile nur noch in einer Hobbyliga.
Da ich neben dem alten Jahnstadion gewohnt habe, habe ich mir immer die Spiele angesehen und wurde langsam zum Jahnfan. In der Saison 2012/2013 als noch nicht alle Drittligapartien übertragen wurden, entstand die Idee, ein Fanradio zu gründen. Diese Idee fand ich gut und hab mich angeschlossen. Seitdem übertragen wir die Spiele daheim und auswärts in einer Radioreportage live übers Internet. Unser Kommentar ist auch im hauseigenen Jahn TV in den Zusammenfassungen und im Re-Live zu hören.
Da wir in der Abstiegssaison fast die einzigen waren, die halbwegs relevanten Content über den Verein ins Internet gestellt haben und natürlich durch Dick und Dünn gegangen sind, haben wir ein gutes Verhältnis mit dem Verein und seinen Verantwortlichen. Wenn ich mich mit anderen Fanradios unterhalte, ist das wohl ziemlich einmalig.
Zusätzlich bin ich Dauergast im 1889fm.de Podcast.
Als der VfB und der Jahn das letzte Mal aufeinander trafen, fand das Spiel auch in der 2. Bundesliga statt. Am 13. Mai 1977 gewann der VfB im Neckarstadion mit 8:0, Ottmar Hitzfeld schoß allein sechs Tore. Natürlich wird dieses Ergebnis in Stuttgart vor dem Spiel wieder heraus gekramt. Ist es in Regensburg derzeit auch so präsent?
Nicht, dass ich wüsste. Ich habe den Fakt gestern erst in einer Instagram-Fanseite erfahren. Ich meine wir sind da ja dann abgestiegen. Hätten wir euch 8:0 weggeballert und wären dann aufgestiegen, sähe das sicherlich anders aus 🙂
In dieser Saison stieg der Jahn, wie Du sagst, aus der 2. Bundesliga Süd ab und sollte in den nächsten 40 Jahren nur noch zwei Mal zweitklassig spielen. Zeitweise ging es runter bis in die damals fünftklassige Landesliga. Wie kam es zum Absturz in den 90ern und wie sehr reibt man sich angesichts der jetzt dritten Zweitliga-Spielzeit in Regensburg die Augen?
Das kann ich schlecht einschätzen, was damals die Ursachen waren. Ich bin ja eher der Fan der 2010er Jahre. Aber man merkt schon, dass diese Abstiegssorgen fest in der älteren Fan-DNA verankert ist. Wenn man sich auf der Gegengerade, auf der eher die älteren Fans sitzen umhört, ist die Stimmungslage eine andere als im etwas jüngeren Stehplatz-Publikum.
Die alteingesessenen Fans haben größere Sorgen, dass wir “die Chance” zweite Liga leichtfertig verspielen und sind für meinen Geschmack schnell überkritisch. Die Generation, die mit dem Landesligaabstieg 1996 groß geworden ist, oder die wie ich rund um den Regionalliga-Abstieg zu Fans geworden sind, wissen glaube ich die Leistung, dass wir uns in dieser Liga halten, mehr zu schätzen.
Vorletzte Saison wurdet Ihr auf Anhieb 5., letzte Saison 8. Dort steht Ihr auch nach fünf Spieltagen. Ist der Jahn auch in dieser Saison ein Kandidat für die obere Tabellenhälfte? Was ist das Saisonziel? Und wie bewertest Du den Saisonauftakt?
Das Ziel ist ganz klar (direkter) Nichtabstieg. Also mindestens Platz 15. Ich glaube, wir tun gut daran, das Ziel auch in den nächsten drei bis fünf Jahren auszurufen. Nicht nur holen wir gerade infrastrukturell viel nach, man sieht ja auch am Al Ghaddioui Transfer zu euch, dass wir bei dem Spiel “Haifischbecken zweite Liga” noch nicht mitspielen können. Allerdings konnten wir mit dem späten Transfer von Gimber und Palacios für unsere Verhältnisse noch sehr gut auf dem Transfermarkt zuschlagen. Sodass wir, wenn die Entwicklung optimal verläuft, sicherlich wieder für die ein oder andere Überraschung gut sein könnten.
Ich bin sehr zufrieden über die Punkteausbeute bis hierhin. Hätten wir uns nicht so dämlich im DFB-Pokal angestellt, würde ich sogar überaus zufrieden sagen.

Im Sommer ersetzte Mersad Selimbegovic den zum 1. FC Köln abgewanderten Achim Beierlorzer als Trainer. Wie zufrieden bist Du bisher mit ihm?
Ich persönlich bin bisher sehr mit ihm zufrieden. Obwohl ich schon zugeben musste, dass ich anfangs Angst hatte, dass die Entscheidung ein bisschen zu risikoreich ist. Aber menschlich halte ich Mersad überaus geeignet für den Job. Zu empfehlen ist auch unsere Podcast-Ausgabe mit ihm, als er noch C0-Trainer war. Es gehört auch als Trainer ja immer ein bisschen Glück dazu, weil man extrem von Ergebnissen abhängig ist. Ich befürchte eher, dass wir uns in zwei Jahren drüber unterhalten werden, ob wir ihn noch halten können.
Die Pressekonferenzen sind halt jetzt immer etwas kurz, weil er nicht so ausufernd antwortet wie Beierlorzer 🙂
Manche Fans haben in der Niederlagenserie kritisiert, dass er zu ruhig ist. Ich glaube aber, dass das vor allem bei unserer Mannschaft kein Nachteil ist.

Euer Kader hat in diesem Sommer auf den ersten Blick einen ziemlich Umbruch hinter sich gebracht. Hamadi Al Ghaddioui wechselte nach Stuttgart, im Gegenzug kam Alexander Meyer, außerdem habt Ihr unseren ehemaligen Jugendspieler Max Besuschkow verpflichtet Wie zufrieden bist Du mit den Transfers?
Alex Meyer kam ja für Pentke. Bis auf ein bisschen Übermotiviertheit hat er bisher tadellos gehalten und strahlt viel Sicherheit aus. Für einen neuen Torwart, der sich ja gegen André Weis, der auch kein Fallobst ist, durchsetzen musste, ist das sicherlich keine Selbstverständlichkeit.
Dass Adamyan nicht zu halten sein wird, war glaube ich allen klar. Spielerisch hat er ein kleines Loch hinterlassen, das gegen Wiesbaden Wekesser sehr gut gefüllt hat. Jetzt haben wir zusätzlich noch Palacios als Kreativelement. Außerdem hat Stolze noch einmal einen Entwicklungssprung gemacht und George hat gegen Wiesbaden gezeigt, was in ihm steckt. Ich denke, das können wir mittlerweile ganz gut kompensieren.

Besuschkow gefällt mir sehr gut. Er kann Bälle halten, hat eine gute Technik und sehr viel Überblick. Allerdings muss er sich schon noch an das Tempo und die Intensität der zweiten Liga gewöhnen. Wenn er diesen Entwicklungssprung hinbekommt, werden wir sehr viel Freude an ihm haben.
Der Al Ghaddioui Transfer tat vor allem deshalb weh, weil es vorher eigentlich gar kein so großer Umbruch war und es sich dann wie ein riesen Umbruch angefühlt hat. Auch, weil es so aus dem Nichts kam. Zwar war klar, dass Al Ghaddioui mal zu einem größeren Verein möchte, aber ich hätte damit erst ein Jahr später gerechnet.
Außerdem sind Angreifer in der zweiten Liga rar gesäht. Weshalb wir auch Albers aus dem Ärmel schütteln mussten. Der muss sich auch noch an das Tempo gewöhnen, hat mir aber gegen Hannover und gegen Wiesbaden sehr gut gefallen.

In Eurem Kader findet sich ein weiterer Spieler mit Stuttgarter Vergangenheit: Kapitan Marco Grüttner. Der hat beim 5:0 in Wiesbaden vor der Länderspielpause gleich drei Mal genetzt. Wie läuft es sonst für ihn in Regensburg und wie wichtig ist er für die Mannschaft?
Er ist wohl einer der wichtigsten Bausteine in unserem Team. Sowohl kämpferisch, läuferisch, charackterlich und taktisch. Nicht nur bindet er meist zwei Verteidiger, er kann auch Bälle halten und Löcher reißen. Darüber hinaus ist er auch fürs Teamgefüge wichtig, weil er einen sehr guten Charackter besitzt und sich das auch alles erarbeiten musste. Er wird eine schwere Lücke reißen, wenn er ersetzt werden muss. Das wird glaube ich deutlich schwieriger als einen Thommy oder Adamyan zu ersetzen.
Vor wem müssen wir uns denn außer Grüttner noch in Acht nehmen? Was sind die Stärken und Schwächen des Jahn?
Die Stärke ist das große Pressing über 60, 70 Minuten hinweg. Man kann sich als Gegner fast nicht ausruhen. Wenn man es nicht schafft, das Pressing zu überbrücken ist es schwer zu Chancen zu kommen und man hat immer die Gefahr, dass man sich gegen uns ein “dämliches” Gegentor fängt. Das macht uns natürlich auch Konteranfällig, sodass so auffalend oft Tore gegen uns fallen.
Vor allem gegen große Teams ist der unglaubliche Siegeswille der Mannschaft nicht zu vernachlässigen. Das sieht manchmal so aus, als wären die namhafteren Mannschaften regelrecht überwältigt, was da auf sie zukommt, sodass sie im Spiel den Hebel nicht umlegen können. Es war zwar gegen Wiesbaden sehr gut. Aber generell sind wir über Standards zu knacken.
Und welche Themen beschäftigen die SSV-Fans derzeit abseits des grünen Rasens?
Immer noch der letztjährige Polizeieinsatz in Fürth. Ansonsten wäre mir nichts großartig bekannt, was nicht alle anderen Fanszenen auch beschäftigt.
Durch den zweiten Abstieg in drei Jahren kennen wir viele Stadien und Städte der zweiten Liga schon. Regensburg noch nicht. Was kannst Du den Stuttgarter Gästefans dort empfehlen, abgesehen vom Spielbesuch?
Ist halt die Frage, ob ihr viel zu sehen bekommt, dadurch dass es sicherlich wegen der Fanfreundschaft zu den Stuttgarter Kickers ein Hochrisikospiel wird. Aber wenn man in Regensburg übernachtet, ist natürlich die Altstadt selbst das Empfehlenswerteste.
Einfach vom Dom aus treiben lassen. Die Donau, die Steinerne Brücke, die vielen unterschiedlichen Bars, die urigen Biergärten und die Architektur (die viel von den Römern und dem Mittelalter geprägt ist) machen Regensburg zu einer Stadt, die nicht von wenigen Sehenswürdigkeiten abhängt, sondern wo die Stadt die Sehenswürdigkeit ist.
Abschließend: Dein Tipp fürs Spiel?
Ich tippe auf ein spannendes 2:2
Titelbild: © Getty/Bongarts