Natürlich muss der VfB an einem der letzten vier Spieltage mal wieder nach München. Ein Gegner zur Unzeit, oder?
Es gibt wenig, was mehr frustriert als ein Auswärtsspiel bei den Bayern. Zumindest als VfB-Fan, aber ich denke Fans anderer Vereine geht es da nicht anders. Wobei die Brustringträger gefühlt die einzige Mannschaft sind, die nicht einen einzigen Punkt gegen solche sportliche vermeintlich übermächtigen Mannschaften holen. Ja, ein 5:1 bei ihren Trainer rausspielenden Dortmundern und damals das 4:1 gegen ebenjene Bayern, denen alles egal war. Aber nicht in der Regelmäßigkeit, wie das andere Mannschaften tun. Vor dem Spiel am Sonntag scheinen die Rahmenbedingungen ähnlich zu sein wie 2018, sind sie aber natürlich nicht. Damals hatte der VfB durch Korkuts Glücksträhne den Klassenerhalt schon in der Tasche und war kurz davor sein Ticket nach Europa zu lösen, wenn da nicht…aber lassen wir das. Zum Abschied forderten Teile der Cannstatter Kurve am vergangenen Samstag die Mannschaft auf, die Bayern um ein traditionelles bayrisches Kleidungsstück zu erleichtern — das man ironischerweise gleichzeitig beim Frühlingsfest auf dem Wasen häufig und wahrscheinlich auch vereinzelt im Stadion sehen konnte — und es hörte sich irgendwie unpassend an. Diese Mannschaft, die sich erst zu spät aufraffte, um aus diesem Heimspiel gegen Wolfsburg immer hin einen Punkt mitzunehmen, wie soll die den Bayern irgendwie gefährlich werden. Es bleibt nur, auf ein Wunder zu hoffen — und auf Bochum.
Personalsituation
Die Pressekonferenz ist erst am heutigen Freitag, aber ich schaffe es terminlich nicht, diese Vorschau vor dem eben angesprochenen Spiel von Bielefeld am Abend zu veröffentlichen. Stenzel fällt ja für den Rest der Saison aus, und solange Pellegrino Matarazzo später nicht noch eine Hiobsbotschaft vorbei bringt, steht ihm der gleiche Kader zur Verfügung wie gegen Wolfsburg. Ob das so ein Vorteil ist, das lasse ich — entschuldigt den Pessimismus — mal dahingestellt. Extrem ärgerlich auch die Situation mit den gelben Karten: Endo, Förster, Mangala und Sosa stehen aktuell alle bei vier und die Karten würden in mögliche Relegationsspiele mitgenommen. Unwahrscheinlich, dass die vier Spieler ohne Verwarnung durch die nächsten zwei bis möglicherweise drei Spiele kommen. Aber wie sähe angesichts der spielerischen Enttäuschungen der letzten Wochen eine
Mögliche Aufstellung
aus?
Nachdem Matarazzo gegen Wolfsburg wegen Stenzels Verletzung wieder zurück auf eine Dreierkette stellte wird er das wahrscheinlich bei unveränderter Personallage wieder tun. Ehrlich gesagt hatte die erste Halbzeit gegen Wolfsburg auch wenig mit der Aufstellung und mehr mit der Einstellung zu tun. Die legte Erik Thommy zwar an den Tag, außer Emsigkeit kam dabei aber nichts rum, weswegen ich dieses Mal wieder Marmoush außen und innen Förster den Vorzug geben würde. Man könnte auch Führich wieder in die Startelf holen, aber das macht letztlich keinen Unterschied, denn in Spielen wie diesen muss der VfB übermächtige individuelle Klasse mit außergewöhnlichem kollektiven Engagement begegnen.
Und wie sieht die
Lage beim Gegner
aus? Darüber haben wir mit Bayern-Fan Georg (@georgxhaas) vom Blog und Podcast Miasanrot gesprochen.
Wie ist Dein Gefühl vorm Spiel?
Ambivalent. Es schmerzt, sich nicht aufs Pokalfinale in Berlin freuen zu können und auch in der Champions League vom Seitenrand zuschauen zu müssen. Besonders wenn die Halbfinals so spektakulär verlaufen wie unter der Woche.
Gleichzeitig sind da die Vorfreude auf die Meisterschaftsfeier und das letzte Heimspiel der Saison.
Der Ibiza-Ausflug von Kimmich und Co., die von Magath initiierte Schein-Diskussion um Wettbewerbsverzerrung sowie die Meisterfeier nach dem letzten Heimspiel der Saison laden das Spiel zusätzlich auf. Ich rechne mit motivierten Münchnern und einem Heimsieg.
Wer fehlt bei Euch?
Im Training pausierten diese Woche der Ex-Stuttgarter Benjamin Pavard und Leon Goretzka. Beide könnten am Sonntag eine Pause erhalten – zumal Nagelsmann ansonsten nahezu alle Leistungsträger zur Verfügung stehen. Da der Bayerntrainer einerseits einen erfolgreichen Saisonausklang in der Allianz Arena anstrebt und andererseits angekündigt hat, Spielern aus der zweiten Reihe Minuten zu geben, darf man gespannt sein, wie er das Aufstellungspuzzle lösen wird.
Was sind derzeit Eure Stärken und Schwächen und auf wen müssen wir besonders aufpassen?
Der FC Bayern spielt eine für seine Verhältnisse enttäuschende Rückrunde. In der Hinrunde erspielten sie sich offensiv 2,8 Expected Goals pro Spiel (xG), in der Rückrunde sank dieser Wert auf 2,4. Gleichzeitig wurde die Defensive schwächer. Während man die Gegner in der Hinrunde bei 0,9 xG hielt, stieg dieser Wert in der Rückrunde auf 1,3. Die Spiele des FC Bayern sind in Summe also deutlich offener als in der Hinrunde, die Gegner spielen besser mit und holen mehr Punkte.
Bezeichnend der Auftritt in Mainz am vergangenen Spieltag, als eine höhere Niederlage als das 1:3 angemessen gewesen wäre.
Nagelsmanns Team hat regelmäßig Probleme, die Balance zwischen Angriff und Abwehr zu finden. Zu oft entstehen Lücken im Sechserraum oder über außen, die Gegner für Kontertore nutzen. Langer Ball auf einen Zielspieler, der nach außen klatschen lässt, so kann man die Bayern ärgern. Ein Rezept, das dem VFB liegen könnte.
Runterschreiben sollte man dieses Bayernteam aber mitnichten. Die Offensive kann jeden Gegner schlicht erdrücken. Bayern schafft es, permanent mit vier bis fünf Spielern den gegnerischen Strafraum zu besetzten. Das macht sie nicht nur im Kombinationsspiel, sondern auch bei zweiten Bällen nach Halbfeldflanken enorm gefährlich. 93 erzielte Tore sprechen Bände.
To watch? Die Bayernstars kennt ihr. Deshalb, falls sie Minuten bekommen, empfehle ich einen Blick auf die beiden Mittelfeldtalente Gabriel Vidovic (18) und Paul Wanner (16) sowie Tanguy Nianzou (19), den aktuell passstärksten Innenverteidiger der Bayern, der sich etwas unter dem Radar zu einer Alternative in der Bayern-Defensive entwickelt hat.
Statistik
Ja gut, was soll man zu Statistiken zu diesem Spiel sagen. Der VfB verliert für gewöhnlich in München, bei drei der vier letzten Auswärtsspiele dort kassierte man jeweils vier Tore. Die Bayern kriegen am Sonntag zum zehnten Mal in Folge die Schale überreicht, Robert Lewandowski wird mal wieder Torschützenkönig. So weit so langweilig. Der VfB würde indes mit zwei Siegen aus den nächsten beiden Spielen nicht nur die Relegation und unter Umständen den direkten Klassenerhalt klar machen, sondern auch den HSV in der ewigen Bundesligatabelle überholen und dort wieder unter die Top 4 rutschen.
Fazit
Viel wurde in den letzten Wochen über die öffentliche und interne Kommunikation von Sven Mislintat und Pellegrino Matarazzo gesagt und geschrieben. Zuletzt über Matarazzos Aussage, in München habe man weniger Druck als in Berlin und gegen Wolfsburg. Es ist offensichtlich, dass die Mannschaft in diesem Abstiegskampf vor allem an einer mentalen Überforderung leidet. Ob Matarazzo darauf eine Antwort hat und vor allem dir richtige, das vermag ich anhand seiner öffentlichen Aussagen nicht bewerten. Die Mannschaft muss es jetzt endlich in den letzten beiden Spielen auf dem Platz beweisen. Sonst sieht es nämlich auch in der Relegation ganz düster aus und da sind wir kein Außenseiter.
Titelbild: © GUENTER SCHIFFMANN/AFP via Getty Images