Rund um das Spiel in Mönchengladbach

Unter erschwer­ten Bedin­gun­gen tritt der VfB am Sams­tag­abend in Mön­chen­glad­bach an. Wir haben vor dem Spiel mit VfL-Fan Chris­ti­an vom Pod­cast Tri­bü­nen­ho­cker gespro­chen.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Chris­ti­an und vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nehmt. Erst­mal zu Euch: Wie seid ihr Borus­sia-Fans gewor­den und was machen die Tri­bü­nen­ho­cker eigent­lich?

Chris­ti­an: Wir haben die Lei­den­schaft sprich­wört­lich in die Wie­ge gelegt bekom­men. Weil nach Anpfiff die Sta­di­on­to­re damals offen­blie­ben, konn­te die Run­de mit dem Kin­der­wa­gen auch mal wäh­rend eines lau­fen­des Spiels zum Bökel­berg füh­ren. 

Seit Mit­te der Neun­zi­ger sind wir selbst bei nahe­zu jedem Spiel und haben irgend­wann gedacht, unse­re Fach­sim­pe­lei unter Brü­dern mal auf­zu­neh­men. Unser beruf­li­cher Back­ground in den Medi­en hat dann dazu geführt, dass wir ein klei­nes Stu­dio ein­ge­rich­tet und einen You­Tube-Kanal und Pod­cast auf­ge­baut haben. Mitt­ler­wei­le las­sen wir es etwas ruhi­ger ange­hen. Wir äußern uns aber gern auch bei Twit­ter zum Tages­ge­sche­hen rund um Borus­sia.

Im letz­ten Spiel des VfB im Borus­sia-Park ver­spiel­te der VfL die Teil­nah­me an der Con­fe­rence League, die sich schluss­end­lich Uni­on Ber­lin schnapp­te. Wie groß war die Ent­täu­schung in Mön­chen­glad­bach nach der letz­ten Sai­son?

Die Sai­son ver­lief ins­ge­samt nicht rund. Auf­grund des Reiz­kli­mas rund um die Per­so­na­lie Rose ist „Ent­täu­schung“ aber viel­leicht nicht das rich­ti­ge Wort. Es war vor allem Ärger und eine gewis­se Resi­gna­ti­on, da die Mann­schaft es über die gesam­te Bun­des­li­ga­sai­son nicht geschafft hat, kon­stant ihr Poten­zi­al abzu­ru­fen. Die Cham­pi­ons League hielt eini­ge tol­le Spie­le und High­lights parat, aber in der Liga waren eigent­lich nur die ver­dien­ten Heim­sie­ge gegen Bay­ern und Dort­mund erwäh­nens­wert. 27 Punk­te nach Füh­rung ver­spielt – das sagt eini­ges aus (gut, beim Spiel beim VfB sind wir vom VAR beschis­sen wor­den ;-)).

Der Trai­ner hat mit sei­nen Auf­stel­lun­gen und (aus­blei­ben­den) Maß­nah­men ganz klar gezeigt, dass er alles auf den kurz­fris­ti­gen Erfolg setzt (wuss­te wohl damals schon, war­um… ;-)) Das ging bis zum Anfang der Rück­run­de noch gut, aber irgend­wann hat sich die feh­len­de Grund­la­gen­ar­beit und Wei­ter­ent­wick­lung der Spiel­phi­lo­so­phie dann gerächt. Das Thea­ter um den Abgang war dann sicher­lich nicht erfolgs­för­dernd, aber es ging schon vor­her in die fal­sche Rich­tung.

Auch der Start in die neue Sai­son war trotz eines respek­ta­blen 1:1 gegen die Bay­ern alles ande­re als opti­mal, zuletzt fing sich die Mann­schaft aber und mach­te mit Sie­gen gegen Dort­mund und Wolfs­burg auf­merk­sam. Wie bewer­test Du den Sai­son­start?

Wenn man das „High­light-Spiel“ gegen Bay­ern mal aus­nimmt, haben sich am Anfang wie­der die Pro­ble­me der Vor­sai­son gezeigt. Die Mann­schaft wirk­te irgend­wie brä­sig und spie­le­risch teil­wei­se mit­tel­los. Man hat­te viel Ball­be­sitz, es fehl­te aber kom­plett das Tem­po im letz­ten Spiel­drit­tel. Zugleich hat die defen­si­ve Absi­che­rung nicht funk­tio­niert – ein Pro­blem, dass der Ex-Trai­ner übri­gens nach Dort­mund mit­ge­nom­men hat. Dazu kam, dass zeit­wei­se fünf Stamm­kräf­te fehl­ten und ande­re Basis­spie­ler völ­lig außer Form waren (Neu­haus!). Die neu­en Impul­se durch den Trai­ner haben aber sicht­lich etwas bewegt, spe­zi­ell in Sachen Ein­satz und Kör­per­spra­che. Und in den Par­tien gegen Dort­mund und Wolfs­burg hat der Spiel­ver­lauf dann auch etwas gehol­fen. Des­we­gen hof­fen wir natür­lich, dass die bei­den letz­ten Par­tien eine Initi­al­zün­dung für die Sai­son waren. Ins­ge­samt ist die Aus­beu­te durch die letz­ten bei­den Sie­ge ganz ordent­lich.

Was ist denn in die­ser Sai­son für die Borus­sia drin und wel­ches Ziel peilt Max Eberl an? Ist die Rück­kehr ins inter­na­tio­na­le Geschäft ein Muss?

Das inter­na­tio­na­le Geschäft ist das offi­zi­el­le Ziel, aber ob es mach­bar ist, lässt sich schwer vor­her­sa­gen. Es wird in Glad­bach gern erwähnt, dass man mit die­sem Kader 2020 die Cham­pi­ons League erreicht hat. Das ist zwar rich­tig, aber der Fak­tor Zeit spielt hier schon eine Rol­le – die Spiel­wei­se der letz­ten Jah­re (die sich auch unter Rose viel weni­ger geän­dert hat, als man es sich von sei­ner Ver­pflich­tung ver­spro­chen hat­te) hat schon in der letz­ten Sai­son nicht mehr so rich­tig gezün­det. Die Geg­ner hat­ten sich dar­auf ein­ge­stellt, der Spiel­ver­lauf war häu­fig der­sel­be: Füh­rung – Uner­klär­li­che Pas­si­vi­tät – Gegentor(e). Das Spiel gegen den VfB am 33. Spiel­tag war nur eines von vie­len die­ser Art. Es brauch­te also im Som­mer eigent­lich nicht nur einen Wan­del in der Aus­rich­tung, son­dern auch in der Kader­struk­tur. Das ist aus­ge­blie­ben und es wird daher alles davon abhän­gen, ob und wie Adi Hüt­ter die Mann­schaft trotz man­geln­der Optio­nen wei­ter­ent­wi­ckelt. Einen Flü­gel­stür­mer wie Kostic sucht er bei Borus­sia kom­plett ver­geb­lich, Knip­ser vom Sti­le Jovic oder Sil­va feh­len auch. Es darf sich kaum jemand vom Trio Stindl, Hof­mann, Embo­lo ver­let­zen, weil sonst schlicht und ein­fach die Qua­li­tät in der Offen­si­ve fehlt, um auch nur an Euro­pa zu den­ken. Wir hat­ten aller­dings auch ein schwe­res Start­pro­gramm mit fast allen Teams aus den ers­ten 7 der Vor­sai­son. Wahr­schein­lich sehen wir in den kom­men­den Wochen, wo die Rei­se hin­ge­hen kann.

Der Wech­sel von Adi Hüt­ter nach Glad­bach als Fol­ge des Abgangs von Mar­co Rose war das gro­ße The­ma Ende der ver­gan­ge­nen Sai­son. Wie bewer­test Du sei­ne Arbeit bis­her? Ist er schon am Nie­der­rhein ange­kom­men? Und wie lässt er die Mann­schaft spie­len?

Es ist schon in der ers­ten PK klar­ge­wor­den, dass mit Adi Hüt­ter wie­der ein „nor­ma­ler“ Trai­ner bei Borus­sia auf der Bank sitzt. Von der ver­meint­li­chen „Läs­sig­keit“ (unter Borus­siaf­ans schon ein geflü­gel­tes Wort) des gehyp­ten Vor­gän­gers, die sich dann doch eher als ein­tö­nig und fast schon gleich­gül­tig erwie­sen hat, ist Hüt­ter weit ent­fernt. Im Umgang höf­lich, aufs Sport­li­che fokus­siert und fast schon sprö­de. Uns tut das gut – und vie­len Fans geht es wohl ähn­lich. Die Umstän­de sei­nes Wech­sels waren seit Sai­son­be­ginn kein The­ma mehr. Für uns schon vor­her nicht, denn eigent­lich war die Aus­stiegs­klau­sel die ein­zi­ge Par­al­le­le zwi­schen den bei­den Wech­seln. Adi Hüt­ter hat aus Frank­furt in drei Jah­ren sehr viel raus­ge­holt und wech­selt mit einem Erfolg, auch wenn die Ein­tracht am Ende knapp die Cham­pi­ons League ver­passt hat. Mar­co Rose kam mit der Ankün­di­gung, „hier etwas auf­zu­bau­en“ und war sich nach 15 Mona­ten mit dem BVB einig. Aber wie an ande­rer Stel­le erwähnt war des­sen Arbeit auch weit davon ent­fernt, ihn als uner­setz­bar anzu­se­hen. Mit Hüt­ter kommt der Wunsch­trai­ner von Max Eberl – und übri­gens auch von uns. Weil er bei sei­nen vor­he­ri­gen Sta­tio­nen mit sei­nem akti­ven Fuß­ball eine Ener­gie ent­facht hat, die wir in Glad­bach auch drin­gend nötig haben. Die ers­ten Schrit­te dafür sind auch bei Borus­sia gemacht: Anfangs hat er nicht all­zu viel geän­dert und sich das trost­lo­se Geschie­be ein paar Wochen ange­se­hen. Nach dem bla­ma­blen Auf­tritt in Augs­burg hat Hüt­ter dann deut­li­che Akzen­te gesetzt: 3–4‑2–1 als neu­es Sys­tem, mehr jun­ge, hung­ri­ge Spie­ler in der Start­elf. Die form­schwa­chen Plea und Kra­mer raus, Neu­haus asl Natio­nal­spie­ler sogar zuletzt 180 Minu­ten auf der Bank. Natür­lich hat Hüt­ter auch die Rück­kehr von Zaka­ria und zuletzt Embo­lo gehol­fen, die der Mann­schaft mit ihrer Wucht gut­tun. Ins­ge­samt ist erkenn­bar, dass der neue Trai­ner etwas bewe­gen will und das auch ers­te Früch­te trägt. Von daher sind wir gespannt, aber auch zuver­sicht­lich, dass Hüt­ter zu Borus­sia passt.

Die Trans­fer­ak­ti­vi­tä­ten des VfL im Som­mer waren über­schau­bar, nur Luca Netz kam von der Her­tha. Gleich­zei­tig ver­ließ Oscar Wendt nach zehn Jah­ren den Ver­ein. Gab es so wenig Ände­rungs­be­darf am Kader oder gab es auch wirt­schaft­li­che Restrik­tio­nen?

Zunächst war die Som­mer­trans­fer­pha­se für einen wirt­schaft­lich anstän­di­gen Ver­ein wie Borus­sia mehr oder min­der eine Kata­stro­phe. Wir brau­chen Geld aus Ver­käu­fen, um sel­ber aktiv zu wer­den und der Markt hat das ein­fach nicht her­ge­ge­ben. Daher hat man sich kaum ver­stär­ken kön­nen und die bestehen­de Unwucht im Kader (u.a. vie­le Spie­ler für das zen­tra­le Mit­tel­feld, aber kaum Alter­na­ti­ven auf den Flü­geln) wur­de spe­zi­ell in den ers­ten Wochen noch­mal deut­lich. Das Posi­ti­ve dar­an: Erst­mals seit Jah­ren set­zen wir wie­der stär­ker auf Talen­te. Luca Netz konn­te man für 2 Mil­lio­nen von Her­tha holen (die medi­al kol­por­tier­ten 4 tre­ten nur in Kraft, wenn sehr vie­le Son­der­be­din­gun­gen erfüllt sind), weil er sofort für die ers­te Mann­schaft ein­ge­plant wur­de – zurecht, so wie es bis­her aus­sieht. Joe Scal­ly kam schon im Janu­ar und konn­te sich akkli­ma­ti­sie­ren, ist erstaun­lich reif für sein Alter. Eigen­ge­wächs Jor­dan Bey­er erhält nun eine ech­te Chan­ce, sich in der Bun­des­li­ga zu zei­gen. Manu Koné ist ein Neu­zu­gang mit Rie­sen­po­ten­zi­al, der lei­der anfäng­lich ver­letzt war, aber eigent­lich Zaka­ria beer­ben soll­te. Pikan­ter­wei­se ist Zaka­ria nun wie­der ein abso­lu­ter Schlüs­sel­spie­ler, nach­dem er im Som­mer lan­ge als nahe­zu siche­rer Abgang galt.

Auch Ibrahi­ma Tra­o­ré ver­ließ sie­ben Jah­re nach sei­nem Wech­sel vom VfB die Borus­sia und trai­nier­te zuletzt bei Dyna­mo Dres­den mit. War­um hat es für ihn nicht mehr für einen neu­en Ver­trag gereicht?

Ibo war schon die letz­ten drei Jah­re mehr ein Inte­gra­tor für die vie­len Spie­ler aus dem fran­zö­sisch­spra­chi­gen Raum, als dass er sport­lich noch eine grö­ße­re Rol­le gespielt hät­te. Dafür war er ein­fach viel zu häu­fig ver­letzt und auch die Grund­schnel­lig­keit ist ihm über die Jah­re etwas abhan­den­ge­kom­men. In der Zeit zwi­schen 2014 und 2017 hat­te er sei­nen wich­ti­gen Anteil dar­an, dass wir zwei­mal in Fol­ge die Cham­pi­ons League erreicht haben. Ein klas­se Typ, der sich hun­dert­pro­zen­tig mit dem Ver­ein iden­ti­fi­ziert hat und in der Kabi­ne sicher feh­len wird. Ähn­li­ches gilt übri­gens auch für den „ewi­gen Oscar“ Wendt.

Bli­cken wir auf den aktu­el­len Kader: Mar­cus Thuram ist wie schon letz­te Sai­son in der Hin­run­de gegen den VfB ver­letzt. Vor wem müs­sen wir uns dann in Acht neh­men am Sams­tag­abend und wo lie­gen die Schwä­chen der Borus­sia?

Thuram wird natür­lich ver­misst, konn­te aber zumin­dest in den letz­ten bei­den Par­tien adäquat ersetzt wer­den. So geht in der Offen­si­ve alles über Stindl und die zuletzt bären­star­ken Hof­mann und Embo­lo, die von einer (hof­fent­lich) dyna­mi­schen Mit­tel­feld­zen­tra­le um Zaka­ria bedient wer­den. Gegen tief­stehen­de Teams (zu denen ich den VfB aber unter Mate­raz­zo nicht zäh­len wür­de) fällt es Borus­sia aber häu­fig schwer, zu gefähr­li­chen Abschlüs­sen zu kom­men, weil ech­te Box-Spie­ler feh­len. In der Rück­wärts­be­we­gung hat­te man zu Sai­son­start gro­ße Pro­ble­me, die man aber zuletzt gegen die star­ken Geg­ner aus Dort­mund und Wolfs­burg in den Griff bekam. Trotz­dem ist bei einer Drei­ket­te der Raum hin­ter den Schie­nen­spie­lern Netz und Scal­ly immer dann ein Risi­ko, wenn einer oder bei­de weit auf­ge­rückt sind. Dann ist das Abwehr­zen­trum unter Druck und die Zuord­nung nicht immer ein­deu­tig.

Der VfB ver­kün­de­te in der Län­der­spiel­pau­se den Über­gang zur 2G-Rege­lung. Wie wird das am Nie­der­rhein gehand­habt? Was müs­sen VfB-Fans dies­be­züg­lich beach­ten und erwar­tet man bei der Borus­sia ein vol­les Haus?

Es gilt noch die 3G-Regel, ein aktu­el­ler Test wird ver­langt. Dem­entspre­chend soll­te man aus­rei­chend Zeit für Kon­trol­len im Vor­feld ein­pla­nen. Da alle Sitz­plät­ze wie­der frei­ge­ge­ben sind und auch ein Groß­teil der Steh­plät­ze, wird es voll wer­den – end­lich mal wie­der! Auch für mich ist es das ers­te Spiel im Sta­di­on seit Beginn der Pan­de­mie.

Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?

Sor­ry, Aber­glau­be, aber ich tip­pe nie ein genau­es Ergeb­nis von Borus­sia. Aber wenn die Län­der­spiel­pau­se nicht den guten Wind der letz­ten Spie­le aus den Segeln genom­men hat, bin ich guter Din­ge, dass es für einen Heim­sieg rei­chen kann.

Titel­bild: © Fre­de­ric Scheidemann/Getty Images

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