Diese, pardon, verdammte Rechnerei…
Nun sind wir also wieder fast genau in der gleichen Situation wie vor einem Jahr. Nur dass es diesmal, wenn der heutige Samstag ganz suboptimal läuft und wir mit der daraus resultierenden Überlebensnotwendigkeit eines Sieges nicht umgehen können, direkt runtergeht und wir uns nicht wie letzte Saison mit Hertha darum kloppen, wer in die Relegation muss und wer nach dem 34. Spieltag sicher als Bundesligist in den Sommerurlaub fährt. Was das Ganze noch unerträglicher macht, ist die monetär begründete Aufsplittung des vorletzten Spieltags. Schalke, Bochum und Hoffenheim können heute alle vorlegen und den VfB damit in eine maximale Drucksituation bringen. Wobei ich mir da fast weniger Gedanken mache, als wenn alle drei Vereine vor uns verlieren, was gleichzeitig bedeuten würde, dass Berlin uns wieder auf die Pelle rückt. Dann könnten unsere Jungs die ganze Geschichte nämlich einfach auf den letzten Spieltag verlegen. Denn eines kann diese Mannschaft offensichtlich nicht: Vorzeitig den Deckel auf irgendwas drauf machen. So oder so werde ich, werden wir auch die nächste Woche damit verbringen, zwischen Verzweiflung und Zuversicht zu schwanken.
Ja, die Mannschaft hat wieder ein wenig mehr zu sich gefunden unter Sebastian Hoeneß und hatte zuletzt nur ein richtig schlechtes Spiel. Selbst wenn es für die Mainzer noch um die schmale Chance auf den Europapokal geht, sollten die Brustringträger in der Lage sein, den Rheinhessen den eigenen Siegeswillen auszudrücken. Aber was, wenn nicht? Wenn wir wieder abwartend ängstlich spielen und genau in der Phase das Gegentor kassieren, von dem wir uns nicht mehr erholen? Oder was wenn wieder irgendjemand ein Blackout hat zum ungünstigsten Zeitpunkt. Kurz, dieser Mannschaft ist alles zuzutrauen.
Personalsituation
Konstantinos Mavropanos trainiert wieder, Josha Vagnoman sollte auch fit sein. Bleibt die Frage, was mit den beiden (!) ersten Torhütern ist. Dass sich beide quasi gleichzeitig erkältet ist schon sehr ungewöhnlich. Dass man nach den geleakten Kaderplanungen dies als Vorwand nimmt, um am Sonntag Dennis Seimen in eiskalte Wasser zu werfen, halte ich für ausgeschlossen.
Mögliche Startaufstellung
Wenn Mavropanos fit ist, würde ich ihn einsetzen. Er wird sich beweisen wollen, genauso wie Millot. Genau das ist es, was wir am Sonntag brauchen: Spieler, die an ihr Limit gehen. So richtig trifft das zwar auf Silas gerade nicht zu, aber er scheint mir immer noch die beste Option zu sein, wenn die Alternativen Führich oder Coulibaly heißen.
Statistik
Es ist das 30. Aufeinandertreffen in der Bundesliga, 12 Siegen für den VfB stehen acht Remis und neun Niederlagen gegenüber. Das 4:1 in der Saison 2020/21 war der erste VfB-Sieg im nicht mehr ganz so nneuen Stadion und der erste in Mainz seit 2005. Seit dem Wiederaufstieg ist der VfB gegen Mainz ungeschlagen (Drei Siege, zwei Unentschieden). Die letzten drei Spiele verlor Mainz alle und kassierte dabei jedes Mal drei Tore, davor blieben sie aber in zehn Spielen in Folge ungeschlagen und besiegten dabei die Bayern und Leipzig. Mainz hat sechs Tore mehr geschossen als nach dem xG-Modell erwartet. Mainz begeht nach Hoffenheim die meisten Fouls der Liga, kassiert dafür aber weniger gelbe Karten. Es wird also ein knochenhartes Spiel, Tabellenkonstellation hin oder her.
Fazit
Zehn Jahre ist es bald her, dass der VfB im Pokalfinale stand und der Illusion erlag, dir Saison damit gerettet zu haben. Was folgten, waren sechs Jahre Abstiegskampf, zwei Jahre Aufstiegskampf und nur zwei Spielzeiten, in den man nicht erst im Mai wusste, in welcher Liga man wenige Monate später antreten würde. Eigentlich sollten wir also dran gewöhnt sein an das, was uns der VfB derzeit zumutet. Und dennoch geht es langsam an die Substanz, dass in der Endphase der Saison jedes Spiel eine derart elementare Bedeutung hat.
Verbunden in dieser Saison mit dem, was Max Nölke in der 11Freunde eine “Kultur des Fingerpointing” nannte. Egal ob wir dir Klasse halten oder nicht: Der erste Ansatz einer Aufarbeitung dieser Spielzeit muss in Selbstkritik bestehen. Eine Eigenschaft, mit der Alexander Wehrle bei seinen letzten öffentlichen Auftritten nicht unbedingt glänzte. Stattdessen ergeht er sich in Spitzfindigkeiten, die seine getätigten Aussagen zwar irgendwie bestätigen, aber dennoch den Eindruck hinterlassen, als hätte man sich dann die ursprüngliche Aussage auch sparen können. Jetzt geht es erstmal um Mainz und Hoffenheim. Und eventuell die Relegation. Nervlich sowieso schon kaum auszuhalten. Da brauch ich keine Interviews, egal ob von aktuellen Amtsinhabern oder dampfplaudernden Ehemaligen. Und auch ob am Montag genügend Unterschriften für eine außerordentliche Mitgliederversammlung zusammen gekommen sind, ist erstmal zweitrangig.
Aber wenn diese Spielzeit endlich vorbei ist, müssen wir über so einiges in diesem Klepperlesverein reden. Bis dahin gilt das, was in dem Fanclub, in dem ich Mitglied bin, irgendwann in den letzten zehn Jahren mal auf eine Tapete geschrieben wurde:
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images