In Mainz holte der VfB in der jüngeren Vergangenheit nur selten etwas. Dabei wären Punkte so dringend nötig.
Der Fußballfan im Abstiegskampf ist ja, ich schrieb es glaube ich neulich schon, meist wöchentlichen Stimmungsschwankungen unterlegen — wenn er es nicht gerade mit dem abgeschlagenen Tabellenletzten hält. Hochstimmung nach sieben Punkten aus drei Spielen und zwei Siegen gegen mehr oder minder direkte Konkurrenten, Katerstimmung nach einem Punkt aus zwei Spielen, in denen wesentlich mehr drin gewesen wäre. Zudem erneut der Ausfall wichtiger Spieler: Erst Sosa, dann Kalajdzic, jetzt trifft es gleich zwei defensive Mittelfeldspieler. Dazu noch gegen eine Mannschaft, die uns schon im Hinspiel richtig auf die Nerven gegangen ist mit ihrer Spielweise. Und trotzdem bin ich aktuell immer noch eher optimistisch, was den Klassenerhalt angeht, ohne hier irgendwelche Pro-Contra-Listen aufmachen zu wollen. Die Mannschaft kann, die Mannschaft will, sie stellt sich nur gelegentlich dabei ziemlich blöd an, selbst wenn sie am Ende gewinnt. Und natürlich spielt auch ständig der Kopf mit, weswegen man wohl gegen Dortmund auch nicht alles reinwarf: Es könnte ja dochmal vorne irgendwie klappen und dann willst Du dich nicht schon wieder handgestoppte 45 Sekunden später über ein Gegentor ärgern. Wie auch immer: Sobald Spieltage mit einer 3 anfangen (und mehr als eine Ziffer haben), beginnt in der Bundesliga die Phase, in der verrückte Dinge passieren. Nun denn.
Schauen wir mal auf die
Personalsituation
Das Positive an Pellegrino Matarazzos Personalstandsmeldung in der Pressekonferenz, abgesehen davon, dass es keine weiteren Corona-Fälle gibt? Mo Sankoh wird überhaupt erwähnt, was darauf hindeuten könnte, dass er zwar aktuell noch keine Option für die Mannschaft ist, aber vielleicht in einem Monat, wer weiß. Ansonsten wussten wir ja schon, dass Wataru Endo wegen einer Corona-Infektion fehlt und dass Atakan Karazor gegen Dortmund eine meiner Meinung nach völlig lächerliche fünfte gelbe Karte kassierte. Naouirou Ahamada fällt weiterhin aus, auch von Nikolas Nartey hat man lange nichts gehört. Die Optionen auf der sechs sind also überschaubar, immerhin ist Waldemar Anton nach abgesessener Gelbsperre wieder dabei und mit ihm haben wir wahrscheinlich schon des Rätsels Lösung.
Mögliche Aufstellung
Ich gehe schwer davon aus, dass Anton eine Position nach vorne rücken wird, um Mangala und Führich den Rücken freizuhalten. Das ist natürlich alles andere als optimal. Ito hätte wahrscheinlich die bessere Spieleröffnung, ist aber nicht so zweikampfstark wie Anton, der ja auf Karazors Staubsauger-Position zum Einsatz kommt. Stenzel überzeugt mich als Außenverteidiger auch nicht komplett, sollte aber mit Mainz weniger Probleme haben als mit Dortmund. Gleichzeitig denken Mangala und Führich beide eher offensiv und müssen aufpassen, dass sie die Statik des Mittelfelds dadurch nicht ins Wanken bringen. Vor allem auf Mangala und dessen Pressingresistenz wird es gegen hoch anlaufende Mainzer ankommen. Immerhin kann der VfB wieder auf Sosa und Kalajdzic setzen, mit denen er in den beiden letzten Partien mit ziemlicher Sicherheit mehr als nur einen Punkt geholt hätte.
Und wie sieht die
Lage beim Gegner
aus?
Darüber haben wir mit Mainz-Fan Felicitas (@FelicitasBoos) vom 05-Podcast Die Hinterhofsänger gesprochen.
Wie ist Dein Gefühl vorm Spiel?
Die Gefühlslage ist gemischt. Wenigstens spielen wir zu Hause gegen den VfB und können uns hoffentlich auf unsere Heimstärke verlassen. Aber die Niederlage nach einer 2:0‑Führung gegen den 1. FC Köln wirkt stark nach. Man hat das Gefühl, Mainz müsste irgendetwas mal verändern oder anders machen, damit es vorwärts geht. Wir Fans würden wirklich gerne wieder den geilen Fußball Zuhause auch mal auswärts sehen. Aber die Heimstärke und die Vollauslastung läd auf jeden Fall zur Vorfreude auf Samstag ein.
Wer fällt bei Euch aus?
Bei Mainz fehlt’s vorne wie hinten, allerdings jeweils nur einmal. Im aktuellen Aufgebot der 05er fehlen derzeit nur St Juste und Burgzorg, der wegen einer Herzmuskelentzündung ausfällt. Sein Ausfall trifft den FSV umso stärker, da er in der Winterpause als Entlastung in der Offensive für Onisiwo und Burkardt kam. Beide wirken aber derzeit leider etwas überspielt, weshalb sich jetzt die Gelegenheit anbieten würde, Talenten aus dem Mainzer NLZ Einsatzzeiten zu geben.
Wo liegen aktuell Eure Stärken und Schwächen und auf wen müssen wir besonders aufpassen?
Player to watch sind definitiv Silvan Widmer und Anton Stach. Stachi hat bei seinem Debüt in der Deutschen Nationalelf gezeigt hat, welche Qualitäten er als zentraler Mittelfeldspieler mitbringt. Zusammen mit Dominik Kohr bildet er die Schaltzentrale der Mainzer und belebt mit s n einem Überblick und seinem präzisen Passspiel die Mainzer Offensive.
Silvan Widmer hat sich über den gesamten Verlauf der Saison als Königstransfer der Nullfünfer herausgestellt. Der Außenverteidiger ist sowohl defensiv wie offensiv eine Bank und auch bei Standards extrem gefährlich. Er hat sich so gut eingefunden, dass man meinen könnte, er er wäre in den Weinstuben in der Mainzer Altstadt großgeworden.
Eine definitive Schwäche der Mainzer ist aktuell die Chancenverwertung in der Offensive. Von der Spieleröffnung bis zum Torabschluss läuft aktuell noch nicht alles glatt bei den Nullfünfern. Was sie sich in der Defensive erarbeiten, können Sie momentan in der Offensive zu selten vergolden.
Statistik
Es ist das mittlerweile 32. Aufeinandertreffen beider Vereine, das 28. in der Bundesliga seit 2004 und 12 davon hat der VfB für sich entschieden, zuletzt sogar drei in Folge, von denen zwei allerdings im Neckarstadion ausgetragen wurden. Das 4:1 zu Beginn der vergangenen Saison gegen eine kurz zuvor noch streikende Mainzer Mannschaft war der erste Sieg im nicht mehr ganz so neuen Stadion. Die einzigen zwei weiteren Auswärtssiege gelangen 2005, selbst im Pokal flog man Ende 2017 raus. Auch in der aktuellen Saison stehen die Vorzeichen nicht gut: Mainz ist das viertstärkste Heimteam, dem VfB gelang nur in Wolfsburg ein Auswärtssieg. Mainz ist andererseits aktuell auch nicht in Topform, vor der 2:3‑Niederlage nach 2:0‑Führung gegen Köln gelang in fünf Spielen nur ein Sieg und zwar gegen Bielefeld. Was schon im Hinspiel auffiel lässt sich auch mit Zahlen belegen: Mainz lässt mit im Schnitt 9,34 die fünftwenigsten “passes per defensive action” zu und hat ist mit 431 begangenen Fouls Spitzenreiter in dieser Kategorie.
Fazit
Der VfB steht einmal mehr vor einem unangenehmen Auswärtsspiel, dass er eigentlich gewinnen muss, um die Konkurrenz sicher auf Distanz zu halten. Einem nach dem Europapokal-Aus angeknockten Bayern München ist in Bielefeld alles zuzutrauen und aus Augsburg werde ich weiterhin genauso wenig schlau wie aus ihrem Gegner am kommenden Wochenende, der Berliner Hertha. Wie schon oben angemerkt: ab dem 30. Spieltag ist alles möglich. Ich weiß aber auch, aus welchen emotionalen Gemengelagen Abstiege gemacht sind. In Berlin und Bielefeld scheint gerade wenig rund zu laufen. Der VfB hingegen ist weder wie 2016 überraschend in den Abstiegskampf gerutscht, noch läuft er wie 2019 einem aussichtlosen Punkte-Rückstand hinterher. Es muss nur einfach mal wieder ein Ball reingehen.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images