Rund um das Spiel in Hoffenheim

Nach der Län­der­spiel­pau­se tritt der VfB bei der TSG Hof­fen­heim an — unter beson­de­ren Vor­zei­chen. Vor dem Spiel haben wir mit Niko­las Beck von der Rhein-Neckar-Zei­tung gespro­chen.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Niko­las und vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Wir ken­nen Dich ja schon von Inter­views in der Ver­gan­gen­heit, des­halb mal eine ande­re Ein­stiegs­fra­ge: Wel­che Aus­wir­kun­gen hat denn die Wie­der­ein­füh­rung der Geis­ter­spie­le eigent­lich auf Dei­ne Arbeit als Jour­na­list bei der Rhein-Neckar-Zei­tung?

Niko­las: Ich den­ke, da geht es uns Repor­tern nicht anders als den Spie­lern auf dem Feld: Die Fans und die Stim­mung feh­len ein­fach. Wirk­lich geän­dert hat sich unse­re Arbeit aber vor allem mit dem Re-Start im April: vir­tu­el­le oder tele­fo­ni­sche Pres­se­kon­fe­ren­zen, an Spiel­ta­gen teil­wei­se sogar mit schrift­lich ein­ge­reich­ten Fra­gen, kei­ne Mixed-Zones mehr, kei­ne Mög­lich­kei­ten, beim Trai­ning mit den Leu­ten ins Gespräch zu kom­men und vie­les mehr. Kurz­um: Die Klubs müs­sen sich laut DFL-Kon­zept noch wei­ter abschir­men. Das ist abso­lut ver­ständ­lich, für unse­ren Job, der nun mal vor allem vom per­sön­li­chen Kon­takt lebt, aber alles ande­re als opti­mal.

In der ver­gan­ge­nen Sai­son erreich­te Hof­fen­heim mit Platz 6 die Euro­pa League, in der sie bis­her alle drei Spie­le gewon­nen haben. Nicht so gut sieht es in der Bun­des­li­ga aus, nach dem 4:1‑Erfolg gegen die Bay­ern am 2. Spiel­tag ist man sieg­los. Kannst Du Dir die­se Dis­kre­panz zwi­schen Liga und Euro­pa­po­kal erklä­ren und denkst Du, dass Hof­fen­heim die­se Sai­son an den Erfolg der Vor­sai­son anknüp­fen kann?

Man tritt nie­man­dem zu nahe, wenn man fest­hält: Die Dis­kre­panz erklärt sich vor allem mit der Qua­li­tät der Geg­ner. Dazu kommt natür­lich wie immer auch das nöti­ge Spiel­glück, das der TSG in der Liga nach dem wirk­lich star­ken Spiel gegen ange­schla­ge­ne Münch­ner ein biss­chen abhan­den gekom­men ist. Schaut man sich die Hof­fen­hei­mer Vor­be­rei­tung auf die Par­tie am Sams­tag an, dann wird deut­lich, wie schwer Pro­gno­sen in die­ser Sai­son abzu­ge­ben sind. Bleibt 1899 künf­tig von grö­ße­ren Coro­na-Aus­brü­chen und Ver­let­zun­gen eini­ger­ma­ßen ver­schont, glau­be ich immer noch, dass erneut ein Euro­pa­po­kal-Platz mög­lich ist. Für eine Rück­kehr in die Cham­pi­ons League müss­te dage­gen schon vie­les zusam­men­kom­men.

Ein Fak­tor für die Durst­stre­cke in der Bun­des­li­ga ist ja sicher­lich das Feh­len von Andrej Kra­ma­ric, der mit einer Coro­na-Infek­ti­on aus der ers­ten Län­der­spiel­pau­se wie­der kam und seit­her sei­nen sechs Toren aus den ers­ten drei Spie­len kein wei­te­res hin­zu­fü­gen konn­te. Wie wich­tig ist er für die Mann­schaft? Kann man die Ergeb­nis­se aus den letz­ten Spie­len allein an ihm fest­ma­chen?

© Martin Rose/Getty Images
Sebas­ti­an Rudy spielt wie­der in Hof­fen­heim. © Mar­tin Rose/Getty Images

Andrej Kra­ma­ric ist sicher­lich DER wich­tigs­te Spie­ler der TSG, wahr­schein­lich einer der zwei, drei bes­ten, die jemals für den Klub gespielt haben. Sport­di­rek­tor Alex­an­der Rosen betont immer wie­der, dass Hof­fen­heim eine ganz ande­re Mann­schaft sei, wenn Kra­ma­ric auf dem Platz steht. Dem kann ich mich nur anschlie­ßen. Und dabei geht es nicht allei­ne um sei­ne Tore. Son­dern auch um Räu­me, die er für sei­ne Kol­le­gen schafft. Und um ein Selbst­ver­ständ­nis des Teams. Über­spitzt: Mit Kra­ma­ric auf dem Rasen, wird die Brust auch bei den zehn ande­ren Pro­fis direkt mal ein paar Zen­ti­me­ter brei­ter. Und natür­lich waren sei­ne Tote zu Sai­son­be­ginn ent­schei­dend für so man­chen Punkt­ge­winn.

Kom­men wir zu den Trans­fers im Som­mer: Mijat Gaci­n­o­vic wur­de aus Frank­furt geholt, außer­dem erneut Ex-VfBler Sebas­ti­an Rudy von Schal­ke sowie Ryan Ses­se­gnon von den Spurs aus­ge­lie­hen. Wie bewer­test Du die über­schau­ba­ren Trans­fer­ak­ti­vi­tä­ten der TSG?

Dass die TSG auf dem Trans­fer­markt nicht son­der­lich aktiv war, hat mich nicht über­rascht. Schließ­lich ist der Kader auch durch eini­ge Rück­keh­rer — ich den­ke etwa an Ishak Bel­fo­dil oder Kevin Vogt — in der Brei­te gut besetzt. Für den einen oder ande­ren Spie­ler, dem viel­leicht ein Tape­ten­wech­sel gut getan hät­te, war in die­ser beson­de­ren Zeit ein­fach auch kein Markt da. Außer Rudy, der wie Du sagst ja inzwi­schen wie­der da ist, wur­de also kein Leis­tungs­trä­ger abge­ge­ben. Für Ste­ven Zuber kam Gaci­n­o­vic im Tausch. Das größ­te “Ver­spre­chen” der drei Neu­en ist sicher­lich Ses­se­gnon. Er braucht aber noch ein biss­chen Zeit.

Sebas­ti­an Rudy haben wir gera­de schon erwähnt, im Kader der Hof­fen­hei­mer ste­hen ja bekannt­lich zwei wei­tre­re Ex-Stutt­gar­ter. Einer­seits Ermin Bicak­cic, der in sei­ne sechs­te Sai­son in Sins­heim geht und ande­rer­seits Jacob Bru­un Lar­sen, der im Win­ter aus Dort­mund kam. Wie läuft es für die bei­den der­zeit?

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Fällt aktu­ell lan­ge aus: Ermin Bicak­cic © Tho­mas Eisenhuth/Bongarts/Getty Images

Ein­fa­che Ant­wort: lei­der schlecht. Bru­un Lar­sen hat seit sei­nem Wech­sel im ver­gan­ge­nen Win­ter gro­ße Mühe, auf Ein­satz­zei­ten zu kom­men. Das liegt auch, aber sicher­lich nicht aus­schließ­lich an klei­ne­ren und grö­ße­ren Weh­weh­chen, mit denen er immer wie­der zu kämp­fen hat­te. Zuletzt war ja auch er mit dem Coro­na-Virus infi­ziert, was ihn erneut zurück­wirft. Unterm Strich muss man kon­sta­tie­ren, dass die­ser Trans­fer bis­lang noch nicht auf­ge­gan­gen ist. Und Bicak­cic fällt nach sei­nem Kreuz­band­riss lan­ge aus. Bit­ter, denn er hat­te sich nach den Wech­sel­ge­rüch­ten im Som­mer beim neu­en Trai­ner rasch ins Team gekämpft.

Du hast die Coro­na-Infek­ti­on von Bru­un Lar­sen ange­spro­chen. In der Län­der­spiel­pau­se wur­de bekannt, dass sich sie­ben wei­te­re Men­schen in der oder im Umfeld der Mann­schaft ange­steckt haben. Wie ist aktu­ell die Lage und siehst Du durch die Iso­la­ti­on wäh­rend der Pau­se einen Nach­teil für Hof­fen­heim im Spiel am Sams­tag?

Nach der Häu­fung der posi­ti­ven Tests wur­de die Mann­schaft ver­gan­ge­ne Woche in Qua­ran­tä­ne geschickt und muss­te sich über Home Work­outs fit hal­ten. Hin­zu kam natür­lich auch eine gro­ße Por­ti­on Unsi­cher­heit. Erst am Mon­tag konn­te das Mann­schafts­trai­ning wie­der auf­ge­nom­men wer­den — das ist sicher­lich nicht opti­mal. Ob von den posi­tiv getes­te­ten Spie­lern schon wie­der jemand mit­wir­ken kann, ist auch noch nicht klar. Eine von der TSG ange­frag­te Ver­le­gung auf Sonn­tag wur­de von der Liga mit Ver­weis auf die Sta­tu­ten abge­lehnt. Ein Tag mehr hät­te gehol­fen, aber natür­lich die ver­lo­re­ne Zeit nicht kom­plett auf­fan­gen kön­nen.

© Martin Rose/Getty Images
Wenig EIn­satz­zei­ten und jetzt auch noch eine Coro­na-Infek­ti­on: Läuft nicht gut für Jacob Bru­un Lar­sen. © Mar­tin Rose/Getty Images

Der bereits ange­spro­che­ne Andrej Kra­ma­ric wird ja wahr­schein­lich wie­der dabei sein. Vor wem müs­sen wir uns noch in Acht neh­men und wo lie­gen die Schwä­chen der TSG?

Wenn Kra­ma­ric in guter Ver­fas­sung dabei sein kann, soll­te es an der Chan­cen­ver­wer­tung nicht schei­tern. Da war zuletzt oft deut­lich Luft nach oben. Ent­schei­den­der wird aber sein, wie sta­bil sich die Abwehr dies­mal prä­sen­tiert. Die Defen­si­ve war in den ver­gan­ge­nen Spie­len gera­de in schnel­len Umschalt­si­tua­tio­nen oft nicht auf der Höhe.

Seit die­ser Sai­son ist Sebas­ti­an Hoe­neß Trai­ner. Wie bewer­test Du sei­ne Arbeit und wie lässt er sei­ne Mann­schaft spie­len?

Eine Bewer­tung sei­ner Arbeit ist unter den momen­ta­nen Umstän­den eigent­lich gar nicht mög­lich. Nüch­tern betrach­tet ist er in der Euro­pa League voll auf Kurs, in der Liga hat er gegen Bay­ern Mün­chen ein dickes Aus­ru­fe­zei­chen gesetzt — und zuletzt ein paar Dämp­fer kas­siert. Den mit­rei­ßen­den Offen­siv­fuß­ball, den vor allem vie­le “Hoffe”-Fans unter Vor­gän­ger Schreu­der so ver­misst haben, gibt es bis­lang immer noch nicht zu sehen. Aber auch dazu benö­tigt es Zeit — und fit­te Spie­ler im Trai­ning. Bei­des hat­te Hoe­neß bis­her nur bedingt.

Abschlie­ßend: Dein Tipp fürs Spiel?

Ich tip­pe eigent­lich nie auf ein Unent­schie­den, aber dies­mal könn­te ich mir ein 2:2 sehr gut vor­stel­len. 😉

Titel­bild:  © imago/Pressefoto Bau­mann

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