Rund um das Spiel in Bielefeld

Zum letz­ten Spiel der Hin­run­de tritt der VfB am Mitt­woch­abend im Bie­le­feld an. Wir haben uns mit DSC-Fan Tilo (@Arminiaddict) über die Lage beim Mit­auf­stei­ger unter­hal­ten.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Tilo und vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Stell Dich doch bit­te kurz vor: Wie bist Du Bie­le­feld-Fan gewor­den?

Tilo: Ich bin bereits seit vie­len Jah­ren Armi­nia Anhän­ger und beglei­te den Ver­ein durch Höhen und Tie­fen.

Mit dem aus sport­li­cher Sicht wohl tra­gischs­ten Ereig­nis unse­rer jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit, dem Rele­ga­ti­ons­dra­ma gegen Darm­stadt im Jahr 2014, bin ich see­lisch irgend­wie mit dem Ver­ein ver­wach­sen. Nach dem Schock­erleb­nis die­ses aus heu­ti­ger Sicht unfass­ba­ren Tages im Mai 2014, bin ich in den Ver­ein ein­ge­tre­ten und habe seit­dem eine Dau­er­kar­te. Es war so eine Art, jetzt erst recht und Unter­stüt­zungs­wil­le, der mich nach der gro­ße Lee­re des Abstiegs antrieb.

Hin­ter­grund: Das Rele­ga­ti­ons­rück­spiel gegen Darm­stadt ging mit 2:4 in der letz­ten Minu­te der Ver­län­ge­rung ver­lo­ren, nach­dem Armi­nia das Hin­spiel in Darm­stadt bereits mit 1:3 gewin­nen konn­te. Zudem hat­te Armi­nia nach dem 2:4 direkt noch die Rie­sen­chan­ce auf das 3:4, die aller­dings am Pfos­ten des Darm­städ­ter Tores zer­schell­te. Hin­zu kommt noch, dass es bei Armi­nia immer wie­der um die pure Exis­tenz ging. Die­ser Abstieg war also nicht nur ein Abstieg, son­dern mal wie­der eine Fra­ge des Über­le­bens im Pro­fi­fuß­ball.

Mit dem Spiel am Mitt­woch endet die ers­te Bun­des­li­ga-Hin­run­de der Armi­nia seit über zehn Jah­ren, aktu­ell steht ihr auf Platz 15. Wie fühlt es sich an, sei­nen Ver­ein nach so lan­ger Zeit wie­der in der Bun­des­li­ga zu sehen und wie zufrie­den bist Du mit der Hin­run­de?

Es ist so unfass­bar trau­rig und gleich­zei­tig geni­al. Ich habe mal get­wit­tert: “Irgend­wie geil, aber irgend­wie scheis­se!”. Ich den­ke das beschreibt es ganz gut. Die Spiel­ta­ge nach dem Zuschau­er­aus­schluss (inkl. des Der­bys gegen Osna­brück) und schließ­lich die unbän­di­ge Freu­de des ach­ten Bun­des­li­ga Auf­stiegs qua­si zu Hau­se auf dem Sofa und nicht im Sta­di­on mit­zu­er­le­ben, war extrem hart.

Die DSC-Bun­des­li­ga-Spie­le jetzt aus­schließ­lich am Fern­se­her mit­zu­ver­fol­gen, ist mitt­ler­wei­le fast schon Nor­ma­li­tät gewor­den und tut trotz­dem jedes Mal weh. Die Stim­mung auf der Alm ist etwas Beson­de­res. Nicht nur juch­he, son­dern auch kri­tisch. Ich den­ke, dass ins­be­son­de­re Mann­schaf­ten wie der DSC, die über Ein­satz­wil­len und Kampf kom­men, aber durch­aus auch ver­su­chen Fuß­ball zu spie­len, in beson­de­rer Wei­se einen Weg für sich fin­den müs­sen, die feh­len­den Zuschau­er zu kom­pen­sie­ren. Bis­her ist uns dies häu­fig nicht gelun­gen und wir haben teils unglück­lich Spie­le ver­lo­ren (Lever­ku­sen, Augs­burg, Wolfs­burg, Leip­zig), wobei ich seit dem Spiel gegen Augs­burg (12. Spiel­tag), Hoff­nung habe. Wir schei­nen ange­kom­men zu sein in der Bun­des­li­ga, in der wir auf­grund aller objek­ti­ven Para­me­ter und bei allen Exper­ten als Abstei­ger Num­mer 1 (mit gro­ßem Abstand vor dem Rest) bereits vor Sai­son­be­ginn fest­stan­den.

Mit unse­rer Punk­te­aus­beu­te bin ich sicher­lich nicht zufrie­den, es dürf­ten und könn­ten ger­ne noch 4 bis 5 Punk­te mehr sein, aber die Mög­lich­keit lebt, dass wir min­des­tens drei Mann­schaf­ten aus eige­ner Kraft am letz­ten Spiel­tag hin­ter uns las­sen kön­nen (bit­te kei­ne Rele­ga­ti­on!).

Der VfB und die Armi­nia stie­gen 2020 zwar gemein­sam auf, ihr hat­tet aber am Ende zehn Punk­te Vor­sprung auf uns. In der Bun­des­li­ga hat sich das etwas gewan­delt: Die Armi­nia steckt mit­ten­drin im Abstiegs­kampf, der VfB steht mit acht Punk­ten Vor­sprung im Mit­tel­feld. Wor­an liegt das Dei­ner Mei­nung nach und wo siehst Du bei­de Ver­ei­ne am Sai­son­ende? 

Es gibt natür­lich einen qua­li­ta­ti­ven Unter­schied zwi­schen dem DSC und dem VfB. Das war auch in der zwei­ten Liga so. Wir haben es damals geschafft, die mann­schaft­li­che Geschlos­sen­heit und unse­re Qua­li­tä­ten in allen Mann­schafts­tei­len über die gesam­te Sai­son zu bün­deln. Es gab kein Stör­feu­er von Medi­en oder aus dem Ver­eins­um­feld, ein Auf­stieg war weder in den kühns­ten noch wahn­wit­zigs­ten Träu­men ein­ge­plant. Die Mann­schaft konn­te in Ruhe arbei­ten und auch ein Aus­fall von einem Schlüs­sel­spie­ler wie Andre­as Vogl­sam­mer wur­de kom­pen­siert. Ich den­ke der Glau­be an die eige­ne Stär­ke hat uns durch die Liga zum Auf­stieg getra­gen.

In der Bun­des­li­ga ist das etwas anders. Wir waren viel zu häu­fig zu brav und haben respekt­voll bewun­dert, wie uns die Bay­ern, Uni­on oder Dort­mund aus­ein­an­der­ge­nom­men haben. Es hat Zeit gebraucht, auch ver­bun­den mit einer Sys­tem­an­pas­sung, um in die Spur zu kom­men und hof­fent­lich dort nun auch zu blei­ben. Ich erhof­fe mir den 15. Platz am letz­ten Spiel­tag.

Der VfB spielt einen erfri­schen­den, tol­len Fuß­ball, mit viel Ener­gie und gro­ßem Wil­len nach vor­ne. Zudem stimmt der Mix aus erfah­re­nen und jun­gen Spie­lern. Mich beein­druckt auch die Brei­te des Kaders. Selbst wenn nun Gon­zá­lez und Waman­gi­tu­ka für das Spiel gesperrt sind, den­ke ich wird das von eurem Kader gut auf­ge­fan­gen, auch wenn mir das natür­lich etwas Sor­gen berei­tet ?.

Ich den­ke der VfB wird am Sai­son­ende min­des­tens einen Platz im gesi­cher­ten Mit­tel­feld bele­gen, viel­leicht sogar ein­stel­lig.

Bei den Gegen­to­ren lie­gen bei­de Ver­ei­ne gleich­auf, aller­dings hat die Armi­nia erst zehn Tore geschos­sen. Fabi­an Klos und Andre­as Vogl­sam­mer, die den Ver­ein letz­tes Jahr mit zusam­men 33 Toren zum Auf­stieg schos­sen, kom­men aktu­ell auf zwei Tore, bei­de von Klos, wobei Vogl­sam­mer auch ers drei Spie­le bestrit­ten hat. War­um stockt die Armi­nia-Offen­si­ve in der Bun­des­li­ga so? 

Hier kommt feh­len­de Erfah­rung und Cle­ver­ness, zu gro­ßer Respekt, zusam­men mit dem Abgang von Jona­than Clauss, der Ver­let­zung von Andre­as Vogl­sam­mer und einem Sys­tem, was viel­leicht erst mit der Umstel­lung auf zwei Spit­zen und mehr wei­ten Bäl­len bes­ser für die Auf­ga­be Bun­des­li­ga gewapp­net zu sein scheint. 

Aller­dings kre­ieren wir ins­ge­samt zu weni­ge Tor­chan­cen und dies nicht nur gegen Top-Mann­schaf­ten. Wenn wir aller­dings eine Chan­ce auf ein Tor bekom­men, klappt das meis­tens ganz gut. Seit eini­gen Spiel­ta­gen kann man einen leich­ten Auf­wärts­trend erken­nen. Ich wün­sche mir, das wir die­se Ent­wick­lung wei­ter fort­set­zen kön­nen.

Noch ein Wort zu Fabi­an Klos und Andre­as Vogl­sam­mer: Klos rackert und rennt in jedem Spiel bis nix mehr geht. Er steht bei jedem Eck­ball gegen uns hin­ten drin und ist auch sofort wie­der vor­ne, macht Bäl­le fest und ver­sucht sogar zu drib­beln (!) und Flan­ken zu schla­gen. Er stellt sich da kom­plett in den Dienst der Mann­schaft. Das ist genau das, wes­halb er für mich zu Recht die abso­lu­te Kult­fi­gur ist und bleibt, egal ob er nun einen oder fünf­zehn Bun­des­li­ga Tref­fer machen wird.

Für Andre­as Vogl­sam­mer tut es mir vor allem für ihn ganz per­sön­lich leid. Ich den­ke er könn­te dem Team sofort wei­ter­hel­fen und wür­de auch in der Bun­des­li­ga sei­ne Tore machen. Die Ver­let­zungs­pro­ble­me die letz­te Sai­son im Spiel gegen Aue begon­nen haben, zie­hen sich bei ihm seit­dem durch (mit kur­zen Unter­bre­chun­gen, in denen er auch wie­der spie­len konn­te). Ich drü­cke ihm vor allem ganz fest die Dau­men, dass er schnell wie­der rich­tig gesund wird und spie­len kann.

Uwe Neu­haus steht wie Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo in die­ser Sai­son zum ers­ten Mal als Chef­trai­ner in der Bun­des­li­ga an der Sei­ten­li­nie. Wie bewer­test Du sei­ne Arbeit in der ers­ten Sai­son­hälf­te und hat er den Spiel­stil sei­ner Mann­schaft nach dem Auf­stieg ange­passt?

An Uwe Neu­haus gefällt mir vor allem sei­ne ruhi­ge, ana­ly­ti­sche Art, die auch bei der Mann­schaft gut anzu­kom­men scheint. Er setzt die rich­ti­gen Impul­se, wie schon erwähnt bei­spiels­wei­se die Sys­tem­an­pas­sung von einem 4–3‑3 auf ein 4–4‑2 oder auch mal durch geziel­te Öffent­lich­keits­ar­beit Impul­se zu set­zen, um die Mann­schaft in die Pflicht zu neh­men.

Er ist genau der rich­ti­ge Trai­ner für den DSC Armi­nia Bie­le­feld. Ich glau­be auch nicht, dass wir mit irgend­ei­nem ande­ren Trai­ner auch nur einen Punkt mehr hät­ten. Sei­ne Stär­ke ist aus mei­ner Sicht zudem die Zusam­men­ar­beit mit dem gesam­ten Team (Co-Trai­ner, Tor­wart- und Fit­ness­trai­ner). Hier wird eben­falls geschlos­sen und ziel­stre­big gear­bei­tet, obwohl wenig Bun­des­li­ga Erfah­rung dabei ist.

Auf dem Trans­fer­markt war die Armi­nia im Som­mer recht aktiv hat aber auf den ers­ten Blick nicht an Qua­li­tät ver­lo­ren. Wie bewer­test Du die Trans­fer­pha­se und wo muss der Ver­ein jetzt im Janu­ar noch nach­le­gen? 

Unse­re offen­si­ven Neu­zu­gän­ge haben noch nicht so ein­ge­schla­gen wie erhofft, mit Aus­nah­me von Rit­su Doan. So hat­te ich mir ins­be­son­de­re von Ser­gio Cór­do­va, Chris­ti­an Gebau­er und Arne Mai­er deut­lich mehr ver­spro­chen. Für den Rest gilt, nach anfäng­li­chen Schwie­rig­kei­ten wird es lang­sam bes­ser, zum Bei­spiel bei den Außen­ver­tei­di­gern Nathan de Medi­na und Jacob Laur­sen. Zudem hat­ten wir mit Jona­than Clauss nur einen Abgang zu ver­kraf­ten. Die­ser wiegt sicher­lich schwer, da sei­ne Schnel­lig­keit, Spiel­witz und auch Flan­ken uns aktu­ell sehr feh­len. Ins­ge­samt eine sehr gute Trans­fer­pe­ri­ode, gemes­sen an unse­ren Mög­lich­kei­ten. So haben wir bis auf die Leih­ge­büh­ren alle Spie­ler ablö­se­frei geholt. Dies ist schon fast typisch für Samir Ara­bi, muss aber noch­mal posi­tiv erwähnt wer­den, wie ich fin­de.

Wo ich aller­dings wei­ter eine Rie­sen­bau­stel­le sehe, ist die feh­len­de Qua­li­tät bei Stan­dard­si­tua­tio­nen und punkt­ge­naue Flan­ken. OK, wir haben zwei Tore nach Ein­wür­fen erzielt, aber dies wür­de ich mal nicht unter Stan­dard­stär­ke ver­bu­chen. Bei Frei­stö­ßen und Eck­bäl­len strah­len wir qua­si kei­ne Gefahr aus und ich den­ke, das ist ein ech­ter Malus­punkt, wenn die Offen­si­ve eh schon stot­tert. Lei­der wird das auch nicht bes­ser. An der Stel­le unse­rer sport­li­chen Lei­tung, wür­de ich Ver­stär­kun­gen suchen, die uns auf dem Flü­gel mit Flan­ken auf Klos und Cór­do­va und vor allem gefähr­li­chen Stan­dards wei­ter­hel­fen.

Ist mit Bie­le­feld in die Bun­des­li­ga zurück gekehrt: Sven Schipp­lock. Bild: © Mar­tin Rose/Getty Images

Im Kader steht auch immer noch unser Ex-Stür­mer Sven Schipp­lock. Wie läuft sei­ne Bun­des­li­ga-Rück­kehr bis­her? 

Nach­dem sein Last-Minu­te Tor gegen Kiel den Auf­stieg fast besie­gelt hat, ist mir fast egal wie Schip­po spielt ?. Spaß bei­sei­te: Ich mag sei­nen Wil­len und sei­ne Ein­satz­be­reit­schaft. Er ist der Spie­ler mit der größ­ten Bun­des­li­ga Erfah­rung und zusam­men mit Ser­gio Cór­do­va über­haupt nur einer von zwei Spie­lern in unse­rem Kader, die schon mal in der Bun­des­li­ga gespielt haben. Er kommt bei uns meist von der Bank und ist sofort im Spiel drin. Er rennt, dis­ku­tiert, foult und gibt ein­fach alles. Wären Fans im Sta­di­on, wäre er sicher­lich bereits Publi­kums­lieb­ling.

Über die Bie­le­fel­der Offen­siv­schwä­che haben wir eben schon gespro­chen, was sind die Stär­ken des DSC? 

Ich den­ke die mann­schaft­li­che Geschlos­sen­heit und die gute, auch von außen wahr­nehm­ba­re Stim­mung im Team, könn­ten der Schlüs­sel wer­den und uns wie­der durch die Sai­son tra­gen, wenn auch in einer ande­ren Tabel­len­re­gi­on als in der zwei­ten Bun­des­li­ga ?. Mir gefällt zudem die Ruhe im Ver­ein. Und das war hier defi­ni­tiv nicht immer so. Da herrscht viel Rea­lis­mus und Demut bei den han­deln­den Per­so­nen. Das ist für mich defi­ni­tiv eine Stär­ke. 

Als wei­te­re Stär­ke wür­de ich unse­ren sehr siche­ren Abwehr­ver­bund bezeich­nen. An den letz­ten fünf Spiel­ta­gen, haben wir gera­de ein­mal zwei Gegen­to­re kas­siert. Beson­ders muss man sicher­lich hier unse­ren Tor­hü­ter Ste­fan Orte­ga sowie unse­re Innen­ver­tei­di­gung her­vor­he­ben. Aber wie schon erwähnt, ist sich eben auch ein Fabi­an Klos oder auch Rit­su Doan nicht zu scha­de, um kom­plett die Wege nach hin­ten mit­zu­ge­hen. Und aus einer siche­ren Abwehr wer­den wir sicher­lich noch für die ein oder ande­re Über­ra­schung sor­gen.

Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel? 

Stutt­gart ist offen­siv beein­dru­ckend stark. Wenn wir wie in den letz­ten Spiel­ta­gen dage­gen­hal­ten und defen­siv gut ste­hen, wird es aller­dings sehr schwer ein Tor gegen uns zu erzie­len.

Ich tip­pe auf ein Unent­schie­den 1:1

Titel­bild: © ima­go / Team 2

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