In der englischen Woche geht es für den VfB nach Sinsheim. Vor dem Spiel sprachen wir mit kicker-Redakteur Benjamin Hofmann (@benni_hofmann), der auch über die TSG berichtet, über die Begegnung und die Kraichgauer.
Rund um den Brustring: Hallo Benni, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen genommen hast. In der letzten Saison hat Hoffenheim zum ersten Mal den Europapokal erreicht. Warum hat das, Deiner Meinung nach, trotz der großzügigen Förderung so lange gedauert, anders als beispielsweise in Leipzig?
Benni Hofmann: Vom Geld alleine hängt das natürlich nicht ab, sonst würde sich die Tabelle ja jedes Jahr an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. In den letzten Jahren war es in Hoffenheim aus den verschiedensten Gründen unruhig, nicht nur auf der Position des Trainers, sondern auch was den Sportdirektor angeht. Man muss aber auch sagen: Sie haben die finanziellen Möglichkeiten nicht in dem Maße zur Verfügung wie Leipzig.
Warum hat es dann letztes Jahr geklappt?
Weil sie endlich Konstanz in den Verein gebracht haben. Alexander Rosen arbeitet sehr ruhig und hat ein klares Bild, wie Neuzugänge auszusehen haben. Gleichzeitig hat er den Auftrag, den Verein unabhängiger von äußeren finanziellen Einflüssen zu machen. Das heißt natürlich auch, dass, sie Transfererlöse generieren müssen, um mehr und mehr finanziell auf eigenen Beinen stehen zu können. Auch Julian Nagelsmann steht für die angesprochene Konstanz. Ich habe ihn im Trainingslager erlebt: Was die Trainingsarbeit und die Ansprache der Spieler angeht, ist das wirklich stark. Natürlich muss man bei ihm schauen, wie das in einer möglichen Krise funktioniert. Aber grundsätzlich ist Nagelsmann ein Glückgriff für die TSG.
Was fehlt Hoffenheim noch, um in der Europa League mitzuhalten? Dieses Jahr sie sind ja jetzt nach der Vorrunde raus geflogen.
Erfahrung und Kaltschnäuzigkeit. Natürlich hast Du mit Steven Zuber schon einen erfahrenen Spieler, aber im Vergleich zu anderen Mannschaften fehlt da noch etwas. Natürlich hatte jeder Lust auf die Europa League, aber das Ausscheiden gegen Liverpool und insbesondere der vergebene Elfmeter von Kramaric im Hinspiel war vielleicht doch noch bei einigen im Hinterkopf. Das Ausscheiden war über beide Spiele sicher verdient, aber im Hinspiel waren sie über 90 Minuten die bessere Mannschaft. Wenn der Elfmeter rein geht, führst Du zu Hause gegen Liverpool, wenn dann noch das 2:0 fällt, sieht das schon gut aus. Im Rückspiel haben sie zurecht verloren, da haben sie viel Lehrgeld gezahlt. Was aber auswärts nicht schlimm ist.
Teilweise haben sie gute Spiele gemacht, wie zum Beispiel gegen Braga zu Hause. Da haben sie den Gegner an die Wand gespielt, aber auch aus den Chancen zu wenig gemacht und gegen eine abgezockte Mannschaft verloren. Teilweise waren auch schlechte Spiele dabei, wie gegen Rasgrad. Da war die erste Halbzeit noch akzeptabel, die zweite war einfach schlecht, was aber teilweise auch an der Personalsituation lag. Aber normalerweise musst Du als Bundesligavierter in dieser Gruppe weiter kommen.
Wie bewertest Du die Sommertransfers und wo müssen sie im Winter noch nachlegen?
Wo sie nachlegen müssen hängt davon ab, wen sie abgeben. Bei Sandro Wagner ist es scheinbar nur eine Frage der Zeit, bis der Wechsel über die Bühne geht. Dann brauchst Du natürlich vorne einen Ersatz, denn er ist vorne sehr wichtig, genauso wie Mark Uth. Dessen Vertrag läuft im Sommer aus, er will aber wohl nicht verlängern. Vielleicht ergibt es Sinn, den im Winter schon abzugeben, um noch Ablöse zu bekommen. Beide gleichzeitig werden sie wohl nicht verkaufen. Es gibt also viele Sachen, die miteinander zusammenhängen. Ansonsten ist die TSG meines Erachtens gut aufgestellt.
Der beste Transfer kommt aus der eigenen Nachwuchs: Dennis Geiger. Der macht sich sehr gut, ist sehr ballsicher, sehr giftig im Zweikampf — auch wenn er nicht unbedingt die stärkste Physis hat — und sehr torgefährlich. Dem traue ich noch den nächsten und übernächsten Schritt zu. Niklas Süle hat man durch Harvard Nordtveit ersetzt. Von dem haben sie sich sicherlich ein bisschen mehr versprochen, ich kann mir aber gut vorstellen, dass da noch mehr kommt. Ansonsten muss man sagen, dass der eigene Nachwuchs eine gute Rolle in Hoffenheim spielt. Mit Süle und Rudy sind wichtige Spieler gegangen, trotzdem stehen sie in der Liga insgesamt gut da. Da wurde also gut gearbeitet.
Aktuell steht Hoffenheim auf Platz 6, sie haben die Bayern und Leipzig geschlagen, aber auch gegen Bremen, Freiburg und Hamburg verloren. Wie stark schätzt Du die Mannschaft wirklich ein?
Ich glaube für mehr als Platz fünf oder sechs wird es nicht reichen. Wenn ein Wagner geht, muss man sehen, wie man ihn ersetzt. Für den Etat ist der derzeitige Tabellenplatz aber ok. Klar, sie haben Bayern und Leipzig geschlagen, manchmal, beispielsweise gegen Freiburg hat ihnen aber die Kaltschnäuzigkeit gefehlt. Das Spiel musst Du, so wie es läuft, nicht verlieren.
Welche Rolle spielen denn die Ex-VfBler Ermin Bikakcic, Lukas Rupp und Adam Szalai in der Mannschaft?
Bikakcic ist für das Teamgefüge sehr wichtig. Er ist einfach ein guter Typ, bringt Laune und Emotionalität rein. Er ist aber wegen einer Kreuzbandzerrung lange ausgefallen und spielt derzeit sportlich noch nicht wieder die Rolle. Mal abwarten, wie es aussieht, wenn er im Winter eine komplette Vorbereitung mitmacht. Lukas Rupp ist schwer ins Rollen gekommen und hatte nicht immer die Topform, kämpfte aber auch immer wieder mit leichteren Blessuren. Gegen Leipzig hat er aber beispielsweise ein super Spiel gemacht. Die Konkurrenz auf seiner Position, der Acht, ist natürlich auch hoch: Kerem Demirbay ist ein ganz feiner Fußballer, Nadiem Amiri hat viel Dynamik. Florian Grillitsch schwimmt sich auch immer mehr frei und macht das gut. Selbst Gnabry kann diese Position spielen. Mit dem Leipzig-Spiel hat Rupp aber einen guten Weg eingeschlagen.
Adam Szalai war auch sehr lange verletzt, eine Adduktorenverletzung. Er hatte folglich kaum Einsätze bisher. Kommt der Wagner-Wechsel zustande, ändert sich seine Situation natürlich extrem. Dass er Tore schießen kann, hat er in der letzten Rückrunde bewiesen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man den Transfererlös von Wagner bis zum Sommer spart und auf Szalai setzt.
Ist der Verein eigentlich mittlerweile ohne Dietmar Hopp wirtschaftlich überlebensfähig?
Wirtschaftlich überlebensfähig ist natürlich ein großes Wort. Dass der Verein ohne Dietmar Hopp nicht in der Situation wäre in der er ist, wissen wir alle. Damit geht man auch in Hoffenheim offen um. Man muss aber auch sehen, welchen Anteil am Jahresetat mittlerweile TV-Gelder ausmachen , wie viel die Transfererlöse. Nicht nur in Hoffenheim, sondern auch bei anderen Vereinen.
Natürlich hat Hopp infrastrukturell auch viel angestoßen, Man kann die Frage nicht so einfach mit ja oder nein beantworten. Auf Sicht will der Verein unabhängiger werden, das ist ihnen bisher immer besser gelungen. Im Sommer hatten sie ein positives Transfersaldo, im Winter vielleicht wieder. Dadurch wird man natürlich unabhängiger.
Wo liegen Stärken und Schwächen der Hoffenheimer Mannschaft?
Eine Stärke ist definitiv die Flexibilität. Das muss man wechselseitig betrachten: Der Trainer ist taktisch unglaublich flexibel und die Mannschaft ist, auch dank des Trainerteams, aber auch wegen ihrer individuellen Spielintelligenz, in der Lage, taktische Änderungen des Trainers schnell umzusetzen. Das hat man im Spiel gegen Leipzig gesehen. Hoffenheim kommt normalerweise stark über ballbesitzorientierten Fußball: Also ein gepflegter Spielaufbau und Kurzpassspiel. Das ist natürlich auch schwieriger und gefährlicher als ein langer Ball. Vorne fehlte dann manchmal, vielleicht auch durch die Mehrfachbelastung, die letzte Genauigkeit. Gegen Leipzig haben sie komplett umgestellt, viel tiefer gestanden und sehr schnell nach vorne gespielt, guten ansehnlichen Konterfußball.
Die große Schwäche ist die Chancenverwertung, da lassen sie zu viel liegen. Wenn der VfB stabil steht und ordentlich dagegen hält, kommt Hoffenheim eventuell mit seinem Spielaufbau nicht weiter. Spielerisch ist die TSG dem VfB aber überlegen. Das muss aber nichts heißen. Wenn der VfB jedoch so spielt wie in der ersten Halbzeit gegen Leverkusen, wird es sehr schwerig. Besser wäre es, an den guten 20 Minuten aus diesem Spiel anzusetzen, mit viel Druck.
Wie ist Dein Tipp fürs Spiel?
Du weißt doch, ich tippe nicht. 😉
Benni, vielen Dank fürs Gespräch!
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