Mit Wolfsburg empfängt der VfB am 32. Spieltag einen unberechenbaren Gegner. Vorteil oder Nachteil?
Worauf es im drittletzten Spiel der Saison ankommt, habe ich ja unter der Woche schon aufgeschrieben: Zweikampfstärke, Ballkontrolle, Umschaltspiel und ZielStreitigkeiten im Abschluss. Mittlerweile scheint der Frust vom Sonntag bei vielen einer gewissen Angriffslust gewichen zu sein, die aber ganz schnell noch größerem Frust weichen kann, wenn die Mannschaft noch so einen Auftritt hinlegt wie in der ersten Halbzeit in Berlin. Pellegrino Matarazzo und Sven Mislintat zeigten beide öffentlich Verständnis für die Reaktionen und Unverständnis für die Leistung der Mannschaft. Mehr kann man zumindest in der externen Kommunikation aktuell nicht machen. Entscheidend ist aber, dass die interne Kommunikation, wie auch immer sie aussieht, bei der Mannschaft ankommt.
Kommen wir zur
Personalsituation
Ata Karazor, der in Berlin fehlte, ist wieder an Bord, dafür fällt Pascal Stenzel für das bisschen Rest der Saison aus. Omar Marmoush hingegen hängt noch ein wenig in der Luft und manch einer war, gerade nach seinem sehr egoistischen Auftritt in Mainz und mehreren schwach verwerteten Abschlüssen der Meinung, man könne auch gut auf ihn verzichten. Abgesehen davon, dass wir gerade wirklich jede Alternative gebrauchen können, bin ich beim Stöbern auf der Statistikseite FBref.com neulich auf ein paar interessante Zahlen zu Marmoush gestoßen.
Zunächst einmal scheint sich der Eindruck zu bestätigen: Marmoush hat die größte Differenz zwischen expected goals (5,3) und erzielten Toren (3). Heißt: Er macht zu wenig aus seinen Chancen. Aber hat er nicht vielleicht andere Qualitäten?
Diese Statistik weist die Shot Creating Actions (SCA) und die Goal Creating Actions (GCA) aus, also Aktionen, die zu einem Torschuss oder einem Tor führten, genauer gesagt die zwei Aktionen vor dem Torschuss. Hier belegt Marmoush auch eine Spitzenposition hinter Borna Sosa und knapp vor Chris Führich, dessen Abschluss die VfB-Fans in der jüngeren Vergangenheit auch bisweilen in den Wahnsinn trieb. Marmoush hat hier ein ähnliches Problem wie Philipp Förster, der lange nur nach seinem Torabschluss bewertet wurde und nicht nach seiner Rolle bei der Einleitung von Angriffen. Natürlich muss am Ende trotzdem irgendwer die Buden machen, gerne auch Marmoush selber. Auf ihn verzichten möchte ich aber aktuell auch nicht.
Kommen wir zur
Mögliche Aufstellung
Gehen wir Mal vom worst case aus, nämlich einem erneuten Ausfall Marmoushs. Führich könnte dann wieder den linken Halbstürmer geben, für ihn würde Förster in die Mannschaft rücken, den Matarazzo auf der Pressekonferenz extra erwähnte. Orel Mangala läuft aktuell seiner Form weit hinterher, war offensiv zuletzt ähnlich ungefährlich, wie es Förster nachgesagt wird, leistete sich aber auch schlechte Zweikampfwerte. Matarazzo wird jetzt als Reaktion auf Berlin nicht die gesamte Mannschaft umstellen, aber dass Förster reinrotiert könnte ich mir als Signal durchaus vorstellen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass er die Mannschaft mit einer Rückkehr zur Dreierkette herausfordert, hier ist es sicherlich sinnvoll, das Bewährte zu verbessern.
Und wie sieht die
Lage beim Gegner
aus? Darüber haben wir mit Wolfsburg-Experte Leonard Hartmann (@leonardmann04) von den Wolfsburger Nachrichten gesprochen.
Wie ist Dein Gefühl vorm Spiel?
Wolfsburg ist die Wundertüte der Liga — 0:3 in Augsburg, 4:0 gegen Bielefeld, 1:6 in Dortmund, 5:0 gegen Mainz. Kohfeldts Truppe stolpert oder galoppiert von einem Extrem ins andere. Konstanz ist ein Fremdwort. Hauptgrund dafür: die Einstellung der Einzelnen, Qualität steckt ausreichend im Kader. Da mit dem 5:0 gegen Mainz der Klassenerhalt praktisch vollzogen wurde, dürften es die Wolfsburger nun wieder mal ein wenig lockerer angehen. Wenn Stuttgart fokussiert von Beginn an rangeht, gewinnt der VfB.
Wer fehlt bei Wolfsburg?
Maxence Lacroix dürfte nach muskulären Problemen zurückkehren. Fraglich jedoch, ob Kohfeldt nach dem 5:0 gegen Mainz mit Viererkette nun zurückkehrt zur Dreierkette. Ich denke, der Trainer bleibt beim 4–3‑3. Lacroix, der eine schwache Saison spielt, könnte auf die Bank rutschen oder aber Brooks, der den VfL verlässt, aus der Startelf verdrängen. Ansonsten fehlt bis auf Linksverteidiger Paulo Otavio kein Leistungsträger. Luca Waldschmidt ist noch verletzt raus, aber der ist noch nicht in Wolfsburg angekommen.
Was sind derzeit die Stärken und Schwächen und auf wen müssen wir besonders aufpassen?
Ganz leichte Antwort: Aufpassen auf Max Kruse. Ist der ausgeschaltet, steht Wolfsburg still. Und Schwächen hat die Truppe vor allem in der Birne. Permanenter Druck, hohes Anlaufen, ein frühes Tor für den VfB dürfte schnell Klarheit bringen.
Statistik
Es ist die 52. Begegnung beider Mannschaften, die 46. in der Bundesliga mit leichten Vorteilen für den VfB. In jüngster Zeit ist die Bilanz durchwachsen. Der VfB gewann das Hinspiel, verlor aber letzte Saison zu Hause. Im Abstiegskampf 2009 gab es ein 3:0 am 33. Spieltag, mit dem der VfB die Relegation sicherte. Lukas Nmecha und Max Kruse sind die torgefährlichsten Stürmer des Tabellenzwölften, der zuletzt in Auswärtsspielen schlecht aussah, in der Auswärtstabelle aber im Mittelfeld steht. Torhüter Koen Casteels gehört übrigens zu vier Torhütern, die diese Saison schon zehn Mal zu Null spielten.
Fazit
Erlaubt mir zum Ende dieser Vorschau einen persönlichen Ausblick. 1073 Tage werden morgen vergangen sein, seit ich beim Relegations-Hinspiel gegen Union das letzte Mal die Cannstatter Kurve betreten habe. Und wieder geht es um fast alles. Dazwischen kam meine Tochter auf die Welt, waren die Stadien erst zu, dann wieder auf — aber nicht so, dass ich mich dort sicher gefühlt hätte — dann wieder zu. Jetzt sind sie wieder auf und ich hoffe zum einen, dass es so bleibt, und zum anderen, dass wir im Neckarstadion auch in der kommenden Saison noch Bundesliga-Fußball sehen. Zur Not gehe ich auch nochmal zu einem Relegations-Heimspiel ins Stadion.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass will den VfB nicht an die zweite Liga verlieren.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images