Rund um das Spiel gegen Nürnberg

Rele­ga­ti­ons­platz trifft auf Rele­ga­ti­ons­platz und kei­ner ist damit zufrie­den: Vor dem Heim­spiel gegen Nürn­berg am Mon­tag­abend spra­chen wir mit FCN-Blog­ger Frank (@clubgefluester) über das Duell der Abstei­ger.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Frank und vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für unse­re Fra­gen nimmst. Stell Dich doch bit­te erst­mal vor: Wie bist Du FCN-Fan gewor­den und wie ist Dein Blog Club­ge­flüs­ter ent­stan­den?

Frank: Mein Fan­da­sein begann im Herbst 1986, als mich mein Vater zum ers­ten Mal mit ins Sta­di­on genom­men hat­te. Der FCN hat damals Blau-Weiß 90 Ber­lin mit 7:2 abge­schos­sen – seit­dem habe ich „Clube­ri­tis“, über die ich auch einen Blog­bei­trag geschrie­ben habe. Die Idee zu einem Blog hat­te ich im März 2014 aus zwei Grün­den: Schrei­ben ist eine Pas­si­on von mir und ich muss­te mei­ne Erleb­nis­se rund um den Ruhm­rei­chen „the­ra­peu­tisch“ ver­ar­bei­ten. So ent­stand mein Blog „Club­ge­flüs­ter – Tore, Träu­me, Trä­nen: Leben und Lei­den mit dem Club“. Mein ers­ter Bei­trag „Wir bren­nen für den Klas­sen­er­halt“ ging übri­gens über den Heim­sieg am 26. März 2014 gegen den VfB. Das war unser letz­ter Bun­des­li­ga­sieg und wir sind danach kläg­lich abge­stie­gen. Wie­der ein­mal.

Im Som­mer stie­gen der Club und der VfB gemein­sam aus der Bun­des­li­ga ab. Für uns war es erst der drit­te Gang in die zwei­te Liga, Ihr seid jetzt mit neun Abstie­gen Rekord­hal­ter. Ich erin­ne­re mich, dass der Aus­gang der ver­gan­ge­nen Sai­son ange­sichts der finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten des Ver­eins nicht völ­lig über­ra­schend kam. Wäre er Dei­ner Mei­nung nach trotz­dem zu ver­hin­dern gewe­sen? Und wie geht man als Club-Fan mit die­sem Nega­tiv­re­kord um?

Als Glub­be­rer sind wir ja leid­ge­prüft und seit Jahr­zehn­ten auch schon jeg­li­che Absur­di­tä­ten gewohnt und ent­spre­chend abge­här­tet. Daher nimmt man den Titel „Rekord­ab­stei­ger“ ach­sel­zu­ckend mit Gal­gen­hu­mor hin und koket­tiert sogar sar­kas­tisch damit. Trotz­dem tut jeder ein­zel­ne Abstieg ver­dammt weh.

Aus mei­ner Sicht hät­te sich der letz­te Bun­des­li­ga­ab­stieg womög­lich ver­hin­dern las­sen, wenn in der Win­ter­pau­se noch eini­ge Ver­stär­kun­gen für die Offen­si­ve geholt wor­den wären. Es kam jedoch kein ein­zi­ger Spie­ler dazu. Es war zumin­dest genü­gend Geld da, um attrak­ti­ve Leih­ge­schäf­te zu machen. Aber so sind wir dann mit einem mann­schaft­lich geschlos­se­nen Kader in die Rück­run­de gegan­gen, bei dem Qua­li­tät und Cle­ver­ness nicht aus­rei­chend waren.

Die Rol­len­ver­tei­lung in der zwei­ten Liga schien vor der Sai­son klar: Drei Abstei­ger wer­den sich mit dem Ham­bur­ger SV und einem Über­ra­schungs­team um die Auf­stiegs­plät­ze strei­ten. Die Rea­li­tät: Han­no­ver 96 steht trotz zwei Sie­gen in Fol­ge wei­ter­hin in der unte­ren Tabel­len­hälf­te und am Mon­tag­abend tref­fen mit dem VfB und dem FCN zwei Mann­schaf­ten auf­ein­an­der, die bei­de auf einem Rele­ga­ti­ons­platz ste­hen. Kannst Du Dir erklä­ren, war­um Ihr und Han­no­ver Euch so schwer tut nach dem Abstieg?

Das ist genau die Fra­ge – lei­der habe ich kei­ne Erklä­rung. Der Club hat sich sehr gut ver­stärkt und ist qua­li­ta­tiv sogar stär­ker auf­ge­stellt als letz­tes Jahr. Aber anschei­nend sind Team­geist und mann­schaft­li­che Geschlos­sen­heit nicht mehr so inten­siv vor­han­den. Es funk­tio­niert seit zwei Mona­ten fast gar nix mehr aufm Platz. Und war­um wir wie­der die Schieß­bu­de der Liga sind mit einem kata­stro­pha­len Abwehr­ver­hal­ten, das lässt der­zeit jeden Club-Fan kom­plett rat­los und frus­triert zurück.

Was bei Han­no­ver schief­läuft, kann ich aus der Fer­ne nicht beur­tei­len.

Wie groß ist die Angst und für wie rea­lis­tisch hältst Du es, dass der Club in die 3. Liga durch­ge­reicht wird?

Beim Club ist prin­zi­pi­ell immer alles mög­lich, das ist seit Jahr­zehn­ten lei­der schon so! Aber spe­zi­ell seit dem bla­ma­blen Spiel gegen den Auf­stei­ger und Tabel­len­letz­ten Wehen-Wies­ba­den bin ich alar­miert. Nicht nur die Nie­der­la­ge an sich, son­dern die Art und Wei­se wie kopf­los ver­un­si­chert wir agiert haben, berei­tet mir arge Sor­gen. Ich sage es mal so: Soll­te das Team es nicht in den Kopf bekom­men, dass die Lage wirk­lich ernst ist und wir abstiegs­ge­fähr­det sind, dann stei­gen wir sang- und klang­los ab. In den letz­ten fünf Jah­ren haben es Mann­schaf­ten wie Pader­born, Braun­schweig und Ingol­stadt „vor­ge­macht“, dass aus ambi­tio­nier­ten Bun­des­li­ga­ab­stei­gern schnell ein Dritt­li­gist wer­den kann. Da hat in der Noris wirk­lich kei­ner Bock drauf und ich hof­fe, die Mann­schaft kapiert das noch recht­zei­tig!

Wie bewer­test Du denn die Trans­fers des Som­mers und wo muss Sport­vor­stand Robert Pali­ku­ca im Win­ter nach­le­gen?

Ich fin­de, wir haben uns im Som­mer pri­ma ver­stärkt und die Qua­li­tät des Kaders ver­bes­sert. Zu Sai­son­be­ginn haben mich vor allem die Neu­zu­gän­ge Niko­la Dove­dan, Micha­el Frey, Johan­nes Geis, Robin Hack und Asger Sören­sen über­zeugt. Sie haben gezeigt, dass sie rich­tig was drauf haben. War­um seit rund zwei Mona­ten gefühlt kei­ner mehr sein Poten­zi­al abru­fen kann, bleibt das gro­ße Rät­sel.

Auf­grund der Abwehr­mi­se­re muss Sport­vor­stand Pali­ku­ca drin­gend die Defen­si­ve mit gestan­de­nen Pro­fis ver­stär­ken. Gelingt es uns wei­ter­hin nicht, die Gegen­tor­flut zu stop­pen, stei­gen wir ab.

Der Mann für den Neuaufbau nach dem Abstieg: Sportdirektor Robert Palikuca. © Getty/Bongarts
Der Mann für den Neu­auf­bau nach dem Abstieg: Sport­di­rek­tor Robert Pali­ku­ca. © Getty/Bongarts

Pali­ku­ca kam im April ins Amt, nach­dem der FCN im Febru­ar sei­nen Vor­gän­ger Andre­as Born­emann und Trai­ner Michael Köll­ner frei­stell­te. Wie bewer­test Du sei­ne Arbeit bis­her?

Bis­her bin ich damit zufrie­den, da die Ein­käu­fe prin­zi­pi­ell schon Ver­stär­kun­gen sind. Zudem fand ich es posi­tiv, dass es mit Trai­ner Cana­di, den er ja mit aus­ge­sucht hat­te, eine schnel­le Tren­nung ohne wochen­lan­ge Ulti­ma­ten gab. Dadurch wur­de der Grad der Unru­he so kurz wie mög­lich gehal­ten und mit Jens Kel­ler wur­de schnell ein kom­pe­ten­ter Nach­fol­ge­trai­ner gefun­den. Es kommt jetzt aller­dings dar­auf an, dass in der Win­ter­pau­se sinn­voll die Abwehr ver­stärkt wird. Und machen wir uns nix vor: Bei einem wei­te­ren Abstieg wird das gan­ze Umfeld den Sport­vor­stand defi­ni­tiv zum Teu­fel wün­schen und wohl auch dort­hin jagen.

War nicht lange im Amt: Ex-Coach Damir Canadi. © Getty/Bongarts
War nicht lan­ge im Amt: Ex-Coach Damir Cana­di. © Getty/Bongarts

Zu Sai­son­be­ginn ver­pflich­te­te er Trai­ner Damir Cana­di, der nach dem Aus­schei­den im DFB-Pokal und dem 1:3 in Bochum sei­nen Platz Stuhl räu­men muss­te. Kannst Du die Ent­las­sung nach­voll­zie­hen und was hälst Du von sei­nem Nach­fol­ger, Ex-VfB-Trai­ner und ‑Spie­ler Jens Kel­ler?

Ich kann die Ent­schei­dung nach­voll­zie­hen und befür­wor­te sie auch. Anschei­nend hat Cana­di nie den Draht zu sei­nen Spie­lern gefun­den. Sein Sys­tem und Auf­stel­lung waren son­der­bar und bei sei­nen Aus­wechs­lun­gen haben wir uns in der Kur­ve all­zu oft ver­wun­dert die Augen gerie­ben. Und wenn du dann auch noch in eine Nie­der­la­gen­se­rie stol­perst, bei dem dich ande­re, eigent­lich schwä­che­re Ver­ei­ne her­spie­len, dann ist Hand­lungs­be­darf. Die­ser schnel­le und kla­re Schnitt war daher in Ord­nung. Es hat mit Cana­di eben lei­der nicht gepasst.

Ex-VfBler Jens Keller steht in Nürnberg an der Seitenlinie. © Getty/Bongarts
Ex-VfBler Jens Kel­ler steht in Nürn­berg an der Sei­ten­li­nie. © Getty/Bongarts

Unser neu­er Trai­ner Jens Kel­ler ist jetzt hof­fent­lich der rich­ti­ge Mann. Zumin­dest ist er erfah­ren genug und kennt die 1. und 2. Bun­des­li­ga sehr gut. Ich habe mich gefreut, dass die Wahl auf ihn fiel. Auch wenn es hin­sicht­lich der Ergeb­nis­se bis­her noch kei­ne Fort­schrit­te gab, ver­traue ich dar­auf, dass Kel­ler die Mann­schaft im rest­li­chen Sai­son­ver­lauf wie­der hin­be­kommt. Noch ist genü­gend Zeit für den Tur­n­around.

Nur der SV Wehen Wies­ba­den hat in den bis­he­ri­gen 15 Sai­son­spie­len mehr Gegen­to­re kas­siert. Ist die Abwehr das größ­te Pro­blem des FCN?

Ja, denn die Abwehr ist der­zeit lei­der nicht ein­mal zweit­li­ga­taug­lich! Die Stock­feh­ler und Fehl­päs­se sind haar­sträu­bend und wer­den gna­den­los mit Gegen­to­ren bestraft. Da wirst du als Fan im Sta­di­on wahn­sin­nig! Wenn es dann sowie­so nicht läuft, ver­let­zen sich auch noch alle drei Pro­fit­or­hü­ter schwer und fal­len mona­te­lang aus, so dass du plötz­lich mit einem 18-Jäh­ri­gen im Kas­ten impro­vi­sie­ren musst. Das hat die Mann­schaft natür­lich zusätz­lich ver­un­si­chert. Daher haben wir mit dem ver­trags­lo­sen Ex-Bochu­mer Felix Dor­ne­busch vor drei Wochen einen Not­na­gel geholt, den ich durch­aus als Ver­stär­kung ein­schät­ze. Ich bin sicher, wenn die Abwehr wie­der sta­bil steht, dann kehrt auch das Selbst­ver­trau­en im gan­zen Team zurück.

Was sind denn umge­kehrt die Stär­ken des Clubs und vor wem soll­ten wir uns am Mon­tag in Acht neh­men?

Noch vor zwei Mona­ten hät­te ich gesagt, dass der Club in der Offen­si­ve rich­tig gefähr­lich ist. Aber nach den andau­ern­den Miss­erfol­gen sehe ich der­zeit kaum Stär­ken, son­dern nur kom­plet­te Ver­un­si­che­rung in allen Mann­schafts­tei­len. Der VfB kann also tie­fen­ent­spannt sein.

Früher beim VfB II mit roten Brustring, jetzt in rotschwarz: Felix Lohkemper. © Getty/Bongarts
Frü­her beim VfB II mit roten Brust­ring, jetzt in rot­schwarz: Felix Lohk­em­per. © Getty/Bongarts

Mit Felix Lohk­em­per steht neben Jens Kel­ler ein wei­te­re ehe­ma­li­ger VfBler beim Club unter Ver­trag, Lohk­em­per spiel­te Anfang des Jahr­zehnts für unse­re Jugend und die zwei­te Mann­schaft. Wie läuft es für ihn bei Euch?

Lohk­em­per war ange­schla­gen und hat bis­her nur wenig gespielt, aber er hat ein paar gute Ansät­ze gezeigt und fri­schen Wind gebracht. Jedoch wäre es ver­mes­sen, die Haupt­last auf den Schul­tern die­ses jun­gen Neu­zu­gangs abzu­la­den, dass er der gro­ße Ret­ter sein muss. Aber ich erhof­fe mir schon, dass von ihm noch mehr kommt und er Teil einer Erfolgs­ge­schich­te wird.

Mal abseits des grü­nen Rasens: Wel­che The­men beschäf­ti­gen die Fans des FCN der­zeit sonst so?

Hmmm, schwie­rig. Ich blen­de mal das hys­te­ri­sche Gedöhns und Bas­hing in den Sozia­len Medi­en auf­grund der andau­ern­den Miss­erfol­ge aus.

Da bleibt bei mir hän­gen, dass in den letz­ten Jah­ren viel sozia­les Enga­ge­ment und Spen­den­un­ter­stüt­zung durch die Fans statt­ge­fun­den hat. 2018 über­bot die Nord­kur­ve Nürn­berg in der Weih­nachts­spen­den­ak­ti­on mit 55.000 Euro sei­ne bis­he­ri­ge Rekord­mar­ke. Das Geld wur­de an fünf wohl­tä­ti­ge Orga­ni­sa­tio­nen aus­ge­schüt­tet. Eine davon ist „Fran­ken Hilft e.V.“, die unter ande­rem für tod­kran­ke Kin­der mit unheil­ba­ren Krebs­lei­den Spen­den sam­melt, um die­sen Kin­dern noch eini­ge letz­te Wün­sche erfül­len zu kön­nen. Da muss ich als Fami­li­en­va­ter schon gewal­tig schlu­cken… Es ist sehr wich­tig, dass es die­ses Enga­ge­ment gibt, denn es zeigt, dass Fuß­ball­fans noch deut­lich mehr im Kopf haben als nur das run­de Leder.

Und zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?

Die gebeu­tel­te rot-schwar­ze See­le wünscht sich den Aus­wärts­sieg. Mein Ver­stand sagt: Bloß kei­ne Klat­sche. Prin­zi­pi­ell ist daher egal, wie ich auf Club-Spie­le tip­pe – ich lie­ge fast immer dane­ben! Daher sage ich: Der Club mar­kiert den Auf­bau­geg­ner und ver­liert 2:4 ?

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