Welche Chance hat der VfB im Heimspiel gegen die Bayern und wie ist die aktuelle Lage in München? Darüber haben wir mit Bayern-Fan Alex (@alex_muc86) gesprochen.
Rund um den Brustring: Hallo Alex und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Stell Dich doch bitte erstmal vor: Wie bist Du Bayern-Fan geworden?
Alex: Servus Lennart, servus lieber Leser.
Ich bin Alex, 34 Jahre aus dem schönen Fürstenfeldbruck bei München. Ich bin aktuell Pressesprecher der Club Nr. 12, der Vereinigung der aktiven Bayernfans. Ich bin quasi bei jedem Heimspiel der Profis und Amateure zu finden und versuche auch auswärts so oft wie möglich dabei zu sein.
Wie kam ich zu Bayern? Das müsste so 1993/94 gewesen sein. Leider keine von den schönen „mein Papa nahm mich mit zum Spiel“-Geschichten. Das hätten dann höchstens meine Großtante oder mein Großonkel übernehmen können, die beide Eintracht Braunschweig nahestanden.
In Südhessen aufgewachsen war zwar der nächstgelegene Profi-Verein die Frankfurter Eintracht, aber einer der damals besten Freunde war Bayern-Fan. So kam ich mit 7, dann 8 Jahren dem FC Bayern nah. Dass mit Lothar Matthäus ein richtiger Star in München spielte, half natürlich auch. So war es relativ schnell um mich geschehen. Und das obwohl ich 1996 mein erstes Spiel im Stadion nicht in München erlebte, sondern tatsächlich in Stuttgart. Der VfB schlug damals den VfL Bochum mit 3:1, das magische Dreieck überragte alles. Aber da war es um mich halt schon geschehen.
Die letzte Saison war für Bayern-Fans nicht nur wegen der Corona-Krise außergewöhnlich, sie endete auch im zweiten Triple in den letzten sieben Jahren. An Meisterschaften in Serie hat man sich ja in München gewöhnt, was hat der Dreifacherfolg bei dir ausgelöst? Und ärgerst Du Dich, dass er genau in das Jahr fällt, in dem man nicht ins Stadion kann?
Eine gute Frage. Auf die ich tatsächlich bis heute keine finale Antwort habe. Natürlich freut einen der Erfolg des eigenen Vereins. Aber wirklich Emotionen kamen bei mir leider nicht hoch. Beeindruckend war es auf jeden Fall, was da nach der Corona-Pause abging. Aber auf der anderen Seite: man feuert Barca mit 8:2 aus dem Stadion und keiner kann dabei sein? Das tat schon weh. Das Finale sah ich im TV. Einfach nur das Spiel. Leichte Erleichterung, als es vorbei war und Neymar und Qatar Sports Investments den Titel verpasst hatten, aber die große Freude von 2001 und 2013 setzte nicht ein. Und auch in der Liga: mit Corona war klar, dass sich dort – komplett ohne äußere Einflüsse – der stärkste Kader durchsetzen würde. Und den hatten halt wir. Ich finde es richtig, dass Massenveranstaltungen nicht stattfinden, aber es fehlt mir, fehlt uns trotzdem ungemein.
Was ist für die Bayern diese Saison drin? Kannst Du dir vorstellen, dass man alle drei Titel sogar verteidigen kann?
Möglich ist alles, aber ich halte es nicht für wahrscheinlich. Dazu gibt es einfach zu viele Unbekannte in der Rechnung. Dazu kommt, dass man uns jetzt, aber sicher auch mittelfristig die kurze (Sommer-)Pause anmerken wird.
Unter anderem mit Eric-Maxim Choupo-Moting und Leroy Sané hat sich der FCB ja im Sommer ja nochmal namhaft verstärkt. Gleichzeitig wechselte Thiago nach Liverpool. Wie zufrieden bist Du nach der Hälfte der Hinrunde mit den Transfers und wo muss Hasan Salihamidzic im Winter gegebenenfalls noch nachlegen?
Da bin ich noch sehr unschlüssig. Die Namen sind sicher groß. Aber auch die Leistungen? Bisher leider nicht. Was aber auch daran lag, dass mit Choupu-Moting, Costa, Roca, Sarr und Tiago Dantas fünf Spieler erst sehr spät kamen. Es wirkte für mich am letzten Tag der Wechselperiode etwas, als habe man doch gemerkt, dass der Kader zu klein ist und wolle nun auf Teufel komm raus Spieler verpflichten.
Über den Sané-Transfer vorher muss man nicht reden, der passt. Aber vom Rest kam bisher sportlich – sicher auch wegen der fehlenden Vorbereitung – wenig bis gar nichts. Da steht Choupu-Moting sicher noch an der Spitze. Und der hat bisher nur ein Tor erzielt.
Nach unserem Abstieg 2019 kann Benjamin Pavard am Samstag zum ersten Mal gegen VfB auf dem Platz stehen. Wie hat er sich in en letzten eineinhalb Jahren entwickelt?
Benji ist bei uns eigentlich gesetzt. Ab und an bekommt er mal eine kleine Auszeit, aber im Normalfall spielt er bei uns den rechten Verteidiger. Und das macht er einfach gut. Es spricht absolut für ihn, dass Flick ihm soweit vertraut, dass Kimmich weiter auf der 6 spielen konnte.
Wenn Pavard dann doch mal fehlt, so zum Beispiel gegen Dortmund, dann merkt man erst richtig, was wir an ihm haben. Ich bin also absolut zufrieden mit dem, was er abliefert. Gerade durch den Kimmich-Ausfall sind seine Leistungen in de nächsten Wochen noch deutlich wichtiger, als sie eh schon waren. Gegen Salzburg musste Pavard zwar früh raus, aber ich gehe aktuell davon aus, dass wir ihn am Wochenende sehen werden.
Bei zwei anderen FCB-Spielern werden VfB-Fans ebenfalls wehmütig: Joshua Kimmich, der derzeit verletzt ist, und Serge Gnabry entstammen beide unserer Jugendarbeit. Wie wichtig sind sie für die Mannschaft, wie sehr wirkt sich das Fehlen Kimmichs aus?
Kimmich ist eines der Herzstücke des Spiels der FC Bayern. Sein Fehlen merken wir mehr als deutlich. Nicht nur, weil man ihn ohne zu zögern sowohl auf der 6 als auch in der Abwehr einsetzen kann. Er hat sich in den letzten Jahren zu einem Spieler entwickelt, der auch wegen seiner zentralen Position auf dem Feld für uns eine sehr hohe Bedeutung hat. Und das gilt insbesondere nach dem Abgang von Thiago. Nebenbei gesagt: nicht nur für uns. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Nationalmannschaft mit ihm 0:6 gegen Spanien untergegangen wäre.
Bei Gnabry ist es etwas anders. Zwar begann der die Runde zwar stark, aktuell hakt es aber etwas. Nominell kann man ihn auch ruhig mal draußen lassen und ihm die dringend benötigte Auszeit gönnen. Dass das aber trotz allem eine Schwächung ist, zeigte sich nicht erst letzte Woche gegen Bremen, als satt Sané und Gnabry eben Costa und Choupu-Moting begannen. Das war zu wenig.
Wie zufrieden bist Du mit der Arbeit von Trainer Hansi Flick und wie lässt er die Bayern-Mannschaft spielen?
Flick hat nach der doch sehr unruhigen Zeit mit Kovac das Triple geholt. Viel mehr muss man da eigentlich nicht sagen. Und: er scheint das dadurch gewonnene Ansehen zu nutzen, um auch mal mehr, mal weniger öffentlich auf Kader-Baustellen hinzuweisen. Das finde ich persönlich von Zeit zu Zeit notwendig und daher gut. Auch die Tatsache, dass er hin und wieder mal junge Spieler wie Musiala oder Richards ins kalte Wasser wirft ist absolut lobenswert und leider nicht selbstverständlich.
Zur Aufstellung: im Normalfall steht auch bei Flick das 4–2‑3–1. Nachdem es gegen Bremen mit einer Variation dieser Aufstellung mit Goretzka als alleinigem Spieler vor der Abwehr schief lief, wird man wohl gegen euch wieder auf diese Aufstellung zurückgreifen. Vorne dürfte man einen Flügelfokus erkennen, während Goretzka und Müller versuchen werden, durch die Mitte zu stoßen, wo dann Lewandowski vollendet.
Spannend bleibt die Frage, wen er hinten aufstellt. Das Spiel gegen Salzburg zeigte mal wieder, dass wir hinten aktuell noch keine feste, eingespielte Formation haben. Das wird gegen euch sicher spannend.
Die Stärken der Bayern sind ja offensichtlich. Wo siehst Du Schwächen bei der Mannschaft?
Ich habe es ja schon erwähnt: neue Spieler kamen spät, andere sind überspielt, wieder andere wie Kimmich sind verletzt. Das ist sicher eure Chance. Das mag bei allen Punkten jeweils noch Jammern auf sehr hohem Niveau sein, aber es summiert sich halt. Dazu kommt, dass Lewandowski nicht so knipst, wie noch am Saisonbeginn und wir natürlich keinen 1:1‑Ersatz für ihn haben. Je nach Aufstellung wäre das auch sicher eure Ansatz: ihr müsstet Lewandowski so aus dem Spiel nehmen, wie Bremen das geschafft hat.
Große Fragezeichen gibt es hinten: beginnt wie gegen Salzburg der junge Richards oder ist Hernandez wieder fit genug? Und was passiert auf der 6? Roca hat es immerhin geschafft, in seinem ersten Spiel über mehr als eine Minute (Düren mal ausgenommen) nach etwa einer Stunde vom Platz zu fliegen. Hier hakt es aktuell also noch richtig.
Auch in der Länderspielpause stand der FC Bayern im Fokus der Berichterstattung, vor allem wegen seines Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge, der zum einem Geheimtreffen alle Bundesligisten und den HSV, nicht aber Augsburg, Mainz, Bielefeld und den VfB einlud. Wie bewertest Du sein Verhalten, auch im Bezug auf das Image des FC Bayern?
Ich würde ja jetzt echt gerne etwas Nettes über Rummenigge sagen. Aber ich wüsste in dem Fall echt nicht, was.
Aber beginnen wir doch lieber bei der Frage: welches Image? Rassismus am Campus? Hausverbot für kritische Fans? Partnerschaft mit Katar? Oder auch die Verbrüderung mit Hopp und der Nichtangriffspakt beim 6:0 in Sinsheim? Unser Verein macht es uns in den letzten Jahren nicht immer leicht.
Natürlich gibt keiner gerne Geld ab, sei es an andere Vereine oder an den Zoll, wenn man Uhren importiert. Aber manchmal wäre das absolut sinnvoll und besser. So auch hier. Selbst bei uns gibt es ja genug Fans, die gerne etwas mehr Spannung hätten. So ist es auch kein Zufall, dass die aktive Fanszene bei uns hier der Position der Stuttgarter deutlich näher steht als der Position unseres eigenen Vereins. Wir brauchen eine bessere Verteilung der Gelder, wir brauchen mehr Wettbewerb. Das nützt der Spannung, der Attraktivität der Liga und so am Ende auch uns. Leider wird das mit Kalle – und wahrscheinlich auch mit seinem Nachfolger – nur schwer möglich sein. Mir ist allerdings auch klar, dass wir genug Fans bei uns haben, denen Erfolg um jeden Preis wichtiger ist, als solche Kleinigkeiten wie Wettbewerb oder Menschenrechte…
Zum Abschluss: Dein Tipp fürs Spiel?
Ich habe unsere Schwächen und Probleme ja schon deutlich aufgeführt. Und trotzdem: der FC Bayern wird dieses Spiel gewinnen. Im Podcast Rasenfunk wurde zurecht erwähnt, dass Bremen vielleicht auch das Glück hatte, der „richtige“ Gegner im richtigen Moment zu sein. Unsere Spielart kam ihnen entgegen, sie nutzten die Fehler aus und hätten sogar gewinnen können. Das ist am Wochenende nicht der Fall. Gegen Salzburg hingegen stimmte die Chancenverwertung auf einmal wieder und der aktuell auf höchstem Niveau spielende Neuer konnte fast jeden Angriff der Österreicher entschärfen. Das schafft er auch gegen euch. Daher: Der FC Bayern schießt ein Tor weniger als beim letzten mal in Stuttgart und gewinnt mit 2:0. Dafür bleibt ihr dieses Mal aber in der Liga und wir kommen nächste Saison hoffentlich mal wieder mit dem Regionalexpress von München nach Stuttgart gefahren und „freuen“ uns schon auf den herzlichen Empfang der schwäbischen Polizei…
Titelbild: © imago/Kicker/Eissner