Am Sonntag gastiert die Borussia aus Mönchengladbach im Neckarstadion. Wir sprachen vor der Begegnung mit Michael vom Online-Fanmagazin Seitenwahl.
Rund um den Brustring: Hallo Michael, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen genommen hast. Erzähl doch bitte zunächst kurz etwas über Euren Blog Seitenwahl, den es bereits seit über 20 Jahren gibt.
Michael: Die Seitenwahl ist das älteste Online-Magazin über Borussia Mönchengladbach, das bereits 1997 ins Leben gerufen wurde und seitdem meinungsstark und kritisch über unseren Verein berichtet. Aktuell sind wir ein Team aus acht Leuten, wovon einer vornehmlich für die Fotos und Technik zuständig ist.
Wie zufrieden bist Du mit bisherigen Saisonverlauf? Die Borussia steht nach dem 21. Spieltag auf Platz 8, was aber angesichts der Dichte der oberen Tabellenhälfte derzeit wenig aussagekräftig ist.
Allein von den Zahlen könnte man eigentlich zufrieden sein, denn angesichts der angespannten Personalsituation sind 31 Punkte aus 21 Spielen keine so schlechte Ausbeute. Trotzdem kann die Entwicklung der Mannschaft nicht wirklich zufriedenstellen. Sie wirkt oft gehemmt und man hat den Eindruck, dass die Summe der Teile schlechter ist als es die individuelle Qualität der Einzelspieler hergeben sollte. In den Erfolgsjahren 2012–2015 war dies genau andersherum. In den letzten Spielen machte sich dies auch in der Punktausbeute bemerkbar, denn von den letzten neun Spielen gingen sechs verloren. Selbst wenn manche Niederlage unglücklich war, muss man mittlerweile große Sorgen haben, ob es so für die Europa League reichen kann.
Und was traust Du der Mannschaft noch zu? Schafft die Borussia die Rückkehr nach Europa?
Bayern, Dortmund und Leipzig schätze ich in jedem Fall stärker ein. Dahinter gibt es eine Gruppe von 4–5 Mannschaften, die um die verbleibenden Europa-Plätze 4 bis 7 kämpfen. Bei aller Bescheidenheit sollte es schon der Anspruch von Borussia sein, zu dieser Gruppe zu gehören und am Ende mindestens 7. zu werden. Die Auftritte der letzten Wochen und Monate machen aber Sorge. Max Eberls Credo von der Einstelligkeit in allen Ehren, aber es wäre am langen Ende schon ein Stück weit eine Enttäuschung, wenn sich neben den Überraschungsteams aus Frankfurt und Augsburg auch noch Vereine wie Hannover, Hertha oder Freiburg besser platzieren könnten.
Wie bewertest Du nach etwas mehr als der Hälfte der Saison die Neuzugänge des letzten Sommers und warum war Max Eberl im Winter nicht auf dem Transfermarkt aktiv?
Denis Zakaria war ein Top-Einkauf, der vielleicht sogar noch etwas besser ist als Mo Dahoud. Matthias Ginter bringt das, was zu erwarten war, auch wenn er Andreas Christensen nicht gleichwertig ersetzen kann und sicher nicht die 17 Mio. Euro wert ist, die er gekostet hat. Aber diese Beträge sind ja mittlerweile bei den meisten Spielern kaum noch zu rechtfertigen. Michael Cuisance ist ein großes Talent und war mit 250.000 € dagegen ein echtes Schnäppchen. Die erneute Rückkehr von Raul Bobadilla leuchtete mir damals schon nicht ein. Warum holt man einen Spieler zurück, der bereits zweimal im Verein gescheitert ist? Die größte Enttäuschung ist für mich bislang aber Vicenzo Grifo, von dem ich mir nach seinem tollen letzten Jahr in Freiburg mehr versprochen hatte.
Er war allerdings leider oft verletzt, sodass noch Hoffnung auf Besserung besteht. Ich hätte mir im Winter etwas mehr Mut auf dem Transfermarkt gewünscht. Die Verletzungssorgen waren da schon bekannt und gerade in der Offensive
fehlt es an einer brauchbaren Alternative mit Torgefahr. Bei einer Einwechselung von Drmic und Bobadilla ist der Qualitätsverlust gegenüber den Startspielern viel zu hoch, sodass Hecking inzwischen meist ganz drauf verzichtet sie zu bringen.
Am vergangenen Samstagabend habt Ihr spät mit 0:1 gegen Leipzig verloren. Warum hat es nicht zu mindestens einem Punkt gereicht?
Weil Leipzig kurz vor Schluss noch ein Tor erzielt hat. 😉 Es war kein gutes, aber auch kein so schlechtes Spiel von Borussia. Chancen für einen Heimsieg gab es genug und ein Remis wäre deshalb das gerechtere Ergebnis gewesen. Insgesamt merkte man aber schon, dass Leipzig die bessere und reifere Mannschaft hat, weshalb der Sieg letztlich nicht ganz unverdient war.
Bereits im Interview vorm Hinspiel mit Christoph vom Halbangst Blog haben wir die Verletzten thematisiert. Aktuell fehlen unter anderem Stammkeeper Yann Sommer, Ex-VfBler Ibrahima Traoré und Raffael. Wie sehr schwächen die Verletzten die Fohlenelf?
Der Ausfall von Raffael schmerzt sehr, weil hier die Alternativen arg begrenzt sind. Er fiel aber schon letzte Saison oft aus, sodass man sich auf der Position um stärkere Alternativen hätte bemühen müssen. Patrick Herrmann müht sich redlich, ist aber leider weit von seiner Form aus früheren Jahren entfernt. Für ihn wäre sicher auch Traoré eine Verstärkung. Yann Sommer spielt eine eher durchschnittliche Saison und sollte vom zuletzt stark agierenden Tobias Sippel gleichwertig zu ersetzen sein. Insgesamt ist die Personaldecke durch die Vielzahl an Verletzten etwas dünn, was sich speziell bei den Einwechselungen bemerkbar macht. Zudem ist es immer schlecht, wenn eine Mannschaft immer wieder zu Umstellungen gezwungen wird. Trotzdem kann Dieter Hecking immer noch eine sehr brauchbare Elf aufbieten. Deshalb sollte über die Verletztenmisere nicht zu sehr gejammert oder sie gar als Alibi missbraucht werden.
Beim Hinspiel hatte ich ständig, das Gefühl, dass die Borussia irgendwann zuschlagen würde, so gut der VfB auch dagegen hält. Was ja der eben angesprochene Raffael dann auch tat. Welche Erinnerungen hast Du an das Spiel im September und lassen sich Schlüsse aufs Rückspiel ziehen?
Gegen Stuttgart habe ich immer im Hinterkopf, dass sich Borussia zuhause in den letzten Jahren meist sehr schwer getan hat. Von daher bin ich positiv überrascht, dass es zuletzt zu zwei deutlichen Heimsiegen gereicht hat. Im Hinspiel war ich vom Auftreten der Stuttgarter positiv enttäuscht. Ich hätte es mir schwerer vorgestellt gegen einen euphorisierten Aufsteiger relativ zu Beginn der Saison.
Vor wem müsse wir uns am Sonntag in Acht nehmen und wo siehst Du die Schwächen der Borussia derzeit?
Aktuell sticht kaum jemand so wirklich aus dem Kollektiv bei Borussia heraus. Raffael spielt leider nicht, Stindl ist außer Form, Hazard unkonstant, Herrmann bemüht aber oft unglücklich. An einem guten Tag können sie alle das Spiel entscheiden, aber von denen hatten sie zuletzt leider selten einen. Zufrieden sein kann man mit den Leistungen auf der 6er-Position, wo Kramer, Zakaria und/oder Cuisance zuverlässige Leistungen abliefern. Die Schwächen liegen im Torabschluss, da die genannten Offensivspieler zu viele (Groß-)Chancen liegen lassen. Zudem ist die Viererkette unter Druck anfällig.
Abschließend: Dein Tipp fürs Spiel?
In Stuttgart hat Borussia in den letzten Jahren meist gut ausgesehen. Da geht es uns erschreckenderweise ähnlich wie dem aktuellen Tabellenletzten. Ich würde mir wünschen, dass sich dies am Sonntag fortsetzt. Mein Tipp lautet aber 1:1, was den momentan etwas unbefriedigenden Leistungen beider Teams am ehesten gerecht würde.
Michael, vielen Dank für das Gespräch!
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