Der VfB empfängt Mainz 05 zum ersten Heimspiel nach dem Wiederaufstieg. Mit FSV-Fan Mara Pfeiffer (@Wortpiratin) sprachen wir über die 05er und das Spiel am Samstag.
Rund um den Brustring: Hallo Mara, danke dass Du dir für uns Zeit nimmst. Erzähl erstmal bitte was über Dich. Wie bist Du zum FSV gekommen und was machst Du außer die 05er anfeuern sonst noch?
Mara: Hallo Lennart, klar, gerne. Ich bin Ende der 90er zum Studium nach Mainz gezogen. Mit Fußball hatte ich vor allem bei großen Turnieren etwas am Hut, die habe ich immer mit meinem Paps geschaut, der außerdem ein Herz für den BVB hatte. Mit der Bundesliga habe ich mich weniger beschäftigt, bis ein Studienfreund mich mitgenommen hat an den alten Bruchweg. Da war’s sofort um mich geschehen – klingt kitschig, ist aber so. Als ich später mein Zeitungsvolontariat gemacht habe, war ich schnell für die „weichen Themen“ rund um die 05er zuständig und habe irgendwann angefangen, auch über den Verein zu bloggen. Später war ich im Redaktionsteam beim Fanzine Die TORToUR, die leider aktuell im Dornröschenschlaf liegt, und inzwischen arbeite ich freiberuflich als Journalistin und Autorin, habe mit einem Kollegen ein Buch über Mainz 05 geschrieben und bin 05-Kolumnistin der AZ. Privat bin ich verheiratet, lebe in Wiesbaden (#sechsFüßeachtPfoten), liebe Filme, Serien, Bücher und italienisches Essen. Und – falls das bis hierher nicht klar wurde – ich bin ganz schlecht darin, mich kurz zu fassen.
Rund um den Brustring: Nach einer guten Saison 2015/16 seid ihr letztes Jahr nur knapp dem Abstieg entronnen und auf Platz 15 eingelaufen? Was ist da passiert?
Mara: Eigentlich nichts Wildes, denn als Mainz 05 ist es nicht ungewöhnlich oder verwerflich, da unten mit reinzurutschen. In der vergangenen Saison kam einfach eine Menge zusammen. Für meine Begriffe hat man sich in der Winterpause, also kurz nach dem Ausscheiden aus DFB- und Europapokal, nicht klug verstärkt. Die Erwartung war, jetzt – mit voller Konzentration auf die Liga –, den Blick nach oben zu richten. So kamen Verpflichtungen wie die von Bojan zustande. Der ist ein toller Spieler, hilft dir im Abstiegskampf aber wenig. Dann hat es, vielleicht durch Erfolg der Vorsaison, trotz aller Warnzeichen eine Weile gebraucht, bis wirklich bei allen Spielern angekommen war, wie ernst die Lage ist. Zudem war das Spiel der Mainzer wenig variabel, die Gegner konnten sich also gut darauf einstellen, was sie erwartet, und haben das auch getan. Zuletzt war diese Phase für den Verein insgesamt eine holprige und ich bin der Meinung, diese Unruhen können am Ende auch die Spieler nicht völlig ausblenden.
Rund um den Brustring: Welche Erwartungen hast Du für diese Saison? Abstiegskampf bis zum Ende oder entspannter Mittelfeldplatz? Oder so gar mehr?
Mara: Auch, wenn das furchtbar abgedroschen klingt, geht es bei Mainz 05 doch Jahr für Jahr erstmal um den Klassenerhalt. Das gilt in dieser Saison ganz besonders, wegen der beschriebenen Rumpeleien in der letzten und natürlich, weil sich mit einem neuen Trainer alles erstmal einspielen muss. Insofern wäre ich schon total zufrieden, wenn der Ligaverbleib nicht erst in der letzten Minute eingetütet wird. Über alles, was danach noch möglich sein könnte, mache ich mir erst wieder Gedanken, wenn klar ist, wir stehen über dem Strich.
Rund um den Brustring: Wie ist dein bisheriger Eindruck von Euren Neuzugängen? Ganz besonders interessiert uns VfB-Fans natürlich, wie Alex Maxim bei Euch aufgenommen wurde und wie er sich im 05-Trikot bisher macht?
Mara: Ich war bei den Neuzugängen sehr begeisterungsfähig und kann meine Euphorie über den Maxim-Wechsel sogar mit einem Screenshot belegen.
Ähnlich war es bei René Adler, von dem ich glaube, dass er über das Sportliche hinaus auch eine gute Rolle im Team spielen kann. Man reibt sich als Mainz-Fan schon ein bisschen die Augen darüber, was für uns mittlerweile möglich ist an Transfers: Während Anhänger bestimmter Vereine uns nach wie vor nicht oder nur sehr ungern ernst nehmen, ist das sportlich eine ganz andere Geschichte. Wenn ich lese, dass Abdou Diallo, seines Zeichens Kapitän der französischen U21-Nationalmannschaft, trotz diverser andere Angebote klar sagt, sein Weg führt zu Mainz 05, hüpft mein Herz schon ein bisschen. Auf Viktor Fischer freue ich mich nach seinen bisherigen Auftritten auch sehr. Aber nochmal zurück zu Maxim, er hat sein Potential definitiv schon angedeutet, wie man so schön sagt. In Mainz wurde er gut aufgenommen – und beim ersten Heimspiel war bereits zu merken, wie positiv die Fans auf ihn reagieren.
Rund um den Brustring: Welcher Abgang schmerzt besonders? Und ist Jhon Cordoba wirklich die vermuteten 16 Mio Euro Ablöse wert, die Köln an Euch bezahlt hat?
Mara: Für mich hatten wir gefühlt gar keine Abgänge in dieser Transferperiode. Spieler wie Niederlechner oder Nedelev waren zuvor ja bereits verliehen. Jonas Lössl hatte im Tor letzte Saison eine extrem undankbare Rolle, weshalb die Leihe bei ihm für beide Seiten sinnvoll ist. Dass es für ihn aktuell mit Huddersfield so gut läuft, ist super. Somit bleibt eigentlich nur Córdoba. Dessen Qualität ist natürlich unbestritten, ich glaube aber, der Abgang kann uns letztlich gut tun, weil das Spiel nun variabler wird. Die Ablösesumme ist Wahnsinn, passt damit aber in diese Transferperiode: neymareske Verhältnisse wohin man schaut. Das wird uns allen noch mächtig auf die Füße fallen. Man sieht ja, dass in diesem Klima offenbar die Berater jedes Maß verlieren und – wie im Falle Jairo – am Ende sogar Wechsel an dieser Maßlosigkeit scheitern, weil es gar nicht mehr um die Spieler geht, nur noch um die Kohle.
Rund um den Brustring: Noch in der vergangenen Saison erschien in der 11Freunde ein Artikel über Mainz 05, in dem beschrieben wurde, dass man das Stadion am Europakreisel nicht mehr voll bekommt. Ende letzten Jahres hing der Haussegen zwischen der Ultraszene Mainz und dem Vorstand schief, außerdem gab es eine längere Diskussion über den langjährigen Präsidenten Harald Strutz und dessen Bezüge. Jetzt wurde im Sommer ein neuer Präsident gewählt: Johannes Kaluza.
Lange Einleitung, kurze Frage: Ist jetzt beim FSV wieder alles im Lot? Wie macht sich der neue Präsident und wie nervenaufreibend waren die ganzen Nebenkriegsschauplätze im Abstiegskampf?
Mara: Erstmal muss man sagen, dass wir unser Stadion selten alleine voll bekommen haben, ausverkauft ist es meist nur, wenn die Gegner Bayern, BVB oder HSV heißen und auf allen Tribünen auch Gästefans sitzen. Diesen Umstand kann man beklagen, ich tue das als Fan auch leidenschaftlich und emotional, nüchtern betrachtet steht Mainz aber einfach immer noch am Anfang seiner Entwicklung. Plus, in dem Artikel wurde die Auslastung mit der im ersten Jahr der neuen Arena verglichen und da hattest du ein riesiges Potential von Leuten, die im proppenvollen Bruchweg nie an Karten kamen und die sich dann erstmal eingedeckt haben. Dazu gibt es eben auch Leute, die weniger Vereinsfans sind als generelle Fußballanhänger und die leider daheim bleiben, wenn das Spiel gerade weniger attraktiv ist. Ich finde das alles schade, aber so ist die Realität – und vermutlich nicht nur in Mainz. Das mal als Vorrede.
Der Haussegen zwischen Führung und Ultras hing in den letzten Jahren immer mal schief, auch das nicht nur in Mainz. Ich glaube, da müssen Vereine und Fans ganz generell zu einer Gesprächskultur zurückkehren, die unterwegs leider verloren gegangen ist. Dass es in Mainz nach dem Abgang von Christian Heidel nicht einfach geschmeidig weiterlaufen würde, war eigentlich zu erwarten. Letztlich geht es dann um Macht, auch um Eitelkeiten, zwischen zwei Alphatieren: Wer war wichtiger? Heidel oder Strutz? Der eine ist weg und so irgendwie unantastbar, der andere verhält sich ungeschickt, als Kritik an seiner Person aufkommt – und plötzlich kann das alles richtig kippen. Positiv sehe ich, dass der Verein es geschafft hat, in sehr engem Dialog und unter Einbeziehung der Mitglieder seine neue Struktur zu finden. Lobend ist auch Rouven Schröder hervorzuheben, bei dem man zwischendurch schon Bedenken hatte, er fragt sich, wo er eigentlich hingeraten ist, der aber Ruhe bewahrt hat und nun als Vorstand Sport einer der wichtigsten Leute im Verein ist. Es gibt nun einen Aufsichtsrat, der neue Präsident ist gewählt und wir sind, denke ich, alle gut beraten, zum einen den Blick nach vorne zu richten und zum anderen den neuen Verantwortlichen ein bisschen Zeit zu geben, um sich in ihre Rollen zu finden. Ich bin relativ optimistisch, dass ein insgesamt deutlich ruhigeres Jahr vor uns liegt.
Rund um den Brustring: Im Pokal habt Ihr Euch mit 3:1 in Lüneburg durchgesetzt, am vergangenen Wochenende habt ihr gegen unseren Mitaufsteiger Hannover mit 0:1 verloren. Wie schätzt Du Euren Saisonstart ein?
Mara: Nach einem Sieg im Pokal den Saisonauftakt zuhause zu verlieren, hat bei uns schon fast Tradition. Wenn man sich den Spielverlauf anschaut, ist es natürlich super ärgerlich, dass die Mannschaft sich am Ende für ihren Aufwand nicht belohnt hat. Zumal die Aufgaben nach der Länderspielpause mit München, Leverkusen und Hoffenheim nicht leichter werden. Insofern ist schon ein gewisser Druck da, am Samstag zu punkten. Andererseits gibt es sowieso keine Gegner mehr, gegen die es leicht wird, und Mainz hat es in der Vergangenheit immer wieder geschafft, auch die Großen zu ärgern. Es bringt also nichts, weiter zu denken als bis zum nächsten Spiel – und da müssten die Jungs zwar in Sachen Torgefährlichkeit noch eine Schippe drauflegen, was das Spielerische angeht, sind sie aber bereits auf einem guten Weg. Ein bisschen kaltschnäuziger dürften sie vielleicht noch werden.
Rund um den Brustring: Und was tippst Du für das Spiel am Samstag?
Mara: Ich bin unfassbar schlecht darin, Spiele mit Mainzer Beteiligung zu tippen, weil ich da einfach immer meinem inneren Wunschkonzert folge. Insofern gehe ich davon aus, es wird ein 3:2‑Sieg der 05er.
Rund um den Brustring: Vielen Dank für das Gespräch!
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