Zweites Spiel, erster Sieg: Im Heimspiel gegen Mainz verdient sich der VfB die ersten drei Punkte im Abstiegskampf. Ein Auftritt, der Mut macht.
Es war ja fast zu romantisch um wahr zu sein. Ausgerechnet Holger Badstuber, den Hannes Wolf eigentlich erst nach der Länderspielpause gegen Schalke von Beginn an einsetzen wollte, erzielt beim 1:0 gegen Mainz nicht nur das Tor des Tages, sondern grätscht hinten auch kompromisslos alle weg, die sich dem Tor seiner Mannschaft nähern. Ganz unromantisch war er aber vor allem der Beste einer engagierten, aber mitunter auch etwas glücklosen Mannschaft, die sich den ersten Dreier dieser Saison redlich verdient hatte.
Sieg im direkten Duell
Denn auch wenn Simon Terodde nach dem verschossenen Elfmeter weiter auf seinen ersten Bundesliga-Treffer wartet und auch wenn Chadrac Akolo vor dem Strafraum noch ein wenig die Übersicht fehlt: Am Ende zählt nur, dass der VfB einen direkten Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt geschlagen hat. Dass Mainz in diesem Spiel keine Bäume ausriss und der VfB-Sieg eigentlich höher hätte ausfallen müssen: geschenkt. Am Ende ist es neben dem Hollywood-reifen Auftritt Holger Badstubers vor allem die Offenbarung, was die derzeitigen Spieler potenziell zu leisten in der Lage sind, die mich ein bisschen optimistischer auf die nächsten Wochen blicken lassen.
Dass wir uns nicht falsch verstehen: Der VfB muss möglichst schnell Mittel und Wege finden, Simon Terodde und nach dessen Genesung Daniel Ginczek in Positionen zu bringen, die so aussichtsreich sind, dass diese gar nicht mehr anders können, als ein Tor zu schießen. Bisher sieht die die Bilanz des VfB in dieser Saison noch mager aus: Eine Einzelaktion von Josip Brekalo, ein Eigentor und eine Standardsituation stehen bisher zu Buche. Dem gegenüber stehen zu viele Flanken, die in Armen des gegnerischen Torhüters verenden, zu viele Eckbälle, die postwendend den Strafraum wieder verlassen und zu viele ungenaue Pässe auf dem Weg zum Tor. Und ein verschossener Elfmeter. Was auch deutlich wurde: Nach der Auswechslung von Akolo und Brekalo verlor das Offensivspiel des VfB, vielleicht auch wegen der Temperaturen, deutlich an Tempo und Überraschung. Nicht gegen jeden Gegner auf dem Weg zum Klassenerhalt reicht allein eine stabile Abwehr, um die nötigen Punkte zu holen.
Das richtige Mittel
Dass diese am Samstag im Neckarstadion so sicher stand, war nicht nur der Verdienst von Holger Badstuber, sondern auch der Aufstellung von Hannes Wolf. Hatten wir am Freitag noch gerätselt, warum der Kader für das Spiel so defensivlastig war, klärte sich das mit Anpfiff auf: Eine Dreierkette, bestehend aus Badstuber, Baumgartl und Kaminski, flankiert von Aogo und Pavard. Manche mögen angesichts des Gegners den Kopf geschüttelt haben über diese defensive Ausrichtung, auch ich war skeptisch. Am Ende war es aber genau das richtige Mittel um den Mainzern, die nach einer Niederlage gegen unseren Mit-Aufsteiger Hannover nicht unbedingt mit dem größten Selbstvertrauen nach Stuttgart kamen, den Saft abzudrehen. Nicht vergessen darf man an diesem Tag der geschlossenen Mannschaftsleistung natürlich auch Ron-Robert Zieler, der seine Ernennung zur Nummer 1 an diesem Tag mit mehreren starken Paraden rechtfertigte.
Wer mich weniger überzeugte, und mit der Meinung stehe ich anscheinend ziemlich alleine da, ist Dennis Aogo. Zwar bereitete er den Siegtreffer mit seinem Eckball auf den Kopf von Holger Badstuber vor, spielte aber sonst so, wie es schon der Schalke-Experte Hassan Talib Haji in unserem Portrait Aogos beschrieb: Viele Pässe, viele Bewegungen gingen eher horizontal als vertikal, zu häufig nutzte er den sich ihm auf dem linken Flügel bietenden Platz nicht aus. Ich würde noch nicht so weit gehen, seine Spielweise auch als Alibi-Fußball zu bezeichnen, aber auch seine beiden Torschüsse gingen in diese Richtung: Nah genug am Tor, um den Schussversuch zu rechtfertigen, aber zu weit davon weg, um gefährlich zu sein. Da ich weiß, dass ich mit dieser Meinung alleine dastehe: Ich versuche hier nicht, in einem vollauf verdienten Sieg und einer guten Mannschaftsleistung noch ein Körnchen Bruddel-Potenzial zu finden. Aber es wäre eben mehr drin gewesen und für mich bleibt Aogo was die Offensive angeht auch weiterhin ein Backup für Emiliano Insua.
Mit Perspektive auf Augenhöhe
So viel also zur Defensive, die an diesem Tag einen fast fehlerfreien Job machte, von einigen Wacklern einmal abgesehen, und dem VfB damit letztendlich auch die drei Punkte bescherte. Dass die Offensivbemühungen in ihrer Gesamtheit nicht ganz so erfolgreich waren, wissen wir bereits. Schauen wir uns also kurz an, was sein könnte: Beispielsweise ein Orel Mangala, der in seiner Zweikampfstärke und dem daraus resultierenden Offensivdrang ein erfrischend belebendes Gegenstück zu seinem Nebenmann Christian Gentner war. Dem aber natürlich noch dessen Erfahrung und Abgeklärtheit fehlt. Oder ein Chadrac Akolo, der sich immer wieder Bälle erwurschtelte, mit diesen der Mainzer Abwehr davonrannte und dem VfB-Spiel ein ganz neues Tempo verlieh. Der aber auch noch zu selten oder zu spät den Kopf hochnimmt, um aus diesem Tempo auch Profit zu schlagen.
Was nehmen wir jetzt mit in die Länderspielpause? Auf jeden Fall die Erkenntnis, dass der VfB mit den bisher verpflichteten Spielern in der Lage ist, mit Mannschaften auf Augenhöhe in der Bundesliga mitzuhalten. Dass aber auch weiterhin einiges glatt laufen muss, damit er in der Lage ist, auch mal einen jener überraschenden Siege gegen einen nominell stärkeren Gegner einzufahren, die normalerweise für den erfolgreichen Klassenkampf unerlässlich sind. Mit Schalke, Wolfsburg und Mönchengladbach treffen die Brustringträger nun auf drei Mannschaften, an denen sich genau diese Erkenntnisse weiter testen lassen. Die wichtigste Erkenntnis ist aber: Diese Mannschaft scheint den Abstiegskampf bereits im August anzunehmen, was auch die Reaktion von Simon Terodde nach dem erlösenden Schlusspfiff zeigt:
Geiles Bild #vfb #VfBM05 pic.twitter.com/XtF1Bv7s38
— Admiral_Iblis (@Admiral_Iblis) 26. August 2017
Bye, bye Alex
Ein Wort noch zu Alexandru Maxim. Dessen Rückkehr ins Neckarstadion verlief eigentlich genau so, wie es sich jeder VfB-Fan erhofft hatte: Maxim blieb über weite Strecken des Spiels so ungefährlich, wie man es gelegentlich von ihm gewohnt war und machte so den Abschied von ihm noch leichter. Gleichzeitig gab es, anders als bei anderen ehemaligen VfB-Spielern, die mit ihrer neuen Mannschaft nach Stuttgart kamen, nur wenig böses Blut. Anders als Mario Gomez und Martin Harnik in der Vergangenheit oder Lukas Rupp und Timo Werner in der Zukunft war ihm der Großteil der Fans wegen seines Wechsels nicht böse. Es mag daran gelegen haben, dass Maxim ein weniger streitbarer Charakter ist als die ersten beiden, oder dass er anders als die beiden anderen nicht zu einem Millionärs-Spielzeug gewechselt ist. Vor allem lag es aber wohl daran, dass er in Stuttgart weniger wegen seiner nur gelegentlich aufblitzenden Fähigkeiten verehrt wurde, als vielmehr wegen seiner herzlichen Art. Sein Auftritt am Samstag bestätigt mich in der Ansicht, dass es kein Fehler war, ihn abzugeben. Möge er in Mainz glücklich werden, außer in Spielen gegen den VfB.
Einen lesenswerten, ebenso optimistischen Rückblick auf das Spiel gibt es übrigens beim Vertikalpass. Auch beim Tragischen Dreieck solltet ihr mal wieder reinlesen: Benni verfasst zu jedem Spieltag einen Standpunkt. Diesmal geht es, wie sollte es anders sein, um Holger Badstuber und dessen Verpflichtung. Heinz Kamke blickt melancholisch auf die Zweitliga-Saison und auf die Geschichte, die der VfB hätte schreiben können, es aber nicht tun wird.