Am Samstag trifft der VfB vor der Länderspielpause auf die Mannschaft aus Hoffenheim. Wir haben uns mit Experte Nikolas Beck von der Rhein-Neckar-Zeitung über das Spiel unterhalten.
Rund um den Brustring: Hallo Niko und danke, dass Du Dir wieder Zeit für unsere Fragen nimmst. Steigen wir direkt ein: Mit dem 3:1 in Wolfsburg gewann Hoffenheim erstmals seit dem 4:0 gegen Augsburg am ersten Spieltag wieder. Wo liegen Deiner Meinung nach die Gründe für den holprigen Saisonstart?
Niko: Der Saisonstart war in der Tat holprig und vor allem enttäuschend. Ich selbst hatte in unserem RNZ-Podcast „Beck’n’Bauer“ vor der Runde die These aufgestellt, dass die TSG nach dem fünften Spieltag Tabellenführer ist. Eigentlich sprach alles für Hoffenheim: Die Mannschaft ist seit zwei Jahren praktisch unverändert, der Trainer wurde nicht gewechselt, die Verletztenmisere hatte sich gebessert und der Spielplan meinte es eigentlich auch gut mit der Hoeneß-Elf. Dem starken Auftakt in Augsburg und einer starken ersten Hälfte gegen Union folgten ein schwacher zweiter Durchgang, das Debakel gegen Mainz und eine Nullnummer in Bielefeld. Auf der Alm war’s gar nicht schlecht; gegen Wolfsburg allerdings auch nicht so gut, wie das Ergebnis vielleicht klingt. Auffällig ist, dass es Hoffenheim offenbar auch in dieser Runde nicht gelingt, ein konstantes Leistungsniveau abzurufen. Da geht es auch um die berühmten Grundtugenden wie Zweikampfhärte, Leidenschaft, Laufbereitschaft. Werden die Ausreißer nach unten in dieser Runde nicht weniger, wird’s auch in der Tabelle nicht viel besser als Vorjahres-Platz elf – und ein Umbruch im Sommer wäre unausweichlich.
Die Wolfsburger waren bis dato ungeschlagen. Ist die Mannschaft jetzt auf dem richtigen Weg oder siehst Du weiterhin Probleme?
Das Spiel gegen Wolfsburg dient nur bedingt als Gradmesser. Zumal die TSG sich in der vermeintlichen Außenseiterrolle offenbar wohler fühlt. Sebastian Hoeneß wurde darauf zuletzt häufiger angesprochen, will das aber bislang noch nicht bestätigen. Was auf jeden Fall besser war gegen die „Wölfe“, war die Effektivität vor dem Tor. Und endlich führten die vielen Hereingaben, die von beiden Bahnen immer wieder kommen, auch mal zum Ziel. Das waren zwei der größten Baustellen in den bisherigen Spielen – und eigentlich auch schon in der vergangenen Runde.
Im Sommer gab es außer der Verpflichtung von David Raum aus Fürth keine größeren Transfers. War man also mit der Mannschaft, die in der Vorsaison Elfter wurde, sonst zufrieden?
Wie eingangs erwähnt wurde der Kader ja auch im Sommer 2020 schon kaum verändert. Er ist eigentlich ein bisschen zu breit aufgestellt für eine Saison ohne Europapokal-Verpflichtungen. Das Problem war, dass es für einige potenzielle Wechselkandidaten einfach keinen Abnehmer gab. Oder aber – wie bei Florian Grillitsch oder Andrej Kramaric – kein für die TSG zufriedenstellendes Angebot auf dem Tisch lag. Außerdem musste man die Vorsaison permanent ohne durchschnittlich zehn (!) Stammspieler auskommen. Die Corona-Fälle inklusiver einer Mannschaftsquarantäne kamen dazu, weswegen eigentlich schon der Anspruch besteht, mit diesem Kader besser als Rang elf abzuschneiden.
Apropos Kader: Mit Ermin Bicakcic, Sebastian Rudy und Jacob Bruun Larsen stehen drei ehemalige VfB-Spieler in Hoffnenheimer Diensten. Wie läuft es für die drei?
Ermin Bicakcic fällt leider auch über ein Jahr nach seinem Kreuzbandriss Anfang September 2020 im Spiel gegen die Bayern weiter aus. Er ist wohl auch noch ein ganzes Stück weit weg von einem Comeback. Ursprünglich hatte er die Hoffnung geäußert, noch in der vergangenen Runde zurückzukommen, hatte aber immer wieder kleinere Rückschläge und wollte zuletzt kein Datum seiner Rückkehr mehr prognostizieren. Sebastian Rudy war zu Saisonbeginn gesetzt, dann machte ihm aber der Rücken zu schaffen. Die Partien in Bielefeld und gegen Wolfsburg hat er verpasst, sollte beim VfB aber wieder im Kader stehen. Einen Startelfeinsatz halte ich für eher unwahrscheinlich. Der Dritte im Bunde, Jacob Bruun Larsen, war der Gewinner der Vorbereitung. Ihn hatte man nach seinem enttäuschenden Beginn in Hoffenheim und der auch nicht unbedingt herausragenden Zeit in Belgien nicht mehr wirklich auf dem Zettel. Umso erstaunlicher war, wie er in die neue Spielzeit gestartet ist. In den ersten fünf Partien stand er von Beginn an auf dem Rasen, traf sowohl in Augsburg als auch gegen Union und wurde dafür mit seinem zweiten A‑Länderspiel für Dänemark belohnt. Ein katastrophaler Fehlpass leitete dann die Niederlage gegen Mainz ein und gegen Wolfsburg saß er erstmals zu Beginn auf der Bank. Unterm Strich scheint er sich aber bei seinem zweiten Anlauf im Kraichgau wesentlich wohler zu fühlen.
Sebastian Hoeneß geht in seine zweite Saison als Trainer. Wie bewertest Du seine Arbeit und wie lässt er die Mannschaft spielen?
Sebastian Hoeneß hat es vor allem in der ganz schwierigen Phase vergangene Saison, als die TSG etwa auf Schalke 0:4 unterging, geschafft, ruhig zu bleiben und sein Team wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Die Herausforderungen, die er in seiner Debüt-Saison als Erstliga-Trainer zu bewältigen hatte, waren enorm. Stichworte Verletzte, Corona-Fälle, Europapokal-Reisen während einer Pandemie. Die Erwartungshaltung an ihn war klar formuliert: Er sollte wieder mehr „Hoffe“-Fußball spielen lassen. Eine zu defensive und unattraktive Spielweise war seinem Vorgänger Alfred Schreuder, der ja auf einem soliden Rang sechs entlassen wurde, unter anderem vorgeworfen worden. Unter Hoeneß spielt die TSG tatsächlich wieder offensiver, mutiger und risikoreicher, aber immer noch mit viel Ballkontrolle. Das Problem: Lange Ballbesitzphasen enden zu häufig in ertragslosen Hereingaben.
Trägt die Tatsache, dass Andrej Kramaric erst in Wolfsburg sein erstes Saisontor erzielte, zum schwachen Saisonstart bei? Vor wem müssen wir uns am Samstag in Acht nehmen und wo liegen die Schwächen der Mannschaft?
Nicht unbedingt. Kramarics vier teilweise herausragenden Vorlagen in den ersten beiden Spielen waren entscheidend für die vier Punkte gegen Augsburg und Union. In der Vergangenheit war ja auch die Torabhängigkeit der TSG vom Kroaten immer wieder kritisiert worden. Diese Saison zeichnen für die elf Hoffenheimer Tore neun verschiedene Schützen verantwortlich. Das ist Ligahöchstwert. Der VfB tut also gut daran, sich nicht alleine auf Kramaric zu konzentrieren. Wenn ich einen Tipp abgeben müsste, dann wird Ihlas Bebou am Samstag eine entscheidende Rolle zukommen.
Zum Abschluss: Dein Tipp?
Da ich im Stadion sein werde und mich auf eine tolle Atmosphäre und ein leidenschaftliches „Derby“ freue, tippe bzw. wünsche ich mir ein unterhaltsames 4:4. 😉
Titelfoto: © A2 Bildagentur/Peter Hartenfelser